[110] Mittag-Stille

In der blauen Mittag-Stille
stehn die Föhren ohne Regung;
hält des Windes wilder Wille
einmal nicht sie in Bewegung?
Wie sie dem Gebieter grollen,
der sie Tag und Nacht ohn' Ende
zwingt, Gehorsam ihm zu zollen,
Flüsterlob und Wohlduft-Spende!
Und sie rühren keine Nadel,
träumen stumm ins blaue Schweigen;
selber ihren Groll und Tadel
haben sie nicht Lust zu zeigen;
kurzes Spechtgeklopf umlärmt sie,
Brummvolk summt nach süßem Lohne,
tiefes Wohlgefühl durchwärmt sie
von der Wurzel bis zur Krone.

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TextGrid Repository (2012). Morgenstern, Christian. Gedichte. Auf vielen Wegen. Waldluft. Mittag-Stille. Mittag-Stille. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-3E90-7