Pergoleses Ständchen

Nina, laß den Schlummer fahren!
Bist du denn gestorben? ach!
Bist du tot in jungen Jahren?
Horch, die Liebe ruft! Erwach!
Aus dem Schlummer sie zu wecken,
Der vor Tod und Sterben graut,
Mischt der Meister einen Schrecken
In den süßen Liebeslaut.
Willst du schweigen! Haucht's im Düster,
Ich bin blühend, bin gesund!
Küsse mich, sagt das Geflüster,
Fühle meinen frischen Mund!
Und der Wohllaut des Gesanges
Ward von Stadt und Land belobt,
Und die Macht des Liebeszwanges
Ward vom jungen Volk erprobt:
Nina, laß den Schlummer fahren!
Bist du denn gestorben? ach!
Bist du tot in jungen Jahren?
Horch, die Liebe ruft! Erwach!
Da geschah's, daß eine schwarze
Wolke über Napel glitt
Und der Tod sich eine volle
Garbe blühnder Jugend schnitt.
[197]
Sant Agnese flammt von Kerzen
Nina schlummert am Altar,
Pergolese spielt das Requiem
Auf der Orgel wunderbar.
In das Hallen der Posaunen,
In das Rufen, in das Drohn,
In das Zürnen mischt der Meister
Einen süßen Liebeston:
Nina, laß den Schlummer fahren!
Bist du denn gestorben? ach!
Bist du tot in jungen Jahren?
Horch, die Liebe ruft! Erwach!

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TextGrid Repository (2012). Meyer, Conrad Ferdinand. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1892). 8. Genie. Pergoleses Ständchen. Pergoleses Ständchen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-35F5-D