253. Das Licht der treuen Schwester.
An dem Ufer einer Hallig wohnte einsam in einer Hütte eine Jungfrau. Vater und Mutter waren gestorben und der Bruder war fern auf der See. Mit Sehnsucht im Herzen gedachte sie der Toten und des Abwesenden und harrte seiner Wiederkehr. Als der Bruder Abschied nahm, hatte sie ihm versprochen, allnächtlich ihre Lampe ans Fenster zu setzen, damit das Licht weithin über die See schimmernd, wenn er heimkehre, ihm sage, daß seine Schwester Elke noch lebe und seiner warte. Was sie versprochen, das hielt sie. An jedem Abend stellte sie die Lampe ans Fenster und schaute Tag und Nacht auf die See hinaus, ob nicht der Bruder käme. Es vergingen Monde, es vergingen Jahre und noch immer kam der Bruder nicht. Elke ward zur Greisin. Und immer saß sie noch am Fenster und schaute hinaus und an jedem Abend stellte sie die Lampe aus und wartete. Endlich war es einmal bei ihr dunkel und das gewohnte Licht erloschen. Da riefen die Nachbarn einander zu: »Der Bruder ist gekommen«, und eilten ins Haus der Schwester. Da saß sie da, tot und starr ans Fenster gelehnt, als wenn sie noch hinausblickte, und neben ihr stand die erloschene Lampe.
Durch Herrn Hansen auf Sylt.