[65] Wiben Peter, der Landesfeind

1546.


»Mein ist die Erbschaft laut Pergament,
Und mir gehört sie zu!«
Die Regenten in Meldorf schlagens ihm ab:
Nun laß uns endlich in Ruh!
Wiben Peter setzt sich auf sein weißes Pferd,
Er reitet auf Markt und Gassen,
Das Landesbuch links, in der andern das Schwert:
»Sie müssen mein Recht mir lassen!«
Holla! Er hält und läßt in der Hand
Die beiden im Sonnenlicht blinken.
Das hilft ihm nichts, er wird verbannt;
Sein Hengst fühlt unlieb die Zinken.
Er reitet ins Elend. Aber voll Mut
Will er erzwingen sein Recht
Vor Fürsten und Rat, vor Kaiser und Reich;
Doch gelingt ihm sein Vorhaben schlecht.
Überall weisen sie kläglich ihn ab,
Und immer muß ers erneuen;
Stets wieder bringt man ihn auf den Trab,
Und endlich wirds ihn gereuen.
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Da keiner ihm hilft, spricht er den Schwur:
»Ich will allein mir nützen!«
Und galoppiert grimmig durch Wald und Flur,
Es spritzen Sand und Pfützen.
Und bremst erst in seinem Vaterland,
Die Grenze hielt ihn nicht auf.
Er droht mit der Faust: »Min Länneken deep!«
Und umklemmt seiner Klinge Knauf.
Söldner und Schnapphähne strömen heran,
Die nimmt er in Dienst und Pflichten
Und hält sie fest in seinem Bann.
Seine Rache will Alles vernichten.
Die Mühlen brennen, die Nacht ist voll Greul,
Voller Herdenraub, Zittern und Zeter,
Und mitten drin steht im Mörderknäul
Breitbeinig im Blut Wiben Peter.
Er reitet noch immer sein weißes Pferd,
Grasfarbig sind Zügel und Zaum.
Mit ihm reitet sein Wappenspruch:
»Und wieder grünt der Baum.«
Als Helmsturz weht ihm ein knallroter Busch
Bis hinunter tief in den Nacken;
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Wind, Sonne, Schatten wollen im Husch
Ihn wie ein Wipfelblatt packen.
Sein strohgelber Bart pilgert lang und fahl
Über den eisernen Halsring in Zöpfen,
Wie sich König Assurannibal
Einst ließ den Kinnbart knöpfen.
Als er endlich umstellt ist, bedroht und bedrängt,
Flieht er rechtzeitig an Bord
Und nimmt auf dem alten Hilligenland
Seinen festen Zufluchtsort.
Von hier aus schweift er mit Koggen und Kuff
Und mißt und meistert die Wellen,
Und versetzt der Handelsfahrt manchen Puff,
Daß Rumpf und Rah zerspellen.
Sein Flaggschiff, der blaue Ziegenbock,
Stößt mit den gewaltigen Krickeln
Auf Bug und Boot und Pflock und Block,
Daß sie wie Glas zerstückeln.
Min Länneken deep, min Länneken deep
Ist rasend und faßt den Beschluß:
Genug der ewigen Plackerei,
Genug von Drang und Verdruß!
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Sie schicken Jacht-Ewer aufs hohe Meer
Mit Mannschaft und Enterbeilen,
Und kreisen und kreuzen um ihn her;
Wiben Peter kann nicht mehr enteilen.
Und steigen aus auf Helgoland;
Wiben Peter läuft in die Kapelle
Und verwandelt, zum letzten Widerstand,
Das Bethaus zur Zitadelle.
Sie kommen aufs Kirchlein angeruckt
Mit Piken und Hakengewehr,
Mit Trommel und mit Arkebus;
Der Himmel ist wolkenschwer.
Dann stelln sie sich auf zum beherzten Sturm,
Bald sind die Türen erbrochen.
Wiben Peter hat sich versteckt im Turm,
In den Ästen des Fachwerks verkrochen.
Herab schießt den Vogel ein Mousquetaire,
Er plumpst vor die Orgelpedale.
Drauf trinken die Landsleute »veer Tünn Beer«
Aus einem Altarpokale.
Sie segeln mit der Leiche heim,
Frohlockend empfängt sie der Strand.
[69]
Begleitet von unzähligem Volk,
Fährt der Wagen durchs Marschenland.
In Heide auf dem Marktplatz schlägt
Der Henker den Kopf ab behende;
Und als der Schandpfahl das Totenhaupt trägt,
Klatschen sie Beifall ohn Ende.
Anncke Huck reißt am Bart ihn und hat geschrien:
»Ut is dien Wark, dat blödie,
Wo is mien Wurth, wo sünd mien Swien« –
Das war der Schluß der Tragödie.

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TextGrid Repository (2012). Liliencron, Detlev von. Gedichte. Gute Nacht. Wiben Peter, der Landesfeind. Wiben Peter, der Landesfeind. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-ECA5-2