[38] Personen des Nachspiels:
- Herr Barthold, Principal der Bühne.
- Kolombine, seine Tochter.
- Harlekin.
- Scapin,
- Isabelle, , Schauspieler.
- Valer,
- Peter, , Lichtputzer.
[38] Personen des Nachspiels:
Bücke Er sich so lange bis Er müde wird, und dann kann Er mir sagen was Er zu sagen hat. Die jungen Leute gewöhnen sich das itzt so an, daß sie einem die Zeit mit tausend Komplimenten verderben. Wenn man in meiner Jugend zu einem Mann im Amte ging: so machte man ihm einen einzigen Bückling, und kam dann zur Sache. Das war eine gute Mode; dabey sollte man es lassen.
Gehorsamster Diener, gehorsamster Diener, mein werthester Herr Harlekin! Verzeihen Sie, daß ich Sie sogleich nicht gekannt habe. Meine Augen vergehen mir allmählich, und Sie redeten mir in einem solchen Candidatenstil, den ich an Ihnen nicht gewohnt bin.
Nun, das ist kurz. Das sind drey Hauptursachen, die nicht von allen Leuten so recht verstanden und empfunden werden. Was gedenken Sie denn aber Ihrer künftigen Witwe zum Leibgedinge auszusetzen?
Das ist freylich ein guter Vorsatz; allein die Ausführung kömmt bisweilen gar sehr auf die Frau an: diese hat vielerley Mittel, einen ehrlichen Mann in die Grube zu bringen, ohne Gift und Messer. Der meinigen habe ich es, Gott sey Dank, abgesessen. Es war ein heller Gast; aber sie wurde so eingetrieben, daß sie sich aus dem sieben und zwanzigsten Kindbette nie wieder erholen konnte. Sie sehen, ich habe mich wohl gehalten.
Das merke ich. Zweytens, hat sie, so lange ich lebe, ein reichliches Auskommen. Meine Kunst als Harlekin hat einen goldenen Boden, und Kolombinchen hat gewiß auch eine Kunst worauf sie sich verlassen kann.
Ach, die Künste verlassen einen mit der Zeit, und wenn man alt wird, so ist nichts bequemers als von seinen Renten zu leben. Da ist ein Haufen Mühe und Sorge erspart.
Freylich, und ich denke deswegen ein Capital zurück zu legen, wovon zweytausend Thaler auf den Witwenstuhl kommen sollen, Nota Bene: wenn er keinen Haarbreit verrückt wird.
Das ist etwas hart; eine Witwe ist zu beklagen. Ich fühle, mein lieber Harlekin, wie sauer es mir in meinem sieben und siebenzigsten Jahre wird, mich nicht bisweilen auf einen hübschen weichen Witwenstuhl zu setzen.
Ich will es aber nun so; und darum gebe ich meiner Witwe einen Stuhl mit vier Beinen, damit er recht fest stehe. Zweytausend Thaler, wenn ich sie habe, sind, zum Henker, Geld. Was Kolombine erspart, soll sie zu ihrem Nadelgelde behalten, und wenn sie vor mir verstirbt, werde ich sie in ihrem besten Hemde begraben lassen.
Das bin ich selbst: Morgen- und Abendgabe. Bringt mir aber Kolombine einen Sohn, wohl zu verstehen, wenn er mir ähnlich sieht; denn das fordere ich ausdrücklich: so soll er auch Barthold Harlekin heißen.
Ich dachte in der That, Sie wollten ihr sodann ein neues Kleid aufs Kindbette legen. Hören Sie, Herr Harlekin, ich habe der Mädchen viele, und ich schaffe sie mir gern vom Halse, weil sie auf ihren spitzen Absätzen leicht einmal unvorsichtiger Weise zu Fall kommen können. Ich will also nicht lange handeln. Kolombine ist die Ihrige; und zwar diesen Abend, wenn Sie wollen. Das bitte ich mir aber aus, daß Sie sie nicht heimlich entführen; ich würde sonst auf Ihrer Hochzeit nicht trinken können.
[40]So weit sind wir noch lange nicht. Ich habe mich nur erst vorläufig erkundigen wollen, ob Sie mir Ihre Tochter wohl geben wollten, wenn ichin forma darum anhielte. Itzt ist noch ein kleiner oder großer Punkt übrig. Sie wissen, mein werthester Herr Barthold, daß man von den Comödiantinnen mancherley sagt. Kolombinchen hat ein Paar so allerliebste Tauben-Aeugelchen, sie hat so etwas – – – ach, Herr Barthold, ich kann es nicht sagen, aber was sie hat, das sagt so viel – – – so viel – – –
Sie mag versucht haben was sie will, so hat sie allzeit nur ihre Rolle gespielt. Ein Mädchen auf der Bühne muß of verliebt thun, oft küssen, oft lachen, und was dergleichen mehr ist. Das bringt aber die Comödie so mit sich. Wenn Kolombine die verschmitzte Buhlerinn vorstellt, so würde es sich ja nicht schicken, daß sie die Mine einer Matrone behielte. Wie oft hat sie nicht auch geweint! Meynen Sie aber, daß sie um deswillen, wenn sie zu Hause gekommen, immer betrübt gewesen?
Ich habe allzeit gehört, die Unschuld soll so etwas Süßes, so etwas Körnichtes, so etwas von der braunen Kruste seyn, daß ich nicht gern eine Frau nehmen mögte, welche diesen Leckerbissen bereits verschenket hätte.
O mein lieber Harlekin, sind Sie da verbrannt: so rathe ich Ihnen gar keine Frau – – – anders als meine Kolombine zu nehmen.
Aber sehen Sie einmal Selbst, Herr Barthold, alle diese schönen Herren, welche hier vor unsrer Bühne sitzen. Ihre Augen scheinen mei nem lieben Kolombinchen das Mark aus den Knochen zu ziehen; und wenn sie tanzt; ach, wenn sie tanzt: so – – – so – – – tanzen alle Herzen mit ihr.
Wenn sie es nicht thäten, so mögte ich Kolombinchen nicht; und nun, da sie es thun, so traue ich Kolombinchen nicht recht. Denen Mädchen, die so hoch springen wenn sie tanzen, kann leicht ein Blümchen entfallen; und wenn das auch nicht wäre: so rühmt sich doch ein jeder, vielleicht selten mit Recht, daß er eines aufgenommen habe. Herr Barthold, Herr Barthold! eine hübsche Comödiantinn ist wohl selten, selten, selten eine Kirsche woran nicht schon ein Vogel gebissen hat.
[41]Possen! es ist kein hübsches Mädchen in der Welt, wovon man nicht eben diese Vermuthung hat. Nicht, weil sie geschwinder Feuer fängt, als eine andere, sondern weil sie Tag und Nacht verfolgt und also leicht einmal im Schlummer überrumpelt wird. Wer sich aber daran stößt, der mag zu seiner Strafe eine Häßliche nehmen, und versichert seyn daß sie vor dem ersten Loche gefangen werde. Sie wird die Ehre, das Glück und das Vergnügen, in ihrem sterblichen Leben auch einmal angebetet zu werden, so verliebt erkennen; sie wird so besorgt seyn den Vogel nicht zu verscheuchen; sie wird so bange seyn, die einzige Gelegenheit zu verlieren; sie wird so fertig seyn, ihre vergängliche Waare an den Mann zu bringen, daß ich nicht Eines auf sie, aber wohl hundert auf ein hübsches Mädchen verwetten wollte, das die Wahl unter tausend Käufern hat. Und dann, mein lieber Harlekin, ist es eine bestialische Sache, eine garstige Hexe und doch keine braune Kruste zu bekommen. Für Kolombinen will ich allenfalls Bürge seyn.
Ich mag die Grillen nicht länger anhören. Kurz und gut, Sie nehmen sie, oder nehmen sie nicht; einige Gefahr werden Sie allemal laufen. – Doch, warten Sie, wir wollen heute einmal den Freyer vorstellen. Sie sollen der Bräutigam, und meine Tochter Kolombine Ihre Braut seyn. Sie können sie dabey auf die Probe stellen; und wenn es Ihnen dann nicht gefällt, so sind Sie am Ende wieder frey, und Sie haben nur eine verliebte Rolle gespielet.
Der Einfall ist wirklich gut. Ein jeder Freyer spielt doch nur eine Rolle; und wenn am Schlusse des Stücks die Heirath vollzogen wird, so hat die Rolle nur gar zu früh ein Ende.
O Du – – – Sie wissen aber doch, meine schöne Kolombine, daß die Freyerey mit der Comödie ein Ende hat.
[42]Nun, so können wir ja dasselbige Stück noch einmal spielen. Ich wollte, daß wir gar kein anderes auf unsrer Bühne hätten; und fast mögte ich das Heirathen verreden, um allzeit Braut zu bleiben. Ach, es ist so allerliebst Braut zu seyn.
Man kann heirathen, und doch noch immer die Braut spielen. Eine gute Partey kann man immer auf Abschlag nehmen; und die jungen Mädchen thun übel, wenn sie die Hand eines ehrlichen Mannes ausschlagen, um allzeit flattirt, adorirt, courtisirt, caressirt, und endlich meprisirt zu werden. Bist Du denn, meine Tochter, sonst noch nie die Braut als auf der Schaubühne gewesen?
Wo ist Scapin und Peter? Sie sollen auch herkommen, und den Freyer mitspielen. Isabelle welche schon oft die Braut vorgestellt, und erfahrner ist als Du, Kolombine, soll Dir die rechte Manier zeigen.
Ach, nein! so habe ich es nicht gelernt. Der Bräutigam fängt zuerst an, und sagt: Ach, meine theuerste Schöne, wie lange habe ich mir nicht schon das Glück gewünscht, Ihnen mein Herz zu eröffnen.
Er nimmt dann ihre Hand, küßt solche, und sagt: Ach, mögten Sie in dieses Herz sehen; da wurden Sie lesen, daß mein aufrichtiger Wunsch niemals ein anderer gewesen, als das Glück Ihnen zu gefallen, und diese schöne Hand zu küssen.
[43]O ja, sie läßt ihm die Hand, und er küßt sie noch hundertmal; und seufzet dann, bis endlich die Braut solche nicht mehr zurückziehen kann, und mit ihrer ganzen Person folget.
Nein, Papa! In der Sache sind wir eins; wir können uns nur über die Rolle nicht vergleichen. Herr Harlekin will es besser wissen als ich, und mich dünkt, in diesem Stück könnte ich lange sein Meister seyn. Ich bin von Jugend auf bey dem Schauspiele erzogen; bin so mannichmal Braut gewesen, und muß es vermuthlich besser wissen als er.
Nun, Harlekin, so sollten Sie sich auch weisen lassen. Kolombine führet sie gewiß keinen unbekannten Weg.
Wie ich meine selige Frau heirathete, folgte ich ihr blindlings, und unsre Ehe würde nicht so gesegnet gewesen seyn, wenn ich minder folgsam gewesen wäre. Sie war allzeit fertig mich zu unterweisen, und ihr Exempel that bisweilen die besten Dienste. Oft war mir ihr Unterricht sehr ungelegen; aber das war, der Himmel weiß, ihre Schuld nicht.
Das Schlimsste sind meine Scrupel; und ich begreife noch nicht, Herr Barthold, wie solche durch unsre Comödie werden gehoben weiden. Stellt Kolombine die Braut gut vor, so werde ich denken: sie versteht ihre Rolle; und stellt sie solche nicht gut vor, so werde ich denken, sie versteht[44] noch eine Rolle. Und der Himmel weiß, ob sie nicht noch eine dritte versteht. Es ist doch schlimm, daß man das Ding nicht auf die Goldwage bringen kann.
Die beste Goldwage ist ein gutes Vertrauen; wer das nicht hat, der ist schon ziemlich betrogen; und wer es hat, der ißt seinen Salat, schluckt eine Schnecke mit hinunter, und findet ihn noch schmackhafter.
Ich mögte darauf Ihr Gast nicht seyn. Wer heirathen will, muß nicht Blinde-Kuh spielen, sondern wohl zusehen was er greift.
Oho! Herr Harlekin! itzt verstehe ich das Ding mit der Goldwage. Auf ein Paar Aeßchen können Sie gewiß rechnen, die ich schon verloren habe. Denn der Schneider hat mir gar kein Eisen in meine neue Schnürbrust gemacht. Indeß, da die Comödie aus ist, habe ich die Ehre mich Ihren Scrupeln zu empfehlen.
Ich meyne es auch so. Beschlafen Sie die Sache! Ein guter Traum ist im Heirathen oft die beste Entscheidung.
Wird denn heute nicht gespielt? Herr Barthold hat mich herbestellt, um den Freyer mit vorzustellen. Ich sehe aber keine Anstalten.
O ja. Ich muß sonst immer nur die Lichter putzen; wenn aber der Freyer gespielet wird, so – – so küsse ich, wollt' ich sagen, Cathrinchen.
Meine Rolle in diesem Stück ist immer nur ein Puckel voll Schläge, und ich könnte eben nicht sagen, daß ich solche jetzt nöthig hätte.
Hör' einmal, mein lieber Scapin! Ich weiß, Du bist schlauer als mancher Dieb, der gehangen wird; ich muß Dir eins im Vertrauen sagen.
Ich wäre wohl gesonnen, des Herrn Bartholds' jüngste Tochter Kolombinchen in allen Ehren zu heirathen – –
Schweig, Peter, ich verstehe schon was Harlekin meynt. Er besorgt, sie mögte schon einmal in Unehren geheirathet haben.
Ich weiß was zu thun ist. Wolltest Du wohl, Harlekin, ihr zu gefallen, eine Tracht Schläge vorlieb nehmen?
Nun da ist Rath zu. Höre, ich will Dir das Kleid meines Herrn verschaffen. Du weißt, er ist Hauptmann, und eine Uniform hat heut zu Tage viele Freyheiten; damit sollst Du diesen Abend zu ihr gehen. Läßt sie Dich nun zum Hause hinaus prügeln, so kannst Du glauben, daß sie die Krone von allen ehrlichen Mädchen ist. Nimmt sie Dich aber an, küßt und umarmt Dich, so nimmst Du das auf dem Marsche vorlieb, und weißt wie viel die Glocke geschlagen.
O mein lieber Scapin, das ist unvergleichlich. Ich danke Dir tausendmal für Deinen guten Rath. Mache mich nur geschwind zum Hauptmann. Ich brenne vor Verlangen, jene glückliche Tracht Schläge zu empfangen.
In meiner auch. Aber man bekommt zuweilen etwas, was einem noch weit unangenehmer ist, als eine Tracht Schläge. Nicht wahr, Harlekin?
O Scapin, Du bist der klügste Schelm, den ich in meinem Leben gekannt habe. Mache nur geschwind, daß ich das Kleid von Deinem Herrn bekomme. Ich hoffe doch nicht, daß er es übel nehmen wird, wenn der Schimpf hiernächst darauf sitzen bleibt?
O im geringsten nicht. Eben das Kleid, was ich Dir verschaffen will, hat schon mehrmal herhalten müssen. Ich will hingehen um es Dir zu bringen. Du mußt mir aber auch einmal wieder zu gefallen seyn, wenn Du nun ein Ehemann seyn wirst.
Du sagtest ja erst, Peter, man hätte in Deiner Heimath eine andere Probe, um zu erfahren, ob die Braut noch ächt sey.
Dann nehme ich mein Spinnrad, und gehe des Abends zu ihr ins Haus, setze mich neben ihr hin, und wir spinnen denn alle Beyde.
Steht aber das Rad stille, bricht der Faden und die Schnur schlägt wohl gar ab: so hohle es der Henker!
Ich glaube, es muß so von Vater auf Sohn gekommen seyn. Denn wie unser Pastor einmal das Zusammenspinnen abschaffen wollte, so sagten die Aeltesten im Dorfe: ihre Väter hätten es gethan, ihre Großväter hätten es gethan, und ihre Kinder sollten es auch thun.
Stille! stille! wir wollen einen rechten Aufzug haben. Isabelle und Valer kommen daher, um ihre Rolle zu spielen. Es geht ihnen wie mir. Sie meynen, der Freyer werde gespielet, und weil an ihnen die Reihe ist, aufzutreten; wenn ich zum andernmale abgehe: so will ich itzt ganz ernsthaft herausgehn. Ihr aber geht auf die Seite so lange. Hier ist das Kleid, Harlekin, welches du immittelst anziehen kannst.
Nein, mein werthester Graf, so schmeichelhaft es mir auch ist von Ihnen geliebt zu werden, und so sehr ich von Ihren rechtschaffenen Absichten überzeuget bin, so wenig finde ich mich vermögend Ihnen meine Hand zu geben. Mein Schicksal hat mich einmal auf die Schaubühne geführt; ich bin der Welt nichts mehr als eine Comödiantinn, und ich müßte Sie, mein werthester Graf, minder hochschätzen und minder lieben, wenn ich in Ihre Verbindung einwilligen und uns Beyde beschimpfen sollte: Sie, daß Sie Sich so weit herablassen, und mich, daß ich einen Mann genommen, der so wenig Empfindung und so wenig Zärtlichkeit gegen seine eigne Ehre gehabt hatte.
Großmüthige Isabelle, je edler Sie Sich zeigen, je weniger ist es mir möglich Ihren Befehlen zu gehorchen. Ich kann ohne Sie nicht leben. Mein ganzes Glück beruhet auf unsre Verbindung. Das Recht ist auf der Seite der Tugend, der Schönheit und der Liebe. Vorurtheile dürfen uns nicht irre machen.
O! es gibt ehrwürdige, heilige Vorurtheile; und die Wahrheit muß sich oft erst in unsre eigne Meynung, in unser Vorurtheil verwandeln, ehe sie ihr Recht behaupten kann.
Aber Ihre Geburt ist der meinigen nicht ungleich. Sie sind von guter Familie, und daß das Schicksal Sie auf die Bühne geführt – –
Nichts mehr hievon. Sie wissen, wie die Welt denkt. Sie wissen, mit welchen Übeln Vermuthungen sie diejenigen verfolgt, welche sich der Bühne widmen, und es sollte mir ewig leid seyn, als Comödiantinn einen Mann zu beschimpfen, den ich als Prinzessinn glücklich zu machen wünschte.
Auch diese Hand nicht, mein werthester Graf. Ich bin stolz, stolz auf Sie, stolz auf mich; und da ich Muth genug habe, meine Liebe Ihrer Ehre aufzuopfern, so müssen Sie auch so billig seyn, und der meinigen schonen.
Sie sind grausam. Sie handeln ungerecht mit Sich, ungerecht mit mir. Ich und mein Unglück bleibt zu Ihrer Verantwortung.
Ich kenne diese Sprache; aber ich weiß was ich mir von Ihrer Vernunft zu versprechen habe. Ueberlegen Sie nur einmal Selbst, wie empfindlich es Ihnen und mir seyn würde, wenn man in allen Gesellschaften vor uns fliehen, wenn jeder Blick Ihnen einen Vorwurf und mir Verachtung[48] zeigen, wenn Ihre ganze Familie Sie hassen und mich verfolgen, wenn jedermann argwohnen würde – – –
Quälen Sie mich wenigstens nicht, wenn Sie mich nicht glücklich machen wollen. Ich habe das alles, und noch ein mehrers überlegt; ich habe mir alle diese Wahrheiten so deutlich vorgestellt, daß ich glauben konnte, unpartheyisch zu urtheilen; und doch, schönste Isabelle, fiel der Schluß dahin aus, daß das Glück unsrer Vereinigung Alles das unendlich überwiegen würde.
Sie wissen, Herr Graf, daß ich gegen dieses Glück nicht unempfindlich bin. Sie wissen, daß mein ganzer Stolz durch diese Verbindung befriedigt werden würde. Verzeihen Sie mir aber, daß ich Sie auf eine zärtlichere Art liebe, und meinem Vorsatze getreu bleibe.
Keine Vorwürfe, Herr Graf. Da ich die Bühne betrete, so ist es meine Schuldigkeit, allen die dahin kommen, Höflichkeit und Dankbarkeit zu zeigen. Ich würde sonst unsrer Gesellschaft schaden, und eine Unanständigkeit begehen, die in den Umständen worin ich bin, für den Einen oder Andern beleidigend seyn könnte. Glauben Sie aber um deswillen ja nicht, mein lieber Herr Graf, daß wir mit unserer Gütigkeit verschwendrischer sind als andre. Jeder Stand erfordert ein eignes Betragen; und wenn man das weiß, so macht man keine falsche Schlüsse.
Ich glaube nicht, daß Sie mir dergleichen Schuld geben können. Meine aufrichtige Liebe ist die beste Widerlegung, und die sicherste Probe, daß ich Ihre Gütigkeit in keinem Verdachte habe.
Die Reihe mag an mir seyn oder nicht, so muß ich Ihnen sagen, daß Herr Barthold sich versehen, und daß heute gar nicht gespielt, sondern in allem Ernste an einer Heirath gearbeitet wird.
Herr Barthold und Ihr alle seyd verrückt. Ein andermal soll man es mir zweymal sagen, ehe ich hierher kommen und meine Rolle spielen will.
Kann ich denn wohl so glücklich seyn, zu erfahren, was es für eine Heirath sey, woran heute gearbeitet wird?
Sie soll zwischen einem Bräutigam der sich Scrupel macht, einer Seits, und zwischen einer Braut die sich keine macht, ander Seits, geschlossen und nicht geschlossen werden.
Der Henker traue den Mädchen! Ich glaube, sie lesen einem aus den Augen was man denkt. Aber, was hat man denn auch anders in den Augen, wenn man erst zu Verstande kömmt, als die Lust zu heirathen? Sehen Sie mir das nicht gleich an?
So war denn doch die Heirath zwischen Dir und Kolumbien das Geheimniß? Nun, so wünsche ich Dir viel Glück damit; es ist ein braves Mädchen.
Dürfte ich wohl unterthänigst fragen, was Sie durch ein braves Mädchen verstehen? Ich habe sonst gemeynt, die Pferde würden nur brav genannt.
Ich will damit nur sagen, daß Kolombine ihre Rolle gut spielt, daß sie sehr geschickt, sehr schön, sehr lustig, sehr gutherzig – – –
O! das versteht sich von selbst; und ich kann Dir zur guten Nachricht sagen, daß sie noch gar kürzlich ein Paar brillantene Ohrringe ausgeschlagen hat.
Aber der Freyer, der sie ihr angeboten, sollte der nicht so gewisse Vermuthungen gehabt haben, daß sie solche wohl annehmen würde?
Ich glaubte, Harlekin, Du dächtest besser von unsrer Schaubühne. Wenn man alle diejenigen von uns verurtheilen wollte, welche etwa einen freundlichen Blick vergelten, oder sich eine Versuchung zuziehen, so würde man sehr ungerecht gegen uns seyn.
Nein, der Faden muß wenigstens abbrechen und die Schnur vom Rade fallen, sonst kann man seiner Probe nicht sicher seyn.
[50]Das dünkt mich auch, Peter; und wo ich Dich recht kenne, so würdest Du mein Cathrinchen gern nehmen, ohne Scrupel; und Du, Harlekin, thätest auch wohl, von der Probe nach der Hochzeit zu reden.
Ich wünsche Euch mit einander ein Paar Weiber, die Euch die Köpfe zurechte setzen; und wenn Herr Barthold seine selige Frau noch hätte, so würde er mich nicht hierher auf April geschickt haben. Das sagt ihm nur, wenn Ihr ihn sehet.
In der That, wenn Dich Deine Stimme nicht verrathen hätte, so würde ich Dich schwerlich erkannt haben.
Ich bitte Dich, Peter, mache doch solche dumme Vergleichungen nicht. Ich habe diese Hosen mit Fleiß behalten; denn sollte die Probe unglücklich ablaufen, so hänge ich das Kleid sogleich an den Nagel, und bin wieder der ich war. Aber, was denkst Du, Scapin, sollte man mich wohl aus Achtung für die Uniform ungeschlagen zurückschicken?
[51]Mache Dir doch nur solche Scrupel nicht. Wenn Kolombine ein ehrliches Mädchen ist, und Du es recht bey ihr anfängst, so mußt Du Deine Schläge bekommen, oder ich verliere fünf Gulden.
Wahrhaftig, ich wette mit, Herr Harlekin. Kolombine ist ein ehrliches Mädchen. Sie bekommen die Schläge zuverlässig, und ich gewinne mein Geld, oder Sie haben es nicht recht darnach angefangen.
Peter, es gilt fünf Batzen; und mit Freuden will ich sie euch beyden auszahlen. Eins fällt mir aber itzt bey: ich habe gar kein Geld in der Tasche. Ich müßte doch wohl, wenn ich einen Versuch wagen will, so irgend einen Beutel mit Dukaten haben.
Glaubst Du denn nicht, daß ich weiß, was Dir in solchen Fällen nöthig ist? Fühle nur einmal in die Taschen. In der einen steckt meines Herrn leerer Geldbeutel mit Zahlpfennigen, und in der andern das Futteral von seinen Schuhschnallen. Kolombine wird Dukaten und Juwelen darin vermuthen, und wenn Du es ihr anbietest, Dir gewiß Beydes an den Kopf werfen, ohne zuzusehen was darin ist.
Ey, warum nicht? Ich diene meines Herrn Uniform, und schäme mich nicht, solche bey Kolombinen anzumelden.
Nach meinem dummen Verstande gehört eben nicht viel Witz dazu, Ihnen zu einer guten Tracht Schläge zu verhelfen. Das wollte ich auch wohl thun.
O mein guter Peter, das ist weit über Deinen Horizont. Du weißt es nicht, wie angenehm mir diese Schläge seyn werden.
Nun, meinethalben. Alles wie Sie wollen. Wenn ich nur meine fünf Batzen gewinne. Ich fange aber nunmehro an zu fürchten, Sie werden,[52] wenn die Wette verloren geht, in den Beutel mit Zahlpfennigen greifen.
Die weiß ich schon zu verstellen. Ich will die ordentliche Rolle eines Hauptmanns spielen, so wie ich sie gelernt habe.
Die Mademoiselle Kolombine Barthold läßt sich dem Herrn Hauptmann von Astaroth gar schön zurück empfehlen, und weil sie nicht glaubte, daß der Herr Hauptmann ihr etwas Heimliches zu sagen haben würde, so wollte sie die Ehre haben, denselben hier auf der Bühne zu empfangen.
Sie saß und nähete an einem Unterrocke, worin sie mit Dir, wie ich hoffe, getrauet werden wird; ein allerliebstes Röckchen von feuerfarbenem Atlas mit Spitzen eingefaßt, nicht kostbar, aber niedlich.
Assah! Miß Pudding, wie stehts? Ist die Leber noch frisch, und seyd Ihr diesen Winter gut bequartirt?
Ich weiß nicht, ob ich es recht verstanden habe, der Herr Hauptmann von Astaroth sind bey mir gemeldet worden.
[53]Das bin ich im Original, mein kleines Zuckermündchen. Darf ich aber auch wohl fragen, ob Sie nicht die Mademoiselle Kolombine Bartholdinn sind?
Ich glaube immer noch, ich irre mich. Man hat mir gesagt, daß Sie einige Bestellungen von einer sehr guten Freundinn, die ich auf dem Lande habe, an mich hätten.
Ja, recht, mein liebes Sauernüßchen. Hier habe ich ein Paar orientalische, peruvianische Ohrringe, und dort einen Beutel mit eintausend gerändelten Species-Dukaten. Was dünkt Dir dabey, mein Rosenknöspchen?
Ach, wer weiß bey welchem Mädchen Sie diese Ohrringe wohl erbeutet haben, und ob Sie ihr nicht gar dabei die Ohren ausgerissen!
Ich eroberte sie in dem Laufgraben vor Schweidnitz, und diese tausend Dukaten habe ich einem französischen Marschalle en rase campagne abgenommen.
Ich sehe wohl, Herr Haauptmann, Sie haben an mich nichts zu bestellen, und ich will mich Ihnen nur gehormsamst wieder empfehlen.
Was mäßigen? Drey Jahre belagere ich eure verdammte Schaubühne, als wenn ich eine Festung belagere: und beständig habe ich meine Kanonen auf Dich gerichtet. Daß ich endlich einmal Sturm laufe, mußt Du mir nicht verdenken. Sogleich diese Ohrringe eingesteckt!
Sehen Sie nicht, der Herr Hauptmann will mich mit Gewalt küssen, und mich zwingen tausend Dukaten und ein Paar brillantene Ohrringe anzunehmen.
Und darum schreyest Du so, Mädchen? Ich wette, wenn ich den Herrn Hauptmann mit Gewalt zum Hause hinaus werfe, er macht nicht einen solchen Lerm.
Du bist sehr fein, wie ich merke; inzwischen, wenn Sie es erlauben wollen, so will ich Ihnen vors erste wohlmeynend eine Tracht Schläge mitgeben. Sie mögten es vielleicht vergessen sie abzuholen.
Wo ist der Beutel mit den tausend Dukaten, und wo sind die demantenen Ohrringe? Diese erkläre ich hiermit für verfallen. Ich muß dieses Urtheil nur geschwind selbst sprechen, damit der Richter dasCorpus delicti nicht zu sich nehme.
Ach daß Gott erbarme! Lassen Sie doch diese Sporteln immerweg dem Richter; er wird sie den Parteyen treulich wieder ausliefern, und sich gern mit der Gebühr befriedigen. Sehen Sie hier.
Erlauben Sie, Herr Barthold, daß wir Ihnen eine Vorstellung thun. Es war unser guter Harlekin, der hier, in des Herrn Hauptmanns Kleidung, die Erfrischung zu sich genommen.
Ja, bey meiner Treue; er hat die Schläge nur auf des Herrn Hauptmanns Rechnung genommen, und ich bin froh, daß er sie empfangen hat. [55] Ich habe mit ihm um fünf Batzen gewettet, und bereits die Hälfte davon vertrunken.
O, der arme Harlekin! wenn ich das gewußt hätte, ich würde ihm gewiß zu seiner mehrern Beruhigung noch eins mitgegeben haben.
Ich kann Sie versichern, er ist so froh von seinen Schlägen, daß er sie gerne noch einmal nehmen wird, wenn er die Ehre haben kann und Sie Sich die Mühe nehmen wollen.
Aber es ärgert mich doch, daß die tausend Dukaten – – – Fast hätte ich Lust ihm den Prozeß machen zu lassen. Falsche Münze! Nothzucht – – – wahrhaftig, eins von Beyden hat schon manchen ehrlichen Mann an den Galgen gebracht. Aber still; hört, geht Ihr hin, und trinkt Eure Zeche. Ich will alles gut machen. Sagt ihm aber nichts davon, daß ich einige Nachricht von seiner Verkleidung habe.
Ich zweifle nicht daran; oder Harlekin wird itzt kommen, nachdem er seine närrische Probe gemacht, und um Dich anhalten. Euer sind viele, meine liebe Kolombine, und wenn Harlekin bisweilen ein bischen einfältig ist, so mußt Du denken: daß diese seine Einfalt unsrer Bühne vielen Vortheil bringt, und daß wir ohne ihn nicht wohl fertig werden können. Was meynst Du also von ihm? Soll ich Ja, oder Nein sagen, wenn er um Dich anhält?
Aber ein Mann, der mir ein so schlechtes Vertrauen beweist? Der erst mit Schlägen zur Vernunft gebracht werden muß? – – – Der – – –
O! die Liebe macht auch kluge Leute zu Narren; man muß dieser Thorheit etwas zu gute halten, und Schläge auf der Bühne beschimpfen Harlekin nicht. Das ist so seine tägliche Rolle. Er wird zu allem geschlagen, [56] und sogar zum Hahnrey. Und Du kannst mir als Deinem Vater wohl glauben, die Leute, welche eine gewisse bekannte Art von Klugheit oder Narrheit haben, sind am besten zu regieren. Die mehrsten Menschen heirathen als Narren, und werden erst klug als Männer, wenn sie auch im Ehestande nichts weiter lernen, als die Kunst zu schweigen. Zu einer guten friedlichen Ehe gehört Jugend, Gesundheit und Geld. Das übrige läßt sich entbehren, insbesondere der Verstand, wenn man sein Brot mit der Dummheit verdienen muß.
Es sey darum wie es wolle; da wir keine Comödie spielten, so hätte er mehr Verstand gebrauchen sollen. Er ist so dumm nicht, wie Sie meynen, und ich habe von Natur einen verzweifelten Trieb die Listigen zu überlisten.
Erst soll er mir wenigstens vor allen Leuten öffentlich Abbitte thun, und dann will ich sehen was ich thue.
Warum soll er denn für den Hauptmann von Astaroth Abbitte thun, mein Kind? Wir brauchen es ja nicht zu wissen, daß Harlekin sich so übel aufgeführt hat.
Nun, mein liebes Kolombinchen, wollen wir itzt Braut und Bräutigam spielen? Ich will wohl, wenn Sie will.
Kinder, was Ihr thun wollt, das thut bald; es ist meine Zeit zu trinken, und die versäume ich nicht gern.
Noch einen Augenblick, Herr Barthold, ich muß Ihnen erst einen listigen Streich erzählen. Kennen Sie den Herrn Hauptmann von Astaroth?
O, mein guter Herr Barthold, wenn Sie es wüßten! Gelt? Sie glauben den Herrn Hauptmann von Astaroth geschlagen zu haben? Ha! ha! ha!
Bey meiner Ehre, ich sollte fast glauben, daß ich hierher geschlagen hätte. Ich kenne ungefähr meinen Zug. Aber, wie geht das in aller Welt zu.
O, mein lieber Harlekin, thun Sie mir den Gefallen, und sagen mir, ob nicht ein wenig Hexeerey mit unterläuft?
Unvergleichlich! aber erst, mein liebes Kolombinchen, mußt Du mir im Vertrauen sagen, warum Du so gern die Braut spielest?
Nun, da Sie wieder so fragen, will ich das Geheimniß gar nicht mehr wissen. Gehen Sie damit und eröffnen es meinem Cathrinchen.
Vertrauen Sie es mir allein, Harlekin; bey Mädchen sind die Geheimnisse ohnehin etwas lose verwahrt. Sie fallen leicht aus der Hülse.
Hören Sie, Herr Barthold; und St! St! Kolombine – ich war der Hauptmann von Astaroth. Ich hatte nur seinen Rock über den meinigen gezogen. Ha! ha! ha!
Auf solche Art sollte der ehrlichste Mann betrogen werden. Aber, ich bitte Sie tausendmal um Vergebung, daß ich mich so nachdrücklich gegen Sie herausgelassen habe.
O! Sie haben gar nicht Ursache. Ich bin vielmehr froh, daß es so gekommen ist; denn nunmehr bin ich versichert, daß Kolombinchen die Krone von allen Jungfrauen ist. Meine Scrupel sind nun alle weg.
O, mein allerliebstes Lockvögelchen, Du kannst mich nur wieder ein Vierteljahr auf die Probe nehmen, ich bin es gerne zufrieden. WennSie will, ich will wohl.
Ja, ich weiß wie das geht. Ein ehrliches Mädchen, das einen Mann auf die Probe nimmt, muß ihn hernach immer behalten; und das will ich nicht.
Höre, mein Schätzchen, wenn Du willst, so will ich es Dir schriftlich geben, daß die Probe nicht länger als einen Monat währen soll.
Bemühen Sie Sich nicht. Sie wissen, was Sie mir zuvor sagten: Wenn die Comödie aus ist, so hat die Freyerey ein Ende. Ich empfehle mich Ihnen ganz gehorsamst.
O Herr Barthold! Herr Barthold! das wäre zu viel, erst Schläge, und nun gar einen Korb! Das ist eine Comödie und auch keine Comödie.
Hier Kolombine! Die Comödie ist noch nicht zu Ende. Du weißt, sie muß allezeit mit einer Heirath schließen.
Nein, Papa! Das ist nicht nöthig; wir haben viele Stücke auf unsrer Bühne, welche sich bloß mit Schlägen endigen: und wenn es recht zugegangen wäre, so hätte Harlekin, oder der Herr Hauptmann von Astaroth, auch damit zu Hause gehen müssen.
O von Herzen gern! Siehe hier, mein Engels Kolombinchen, ich liege hier vor Dir auf den Knieen, und bitte öffentlich um Vergebung.
[59]Sie müssen mir erst Ihr Schwert übergeben. Es schickt sich nicht, daß Sie solches in dieser Stellung an der Seite tragen.
Sie hätten verdient, Herr Hauptmann von Astaroth, daß ich Ihnen jetzt mit Ihrem eigenen Säbel die Haut voll schlüge. – – – Weil Du es aber bist, mein allerliebstes Harlekinchen, so will ich – –
Das ist für eine tägliche Kost etwas zu hart; und wenn man ein Stück zu oft widerhohlt, so werden es sogar die Zuschauer müde.
Sorgen Sie nicht, Papa; ich weiß schon, wie Harlekin sie am liebsten ißt. Er kann es ja probiren, und wenn er sie dann nicht mehr mag, so will ich ihm was anders vorsetzen.