301. Hessentreue.
Von der ersten Besitznahme des Klosters Hochborn, zwischen Marburg und Treis, durch die von Scheuernschloß hat sich noch eine alte Sage unter dem Volke erhalten. Ein hessischer Landgraf (Philipp?) hatte sich einst verkleidet in eine feindliche Festung geschlichen, [217] um ihr Inneres zu erforschen und wurde von der Wache, einem geborenen Hessen, auch in seiner Verkleidung erkannt. »Um Gottes willen«, redete ihn der in fremdem Solde stehende Hesse leise an, »was wagt Ihr, mein Fürst?« Er verrieth jedoch seinen angestammten Landesherrn nicht, sondern war ihm zum Entkommen behülflich. Der Landgraf beschenkte ihn mit einem kostbaren Ringe und sagte zu ihm: »Wenn Du je in Noth gerathen solltest, so komme nur zu mir.«
Nach vielen Jahren kam ein Fremdling, in dem dürftigsten Anzuge, nach Cassel und verlangte allein vor den Landgrafen gelassen zu werden. Anfangs wurde er von der Wache, die ihn für einen gefährlichen Landstreicher hielt, zurückgewiesen. Nach wiederholten dringenden Bitten aber, und weil er dem Landgrafen etwas Wichtiges entdecken zu wollen vorgab, wurde er vorgelassen. Der Landgraf erkannte den Fremdling anfänglich nicht in seinem ärmlichen Anzuge; sobald er ihm aber den einst von ihm empfangenen kostbaren Ring zeigte, reichte er ihm gerührt die Hand und beschenkte ihn mit dem eben säkularisirten Kloster Hochborn. Der Fremdling war aber Einer von Scheuernschloß, der aus Armuth fremde Kriegsdienste hatte suchen müssen.
Justi, Vorzeit 1823, 26.