544. Am Oldenburger Wall.

Daß im Oldenburger Wall viele Schätze liegen, ist eine allgemein bekannte Sache. Einmal pflügten da Wandelwitzer Bauern zu Hofe. Da in der Mittagsstunde, während sie ihre mitgebrachte trockene Kost verzehrten, stand auf dem runden Wall ein gedeckter Tisch mit silbernem Tischgerät. Den Pflügern stiegen bei der Erscheinung die Haare zu Berge, denn sie merkten, daß das nicht mit rechten Dingen zugehe, und keiner wagte sich dahin. Aber einer von den Pflugtreiberjungen, ein dreister, machte sich unter einem Vorwande von den übrigen fort, schlich auf den Berg und nahm einen silbernen Becher von der Tafel, den er bei sich steckte. Als nun nach der Mittagsstunde der Tisch noch immer nicht wieder verschwand, schöpfte man Verdacht, daß wohl einer was angerührt hätte. Dem Jungen [371] ward auch angst und er gestand, daß er den Becher genommen hätte. Da bedrohten ihn die andern und er mußte den Becher wieder hinsetzen. Und kaum hatte er das getan, so verschwand die Tafel mit allem und ist seitdem nicht wieder gesehen worden.

Nur derjenige wird die Schätze erhalten, der den Mut hat, den dabei Verwünschten zu erlösen. Das weiß man auch allgemein, und es ist doch noch nicht geschehn. Einmal spät Abends kam ein Mann aus der Stadt über den Wall. Da hörte er, daß hinter ihm einer mit einer Schiebkarre geschoben kam, sah aber nichts. Die Furcht beflügelte seinen Schritt, und kaum war er in seinem Hause vor dem Burgtor, als er auch die Schiebkarre um die Ecke biegen hörte. Er hatte aber nicht das Herz hinauszugehen und den Schieber anzureden. Am folgenden und am dritten Abend kam die Schiebkarre wieder ums Haus und der Mann hörte sogar das Seufzen und Stöhnen des Geistes, der sich nach Erlösung sehnte: allein auch jetzt wagte er es nicht, ihn nach seinem Begehr zu fragen, und nun wird er erst nach hundert Jahren wiederkommen. Der Mann hat es in seinen spätern Jahren oft genug bereut, sein Glück so verscherzt zu haben. Denn ihm war es alles bestimmt.

Vor hundert Jahren etwa ging einmal eine Frau Abends spät bei Mondschein nach dem Walle, um sich aus der Sandgrube gelben Sand zu holen. Als sie nun von dort zurückkam, hörte sie erst in der Ferne, dann immer näher und näher die schönste Musik, wie sie solche in ihrem Leben nicht gehört hatte, und dabei ein Geräusch und Pferdegetrappel, wie wenn zu Roß und zu Fuß ein ganzes Heer vorübergezogen käme, immer von einem Hügel auf den andern, bis es endlich wieder verhallte. Voller Schrecken eilte sie nach Hause und wäre gerne dageblieben, wenn sie nur nicht ihren Spaten in der Sandgrube gelassen hätte. Sie mußte also zum zweiten Male hin, hörte jetzt aber nichts. Als sie das nun am andern Tage ihren Nachbarn erzählte, wußten diese noch mehr davon. Denn solche kriegerische Umzüge rührten von den alten heidnischen Wagerwendenfürsten her, die noch immer im Walle hausen. Andre hatten auch den wilden Jäger gehört, der einmal einem, als er rief: »Stah, Haas! stah, Haas!« einen Pferdefuß in seinen Garten warf mit den Worten: »Hest mit jaagt, schast ok mit fręten.«

Aus Oldenburg durch Herrn Schullehrer Kruse in Eutin. – Bei Maugstrup, Amt Hadersleben, hat Herzog Hans ein Lustschloß gehabt, das zerstört ward, und der Grund ward vom Herzog an den Prediger geschenkt. Man zeigt aber noch die kleine Insel, worauf das Schloß stand, und die Rudera desselben. Bei Menschengedenken hat man auch dort einen spukenden Ritter gesehen, mit einem Federbusch auf dem Hut, und man hat die Kleider seiner Dame, die er an der Hand führte, rascheln gehört. Rhode, Haderslev-Amt Beskrivelse S. 419.

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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Drittes Buch. 544. Am Oldenburger Wall. 544. Am Oldenburger Wall. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4A1A-7