[14] Die Helden des Dampfes
Wie bei fast jeder andern großen Erfindung geschehen ist, hat man auch die Geschichte der Dampfmaschine möglichst weit in das graue Alterthum hinaufzurücken gesucht. Man braucht zwar nicht gerade den Staub der Bibliotheken aufzuwühlen und in vergilbten und zerfressenen Pergamenten herum zu suchen, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß die alten Griechen und Römer den Dampf ebenso gut gekannt haben wie wir; aber von einer Wahrnehmung, welche Jeder am Kochfeuer des Heerdes machen kann bis zur Regulirung und Ausbeutung dieser gewaltigen Kraft in der heutigen Dampfmaschine ist ein sehr weiter Weg, welchen zurückzulegen lange Jahrhunderte erforderlich waren.
Die erste Idee zu einer Dampfmaschine könnte man gewissermaßen dem griechischen MathematikerHeron von Alexandrien, welcher 130 Jahre vor Christi Geburt lebte, zusprechen. Er construirte eine hohle Metallkugel, welche theilweise mit Wasser gefüllt und, nachdem dies durch die Wärme des Feuers in Dampf verwandelt worden war, durch die Rückwirkung beim Ausströmen desselben in Bewegung gesetzt wurde. Trotzdem damals mehrere ähnliche Curiositäten auftauchten, welche auf die Wirkung des Dampfes fußten, bedurfte es doch großer Geister wie Galilei, Toricelli u.A., welche die Finsterniß durchbrachen, das Wesen und die Eigenschaften der athmosphärischen Luft in den Bereich ihrer Forschung zogen und somit auch eine genaue Einsicht in die Natur und Wirkungsweise des Dampfes vorbereiteten.
Zwar hat man geglaubt, daß die Maschine, womit am 17. Juni 1543 der spanische SchiffscapitainBlasco de Garay im Hafen von Barcelona vor Kaiser Karl V. ein Schiff ohne Ruder in Bewegung gesetzt habe, auf Herons Prinzip gegründet sei; aber Andere haben über die wirkliche Existenz eines derartigen Schiffes sehr gegründete Zweifel erhoben.
Erst Salomon de Caus, Ingenieur und Architekt des Königs Ludwig XIII. von Frankreich sprach sich 1615 bestimmt und mit Sachkenntniß darüber aus, wie man sich der Expansivkraft des Wasserdampfes bei Construktion einer hydraulischen Maschine zu bedienen habe. Aber wenn er auch in seinem Buche den Satz aufstellt: »Das Wasser kann mit Hilfe des Dampfes über sein Niveau steigen,« so kann dieses Wort doch unmöglich Veranlassung geben, ihn mit solchem Aplomp, wie er von Bailles und selbst dem berühmtem Arago angewendet wurde, als den Erfinder der Dampfmaschine anzuführen.
Dasselbe gilt auch von dem Italiener Giovann Branca, welcher in einem von ihm herausgegebenen Werke von einer mit Wasser gefüllten Kugel redet, welche zur Erzeugung des Dampfes dient und mit Hilfe deren ein Rädchen in Bewegung gesetzt wird. Ebenso muß dem von den Engländern so oft genannten Sommerfett, Marquis von Worchester, das Erfinderrecht abgesprochen werden. Zwar steht zu vermuthen, daß er das Modell einer von ihm entworfenen Maschine angefertigt habe; aber die versprochenen Abbildungen derselben sind nie erschienen.
Indessen hatte der Magdeburger BürgermeisterOtto von Guerike 1654 die Luftpumpe erfunden und die ungeheuere Kraft des Luftdruckes nachgewiesen. In Folge dessen regte sich das Verlangen, diese Kraft industriell zu verwerthen; jedoch blieben alle darauf bezüglichen Versuche [14] lange erfolglos, bis endlich Dionys Papin (geboren 1650, gestorben 1710) die Idee zu einem Apparate faßte, welcher an die heutige Kolbendampfmaschine erinnert.
Das Gefäß, worin er seinen Dampf langsam condensirte, war Kessel und Cylinder zugleich, und konnte sich deßhalb unmöglich zu bedeutender Arbeitsleistung eignen. Auch der Apparat des Engländers Savary (1698) zeigte sich wegen seiner riesigen Größe und des enormen Verbrauches an Brennmaterial als unpraktisch, und erst den beiden Engländern Newcome und Cawley ist durch eine Verbindung des Papin'schen und Savary'schen Apparats die Einführung der mit Kolben arbeitenden Dampfmaschinen zu verdanken.
Während dieselben von Verschiedenen verbessert wurden lieferten Fahrenheit, Réaumur undCelsius ihre Thermometer, und Professor Black in Glasgow brachte die für das Dampfmaschinenwesen so nothwendige Lehre von der Wärme und deren Benutzung zur wissenschaftlichen Anschauung. Zu seinen eifrigsten Schülern gehörte auch James Watt, mit dessen Leben wir uns in der nächsten Nummer beschäftigen wollen.
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