Nach einem Niederländer

Der Meister malt ein kleines zartes Bild,
Zurückgelehnt, beschaut er's liebevoll.
Es pocht. »Herein.« Ein flämischer Junker ist's.
Mit einer drallen, aufgedonnerten Dirn,
Der vor Gesundheit fast die Wange birst.
Sie rauscht von Seide, flimmert von Geschmeid.
»Wir haben's eilig, lieber Meister. Wißt,
Ein wackrer Schelm stiehlt mir das Töchterlein.
Morgen ist Hochzeit. Malet mir mein Kind!«
»Zur Stunde, Herr! Nur noch den Pinselstrich!«
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Sie treten lustig vor die Staffelei:
Auf einem blanken Kissen schlummernd liegt
Ein feiner Mädchenkopf. Der Meister setzt
Des Blumenkranzes tiefste Knospe noch
Auf die verblichne Stirn mit leichter Hand.
– »Nach der Natur?« – »Nach der Natur. Mein Kind.
Gestern beerdigt. Herr, ich bin zu Dienst.«

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TextGrid Repository (2012). Meyer, Conrad Ferdinand. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1892). 4. Reise. Nach einem Niederländer. Nach einem Niederländer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-363F-3