13.
Über die deutschen Getichte Herren Wentzel Schärffers

Kein Kraut dient für das tödten;
Nein, sagen die Poeten:
Ein Blat von unsrem Krantze
Der frischen Lorber-Pflantze,
Erwärmt von unsrer Stirne,
Begeistert vom Gehirne,
Gibt Balsam zum genesen
Und trotzet das verwesen.
Nicht anders, ihr Poeten!
Der Tod kan keinen nöthen,
Den ihr und eure Sinnen
Nicht lassen wolt von hinnen.
Die alten, kühnen Degen
Gehn noch auff unsren Wegen,
Die ihrer Druden Lieder
Nicht liessen kummen nieder.
Was wüsten wir von Helden
Und ihrer Thurst zu melden,
Wann nicht Poeten-Geister,
Deß schwartzen Grabes Meister,
[530]
Die Sterbligkeit verbürget,
Daß sie sie nicht gewürget?
Was wär von tapffren Thaten,
Was wär von klugem rathen
Der Nachwelt kündig blieben,
Wann diese nicht geschrieben?
Es macht poetisch Tichten,
Daß alles bleibt im Liechten;
Sonst fiel in lauter Nächte,
Was Hertz und Witz verbrächte.
Es sind zwar mehr der Kielen,
Die auff daß ferne spielen,
Die hin nach Ewigkeiten
Gleichwol die Fahrt bereiten;
Doch dünckt mich, daß Poeten
Noch mehr als andre röthen,
Was Todten-Asche blasset.
Ihr Thun ist so gefasset,
Daß ihre süsse Sachen
Viel Buler ihnen machen;
Daß ihre Zierligkeiten
Die Sinnen mächtig leiten.
Sie zuckern alle Worte;
Es blüht an allem Orte;
Sie schreiben nicht, sie mahlen.
Die ungezälten Zahlen
Der andren Künstligkeiten,
Die künnen so bereiten
Gemüther zum verlieben,
Daß sie stets ihrer blieben,
Und die, die ihre bleiben,
Die künnen sich denn schreiben
Für Freunde derer Leute,
Dran Zeit hat keine Beuthe.
Wie dein Poete singet
Und mit dem Alter dinget,
Dich, Brieg, und die darinnen
Vom sterben zu gewinnen,
[531]
Das zeugen seine Lieder.
Was sonsten hin und wieder
Er künstlich, artlich spielet,
Daß Lust und Nutz man fühlet:
Diß kan genüglich zeigen,
Wie hoch Poeten steigen.
Brieg, ehre diß Beginnen,
Wilstu nach dir seyn künnen!
Zwar künnen ihr Gerüchte
Durch eigenes Gewichte
Verewigen die Tichter,
Doch durch bewogne Richter,
Die ihnen hold und günstig,
So wird ihr Trieb mehr brünstig,
Daß sich sie und die Ihren
Biß gar an Himmel führen.

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TextGrid Repository (2012). Logau, Friedrich von. Gedichte. Sinngedichte. An den Leser [1]. Desz dritten Tausend sechstes Hundert. 13. Über die deutschen Getichte Herren Wentzel Schärffers. 13. Über die deutschen Getichte Herren Wentzel Schärffers. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-0DC8-E