Klagelied eines Bauren
1772.
Das ganze Dorf versammlet sich,
Zum Kirmestanz, im Reihen;
Es freut sich alles, aber mich
Kann fürder nichts erfreuen;
Für mich ist Spiel und Tanz vorbei,
Das lachen ist vorüber;
Ich hasse Lieder und Schalmei,
Und Klagen sind mir lieber.
Denn ach! mein Hannchen fehlet mir;
Nie kann ich sie vergessen:
Ich weiß zu gut, was ich in ihr
Für einen Schatz besessen.
Unschuldig war sie, wie ein Lamm,
That niemand was zuleide,
Und lebte fromm und tugendsam,
Zu aller Menschen Freude.
[148]
Sie hatte Wangen, voll und rund,
Und sanfter noch als Pfirschen,
Ein blaues Aug', und einen Mund,
Der röter war als Kirschen.
Man konnte, sah sie einen an,
Die Blicke nicht ertragen,
Und, wenn sie lachte, mußte man
Die Augen niederschlagen.
Wie bin ich neulich noch mit ihr
Am Maientag gesprungen!
Bis an den Abend tanzten wir,
Und schäkerten und sungen;
Da nahm sie meinen Hut, und wand,
Geschwinder, als ich's dachte,
Um ihn ein pappelgrünes Band,
Und sah sich um, und lachte.
O Gott! wer hätte da gedacht,
Als ich sie dankbar küßte,
Daß sich so bald die grüne Tracht
In schwarze wandeln müßte?
Nun darfst du, liebes Band, um mich
Nicht mehr im Winde rauschen;
Herunternehmen muß ich dich,
Und gegen Flor vertauschen!
Den Gottesacker will ich mir
Zum liebsten Ort erwählen,
Und manchen Abend mich von hier
Zu Hannchens Grabe stehlen;
[149]
Da will ich es mit Majoran
Und Maßlieb übersäen,
Ein schwarzes Kreuz, mit Versen dran,
Soll in der Mitte stehen.
Ein Myrtenkranz soll an der Wand
In unsrer Kirche prangen,
Und neben ihm das grüne Band
Zum Angedenken hangen;
In jeder Predigt sitz' ich dann
Dem Kranze gegenüber,
Seh' ihn mit nassen Augen an,
Und härme mich darüber:
Bis endlich, wenn es Gott gefällt,
Es meinem Wunsch gelinget,
Und er mich auch aus dieser Welt
Zu meinem Hannchen bringet.