Moses

Und Moses blickte ins Gelobte Land
und sah es süß von Milch und Honig triefen
und sehnte sich vom Berge in die Tiefen,
wo Israel, sein Volk, die Heimat fand.
Und Boten trugen Ähren her und Wein.
Kundschafter priesen Saaten, Land und Flüsse,
und Jubel gab's im Volk und Tanz und Küsse –
und Moses sah's und durfte nicht hinein.
[56]
Da beugt er sich zu brünstigem Gebet
und sprach zu Gott: »Du hast mich hart getroffen.
Des Menschen Himmel ist allein sein Hoffen.
Doch wehe, wem ein günstiger Wind sich dreht!
Der du den Lebenden die Sehnsucht gabst,
nie wieder täusch den Schwärmer, der dir traute.
Den Trank, der sich aus Schaum und Träumen braute,
gieß ihn nicht aus, eh du den Durstigen labst.
Gott, hüt dich, daß der Mensch sich nicht empört!
Wo Funken glühen, schüre sie zu Flammen!
Wo Herzen lieben, führe sie zusammen!« –
Und Moses starb. – Gott hat ihn nicht erhört.

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TextGrid Repository (2012). Mühsam, Erich. Lyrik und Prosa. Sammlung 1898-1928. Erster Teil: Verse. Gleichnisse. Moses. Moses. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-446C-E