102.
Beschreibung der Fuchsschwäntzerey

Auß Joseph Hallens Charactere Vitiorum et Virtutum, zum theil übersetzt.


Ich kenn ein höllisch Volck, die Brüder der Erinnen,
Ein Art, von aussen Gold und lauter Koth von innen;
Von diesen trägt mein Sinn mich was zu singen her;
Wird iemand abgemahlt, geschiht es ohngefehr;
Es ist niemand genennt. Ich nenne sie Poeten
Der Freundschafft und der Treu, die nimmer nie erröthen
Vom Blut der Redligkeit, die in der schnöden Kunst
Der Schmeich- und Heucheley gelehrt sind, die die Gunst,
Die keiner keinem trägt, bey andren dennoch suchen
Durch Dienst und Höfligkeit, der starck wird widersprochen
Von Erbarkeit und Zucht, die mit der Kauffmannschafft
Und schmutzigem Gewerb in Worten sind verhafft,
Die hinten sauer sehn und fornen liebekosen,
Die Dörner in dem Sinn, im Munde führen Rosen,
Bey denen Zung und Hertz zum Ehbruch einig sind,
Daß iedes Wort, das wird, ist wie ein Huren-Kind.
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Und hier hat nun der Fuchs, der arge Fuchs, die Ehre,
Daß er mit stummem Mund uns derer Würde lehre,
Von denen Musa singt, so daß sein rother Schwantz
Bleibt ihrer Thaten Kron und eigner Lorberkrantz.
Ich solte zwar die Zeit so nichtig zu vertreiben,
Die Feder solt ich auch vergeblich ab zu schreiben
Noch in bedencken stehn; deß Hofes Krätze-Sucht
Wird billich nicht beschaut, wird billich nur verflucht;
Iedoch was gleich nicht gut, ist dennoch gut zu nennen,
Ist nützlich zu verstehn, ist nöthig recht zu kennen;
Drum fahr ich weiter fort zu bilden einen Mann,
Der Reinkens Hintertheil im Waffen führen kan.
Sein Augen triffen stets; er wil mit nichten sehen,
Was unrecht, schlimm, krumm, falsch, was billich zu verschmähen
Und wider Tugend stöst; die Zunge, die spatzirt
Den Weg durch lauter Lob, lobt, was sich nicht gebührt
Und lästert, was doch taug, und tauscht für fette Lügen
Die dürre Warheit auß. Es muß sich zierlich fügen
Furcht, Eifer, Wunderung bey seinen Reden ein;
Mit Blumen muß sein Wort als wie bekräntzet seyn
Von Ach! O! Ey! und Ja! er kan die Tittel mästen,
Trägt stets den fetsten auff, zeucht stets herfür den besten,
Iedoch nur, wann man da; der Rücken siht es nicht;
Der Stirne steckt er für solch helles Ehren-Licht.
Sein Hertz ist leer von Mut, von Tapffrigkeit die Sinnen;
Drum thut er nichts um Ehr, nur alles um gewinnen;
Die Zung ist ein Soldat: sie dient und bringt hervor,
Was nur um Sclaverey hört gern ein fremdes Ohr;
Obs wahr sey, was er sagt, drauff mag ein andrer fragen;
Er fängt es drauff nicht an; er wil nur dieses sagen,
Was Anmut gibt und Gunst; er hat nur diß studirt,
Wie mit Ergetzligkeit man treugt, berückt, verführt.
Er treibt Philosophey, die auff die Kunst zu lügen
Gibt Regel und Gesetz, die schicken, schmügen, biegen,
Um zu gefallen, lehrt, die allen Fluch und Schwur
Dem Wasser und der Lufft heist geben in die Spur.
Drauß nimmt er alle Witz; die braucht er, eitle Sinnen
Zu treiben auff mit dem, was sie nicht fassen künnen,
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Als wie der albre Frosch sich streckt, hebt, bleht und schwellt
Und sich und sein Coax für Ochs und brüllen hält,
Daß sie, die höher so sich halten als sie gelten,
Muß billich alle Welt, er selbst für Jecken schelten.
Er kitzelt seinen Freund, biß daß er ihn ersteckt,
Läst schlafen ihn zu tod, in dem er ihn nicht weckt
Durch Warheit auß dem Wahn, pflegt Zeitung um zu tragen,
Macht theuer, die er trägt, sagt selbst, läst von sich sagen,
Er sey der beste Freund, dem Namen nämlich nach.
Leibeigen wird er dem, bey dem er gut Gemach
Für seinen Leib vermerckt, und der ihn außstaffiret
Mit dem, was Vorthel bringt, mit dem, was Speck gebieret.
Sagt aber nichts der Zeug in seiner lincken Brust?
Zu diesem spricht er: Schweig, schweig! wilstu nicht, du must!
Trit sein Gewissen auff, wil Klag und Urthel führen,
O, das gesteht er nicht, es wil sich nicht gebühren,
Daß einer Kläger, Zeug und gar auch Richter sey.
Ietzt stopfft er ihm das Maul durch süsse Schmeicheley
Und heuchelt ihm so selbst; ietzt reist mit allen Kräfften
Der Furcht für Gott wol gar er endlich auß den Hefften.
Sonst ist ihm alles Thun ein leichtes Thun. Ein Stein
Von Farben, wie er wil, muß ein Geselle seyn
Dem schlauen Polypus; so fein kan er sich schmügen
Nach seinem Fug und Nutz; so fein kan auch sich fügen
Zu Orth, Zeit und Person der bundte Heuchelmann,
Der sonst für sich ist nichts als wie ihn nur zeucht an
Sein grosser Gunst-Patron; der ist nun seine Sonne,
Nach dem sich richt und kehrt der Schaten seiner Wonne,
Und er ist dessen Aff und schwätzig Papagey,
Der, was er thut und sagt, thut, sagt und glaubt, es sey
Das ärgste, köstlich Ding, so daß er seinen Geifer
Für himmlisch Nectar leckt. Zu allem muß seyn Eifer
Zur Folge blicken rauß. Spricht wo sein grosser Mann:
Mir ist gewaltig warm! so trucknet er die Stirne,
Eröffnet sein Gewand, entdecket sein Gehirne,
Ob schon für grimmen Frost deß Daches Nagel springt.
Spricht jener: mir ist kalt! ob gleich die Tropffen zwingt
Die Hitz auß seiner Haut, so wird er dennoch zittern
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Und ließ ihm auch im Augst sein Kleid mit Füchsen füttern.
Geschieht es, daß zur Zeit sein halb-Gott außspatzirt,
So ist er wie sein Ziel, drauff er zusammen führt
Sein Augen, Zung und Sinn; es ist ein himmlisch Glücke
So sonsten, wen er labt mit einem Wort und Blicke
Und nickt ihm mit dem Kopff. Er kennt sich selbsten nicht,
Wie lang da sey sein Maß, wie schwer sey sein Gewicht,
Auff daß er, wann er sich für gar zu glücklich schätzte,
Nicht etwa ohngefehr und wust wo abesetzte
Von angenommner Art. Wann er sein eignes Lob
Wie wider Willen zehlt, so macht ers nicht zu grob;
Er braucht Bescheidenheit, gibt aber zu vermercken,
Es stecke mehr im Sack, und er sey nach den Wercken,
Nicht nach den Worten werth. An seines Günners Mund,
Wann dieser etwas spricht, ist er durch festen Bund
Verklammert und verschraubt; als wann mit Honig-Flüssen
Und andrem süssen naß die Lippen sich ergüssen,
So leckt, so schmutzelt er, thut, wie vor Zeiten that,
Der auß dem Dreyfuß her zu Delphis lauscht auff Rath.
Sagt jener aber was, das billich ist zu loben:
Hilff Gott, wie hebt er an zu gauckeln und zu toben!
Zu wenig sind die Händ, es ist kein Glied befreyt,
Das ihn mit wundrem Brauch nicht ehrt und benedeyt.
Manchmal da preist er auch den, der gleich nicht zur Stelle,
Schaut aber, daß alsdann er dieses Urthel fälle,
Wann wer verhanden ist, der solches bald trägt hin;
Zu Zeiten pflegt er dann mit sich seitab zu ziehn,
Dem seines Meisters Ruhm in sichres Ohr er lege
Doch also, daß der Schall noch finde seine Wege
Auch in deß Freundes Ohr, der dort von ferne steht
Und merckt, daß so sein Nam ie mehr ie ferner geht.
Wolan, hierum wolan! man lasse mir passiren
Den, der durch so viel klug sich sicher ein kan führen
Bey dieser Zeiten Sturm ins guten Glückes Port!
(Hier geht es ziemlich an; doch weiß ich nicht, wie dort.)
Allein es ist noch mehr, daß diesen Proteus zieret
Und auff die hohe Banck der Weisen einquartiret:
Es ist ein heilsam Artzt, der solche Salb ertheilt,
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Die alle Wunden schmiert (nie aber keine heilt);
Er putzt ein iedes mahl; er schmüncket alle Flecken,
Weiß iedem seinen Fehl und Ungestalt zudecken;
Er ist ein Huren-Wirth und kuppelt iedem bey
Von Schanden, was er wil, von Sünden mancherley.
Ein Mahler ist er auch, der alle Laster schönet
Zu einer Helena, der alles Arg versöhnet
Und gerne selbsten stifft, und nimmt sich ernstlich an,
Der Bosheit auff den Dienst zu warten, wie er kan.
Bekennt er, böses thun sey nicht für Nutz zu rechen,
Gesteht er, grober Fall sey nur ein klein Verbrechen,
So hat sein Ansehn er nicht schlechtlichen gekränckt
Und mehr von seinem Recht, als ihm gebührt, enthenckt.
Ein wohlgeschickter Kopff und dessen sondre Gaben,
Die haben es verdient, daß sie die Freyheit haben
Zu thun, was sie gelüst: die Jugend ist ja werth,
Daß man an ihr den Zaum nicht allzu kurtz begehrt;
Soll böses böse seyn, hats dennoch diese Güte,
Daß es dem Leibe leicht und unschwer dem Gemüte,
Daß es gefällig sey, und daß es lieblich sey
Und von gemeiner Zunfft macht höhre Geister frey.
So meint er und gibt für, daß Redligkeit der Sinnen
Nur tölpisch Einfalt sey und bäurisches Beginnen;
Die Buß ist Aberwitz; die Zucht ist thörlich Ding;
Die Tugend ist ein Wahn bey dem, der niedrig gieng
Und nicht entpor sich sehnt. Recht! Recht! wer wil nun schlissen,
Was unsrer feiner Mann für Tittel soll geniessen?
Er ist ein Kleider-Wurm bey dem, der gerne zehrt,
Ein Hahn im Faß bey dem, dem Haab und Gut beschert;
Die Kuchel ist sein Haus; er ist daheim im Keller;
Er ist deß Hofes Gifft, ein Sclav und Freund beym Teller.
Kurtz: Sein Verdienst verdient, daß man ihn zieh hervor
Und weiter födre fort dem Teuffel zum Factor.

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TextGrid Repository (2012). Logau, Friedrich von. Gedichte. Sinngedichte. An den Leser [1]. Desz dritten Tausend Zu-Gabe. 102. Beschreibung der Fuchsschwäntzerey. 102. Beschreibung der Fuchsschwäntzerey. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-F549-D