An Eberhard Lempp

Nach angenommener Einladung zu einer Abendgesellschaft


Kennst du der Furien schlimmste, Freund? Ich hoffe, nein!
Kein Dichter, nicht der alten, noch der neuen Zeit,
Kein Mythograph hat sie zu nennen je gewagt;
Ich selber, bange vor der leise hörenden,
Tu es nur heimlich: Agrypnia heißet sie.
Ach, als ich jung war, deuchte sie mir schön zu sein,
Piërische Jungfrau, oder ihnen nah verwandt;
Vielleicht auch ist sie's, aber weh dem, der sie ruft!
Denn der Gesundheit Farbe saugt ihr heißer Blick
Dem Jüngling von den Wangen, und verzehrt den Mann.
An meinem Bette sitzt sie manche Mitternacht,
Gleich einer Buhlerin, der man überdrüssig ist.
Den Rücken ihr zukehrend blinz ich seufzend nur,
Sooft die Glocke wieder schlägt, nach dem Gespenst,
Ob es noch sitzt – es sitzet bis der Morgen graut!
Seit Wochen hatt ich Ruh vor ihr, bis gestern nacht;
Da trat sie schadenfroher Miene vor mich hin,
Unheilverkündend, und wohl weiß ich, was sie meint:
Es ist das Wort, das ich dir auf der Straße jüngst
Am lichten Tag gegeben, nicht entging es ihr –
Gib eilig, Bester, mir's zurück, wenn du mich liebst!
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Mörike, Eduard. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1867). An Eberhard Lempp. An Eberhard Lempp. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-41E1-9