Am Fenster

Eine Mücke, weiß gekleidet,
Will hinaus durchs Fensterglas,
Ist mein Zimmer ihr entleidet?
Sucht sie draußen was?
Achtet sie so hoch die Ehre,
Daß sie dort ein Frosch verzehre?
Daß ein Spätzlein sie verspeise,
Daß sie in der Spinne Netz
Sich verirr' auf ihrer Reise?
Laut Naturgesetz
Zappelt sie, vor Lust zum Sterben,
In ihr eigenes Verderben.
Aber von dem gleichen Drange
Ist die ganze Welt erfüllt;
Nach dem eignen Untergange,
Vor sich selbst verhüllt,
Drängt sich Groß und Klein auf Erden,
Alles will vernichtet werden.
Nach dem Rächer, nach dem Falle
Schreit der Stolz, das blinde Glück;
Die zu große Macht weist alle
Mäßigung zurück.
Nur durch Härte will sie siegen,
Und so bricht, was nicht zu biegen.
Wissensdurst mit wächsernen Flügeln
Stürzt sich in die Sonnenbahn,
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Ehrfurcht schürt zu Feuerhügeln
Selbst den Holzstoß an;
Um die Liebe schlägt zusammen
Ihre Glut in Todesflammen.

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TextGrid Repository (2012). Lingg, Hermann von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. 13. Buch der Betrachtung. Am Fenster. Am Fenster. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-F2D5-9