117. Kinderbrunnen.
Bei Wolfhagen liegt ein Flurbezirk, »zu Todenhausen« genannt, rund um eine schöne klare Quelle. Vor langer Zeit stand hier ein Dorf Todenhausen, das durch Feuer zerstört worden sein soll; als die Flammen auch den Kirchthurm ergriffen hatten, fiel die Glocke hinab in den Brunnen und versank. Seitdem heißt er »Glockenborn«. Das Merkwürdigste an diesem Brunnen ist aber, daß unter der Wolfhager Jugend das Märchen geht, die neugebornen Kinder stammten aus demselben und wer ein Brüderchen[74] oder Schwesterchen haben wolle, müsse zum Glockenborn gehen und sich eines bestellen.
Daß die neugebornen Kinder aus einem Brunnen oder Teiche hervorgehen, hört man überall in Hessen. In Cassel wird der Druselteich genannt, in Waldau der Fackelteich, in Wolfsanger der Osterborn, am Weißner ist es der Frauhollenteich, in Marburg der durch die Legenden der heiligen Elisabeth bekannte Schröcker Brunnen, in Kirchhain der Klingelborn, in Fulda das Stättebrünnchen und der Bonifaciusbrunnen, in Ermschwerd der Assemannsborn, in Wettesingen der Neuborn, in Rhöda ein bei diesem Dorfe liegender Teich, in Grebenstein der Kressenborn, in Oberrieden der Schnellersborn, in Friemen der Buchborn, in Witzenhausen der Taubenborn, dessen Wasser nie gefriert und die Gelster offen hält, in Wolfershausen der Weiberborn, in Felsberg das Kinderbörnchen in der Katzbach, in Gudensberg der Buchborn, welcher diese Stadt mit Trinkwasser versorgt, in Ziegenhain das Bärbörnchen bei Treyßa, in Rodenberg der dortige Stahlbrunnen, der »kleine Born« genannt. In Ottrau heißt es, die Kinder kommen aus dem Milchborn, ohne daß ein bestimmter Brunnen hierunter gedacht ist; anderwärts, z.B. in Treis a.d. Lumbde, gilt immer der dem Hause zunächst liegende Brunnen für den Kinderbrunnen.
Mündlich.