75. Der Mantel in der Bülderuper Kirche.
(1524.)
Westlich von Apenrade zwischen Tolstede und Bollersleben, auf dem Wege von Hadersleben nach Flensburg, erstreckt sich ein Landrücken, der von altersher Wornhöi oder Urnehöved heißt. Hier wurden einst die alten schleswigschen Landtage unter freiem Himmel gehalten, wie die holsteinischen zu Bornhövede, und die Herzöge wurden hier von Adel und Bauern gewählt. Man zeigt noch eine AnhöheLögpold, die frühere Dingstätte; ein Weg heißtAielveien, der Adelsweg; ein andrer Platz heißtStaatsryggen. Hier ward ein König erschlagen 1 und einem anderen gehuldigt. In Bollersleben ist eine Freihufe, weil der Besitzer vormals verpflichtet war, den hohen fürstlichen Personen Stallraum und Unterkommen zu geben. Darum heißt das Haus auch noch das Königshaus.
Einmal war hier nun im Lande ein alter König, der zwei Söhne hatte. Der älteste zog außer Landes und kam erst zurück, als der Vater gestorben war, um diesem als König zu folgen. Aber der jüngere Bruder, der zu Hause geblieben war, machte ihm das Recht streitig. Endlich aber vereinigten sich beide dem ältesten Hardesvogt im Lande die Sache zur Entscheidung zu übertragen. Der Hardesvogt der Sluxharde, Nis Hansen auf Heistruphof, war der älteste und er erhielt den Auftrag, zu einer gewissen Zeit das Urteil zu sprechen. Der kluge Mann sah wohl ein, [66] daß wie er auch entschiede, er eine Partei sich immer zu Feinden machen würde; er dachte daher darauf mit einer behenden List sich vor Gefahr zu sichern.
Der Hardesvogt hatte ein schönes milchweißes, oder wie andere sagen, gelbes Pferd; das fütterte er alle Tage ein Jahr lang mit Semmeln und Milch und führte es oft heraus und übte es so im Rennen und Springen, daß keines ihm an Kraft und Schnelle gleich kam. Er selber aber kaufte sich einen großen dicken rotwollenen Mantel; und als nun der Tag des Things kam, hüllte er sich darein, setzte sich auf sein Pferd und ritt hinauf an den bestimmten Ort, der eigens dazu mit Steinen gebrückt worden war, wie man noch heute sieht. Die beiden Prinzen, begleitet von ihren Parteien, die alle bewaffnet waren, hielten schon da; nun kam der Hardesvogt auf sie zu und rief mit lauter Stimme: »Des Landes Leute haltens mit dem Landeskinde.« Und warf rasch sein Pferd herum und eilte auf Bollersleben zu. Die Reiter des ältern Prinzen aber stürzten ihm nach und überschütteten ihn mit Pfeilen; doch sein roter Mantel blähte sich auf und schützte ihn. So kam er dem Dorfe nahe, wo mehrere Wagen im Wege standen und die Straße sperrten. Als die Bauern den lieben Mann an seinem Pferde und seinem Mantel erkannten, wollten sie ihm Platz machen. Er aber rief ihnen zu, sie sollten alles stehen lassen und setzte mit seinem Pferde im Fluge darüber hin. So kam er seinen Verfolgern weit voraus, und nahm seine Richtung nach dem großen, dichten Walde zu, der damals auf dem Gröngaarder Felde stand. Ein altes Weib eilte herbei und wollte ihm ein Heck öffnen, das den Weg verschloß; aber auch ihr rief er zu, es zuzulassen und setzte auch darüber weg. So erreichte er den Wald und hielt sich da so lange verborgen, bis er sich hervor wagen und nach Hause zurückkehren durfte. Aus Dankbarkeit schenkte der junge König ihm für seinen Hof die Freiheiten, die Heistruphof bis auf diesen Tag genießt. Sein großer Mantel war ganz schwer von Pfeilen und wie gespickt damit. Zum Andenken an die glückliche Rettung hängte er ihn in der Bülderuper Kirche auf, wo er eingepfarrt war. Noch im Jahr 1786 hing der Mantel da, fiel aber endlich ganz vermodert herunter und ward mit dem Schutte hinaus gefegt. Man sieht aber in der Kirche noch ein Gemälde, welches des Hardesvogts Familie gestiftet hat.
Pastor Beier in Karlum im Staatsbürgerl. Magazin 4, 245. Rasks Moerskabsl. 1839, 507-8. Schriftliche Mitteilung von Herrn Fries in Apenrade und Herrn cand. theol. Meßtorf in Rapstede. Letzterer erzählt, der Hardesvogt habe eine Menge Schachteln, eine über der andern übergeben, mit dem Bedeuten, darin befinde sich sein Urteil. Über dem Öffnen gewann er Zeit, schon weit voraus zu kommen. – Historischer Grund der Sage sind die Streitigkeiten über die Absetzung Christierns II. und die Wahl Friedrichs I. Vgl. Christiani, Neue Geschichte der Herzogtümer I, 368. – Ein andres Lied von Sorte Plog, dem Mörder Erich Eimunds, als in Danske Viser I, 25 scheint in Nordschleswig bekannt gewesen zu sein. Schröder, Topographie von Schleswig II, 399 führt eine Stelle an. – Den Hardesvogt nennt die mündliche Überlieferung Nis Hansen, Jonas Hoyer Bericht vom Herzogtum Schleswig S. 25 aber Nis Hinrichsen.
Fußnoten
1 Erich Eimund?