[113] Die heilige Kümmernis

An einem breiten Wege
Stand eine Statue;
Das Volk ging dran vorüber
Im Sommer und im Schnee.
Es hing ein schönes Mädchen
An steilem Kreuze da,
Sie ließ die Stirne sinken,
Misericordia.
Und blickt unendlich traurig;
Es lag der Erde Leid
Auf ihrem Antlitz nieder,
Da lag es ohne Neid.
Sie trägt die Fürstenkrone,
Ein prächtiges Gewand;
Mit Steinen und mit Ringen
Ist ihr geschmückt die Hand.
Zu ihren Füßen stellt sich
Ein junger Fant und kniet,
Und spielt auf seiner Geige
Ein letztes Abschiedslied.
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Sie warf ihm hin zum Danke
Den einen goldnen Schuh;
Dann stockt ihr Leben wieder,
Sie schloß die Augen zu.
Das Volk geht dran vorüber,
Empfindet Ruck und Riß,
Und spricht halblaut und zitternd:
Die heilige Kümmernis.

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TextGrid Repository (2012). Liliencron, Detlev von. Gedichte. Gute Nacht. Die heilige Kümmernis. Die heilige Kümmernis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-ED8B-5