[130] Abendliche Wolkenbildung

(d.)


Oben stille, bleiche Lämmer,
drunter sonngoldschwere Züge,
trotz erhöhter Hellnis Lüge
ohne Wehr dem nahen Dämmer.

18. August 1896


Wer doch den trüben Wahn erfunden,
daß keine Seele glücklich sei!
Ich war's, ich bin's! in reichen Stunden
von aller kleinen Trübsal frei.
Nicht wahrlich, da mit heisrem Atem
die Menge mir den Weg verbellt, –
doch nun Suleika sich und Hatem
mit goldnen Liedern mir gesellt.
Nun da Natur mich treu umbreitet
mit Tannen, hehr wie Hafis' Geist,
und drüber mir die Blicke weitet,
bis, wo der letzte Fels vereist.
Wie sollt ich da nicht Mensch sein mögen,
ein weltverleumderischer Tropf!
So gern sie auch herunter bögen
den heitren, hochgemuten Kopf.

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TextGrid Repository (2012). Morgenstern, Christian. Gedichte. Auf vielen Wegen. Fusch-Leberbrünnl. Abendliche Wolkenbildung. Abendliche Wolkenbildung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-3F55-5