IV. Der Hirsch und der Fuchs

»Hirsch, wahrlich, das begreif' ich nicht,
Hört' ich den Fuchs zum Hirsche sagen,
Wie dir der Mut so sehr gebricht?
Der kleinste Windhund kann dich jagen.
Besieh dich doch, wie groß du bist!
Und sollt' es dir an Stärke fehlen?
Den größten Hund, so stark er ist,
Kann dein Geweih mit Einem Stoß' entseelen.
Uns Füchsen muß man wohl die Schwachheit übersehn;
Wir sind zu schwach zum Widerstehn.
Doch daß ein Hirsch nicht weichen muß,
Ist sonnenklar. Hör' meinen Schluß.
Ist jemand stärker, als sein Feind,
Der braucht sich nicht vor ihm zurück zu ziehen;
Du bist den Hunden nun weit überlegen, Freund:
Und folglich darfst du niemals fliehen.«
Gewiß, ich hab' es nie so reiflich überlegt.
Von nun an, sprach der Hirsch, sieht man mich unbewegt,
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Wenn Hund' und Jäger auf mich fallen;
Nun widersteh' ich allen.
Zum Unglück, daß Dianens Schar
So nah mit ihren Hunden war.
Sie bellen, und sobald der Wald
Von ihrem Bellen widerschallt,
Fliehn schnell der schwache Fuchs und starke Hirsch davon.

*


Natur tut allzeit mehr, als Demonstration.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lessing, Gotthold Ephraim. Fabeln. Fabeln und Erzählungen (Ausgabe 1771). 4. Der Hirsch und der Fuchs. 4. Der Hirsch und der Fuchs. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E704-7