[33] Der Anne List, um Luitberta's Leidenschaft auszuspähen.


Zweytes Lied

Nachdachte die Amme, da sie sich alleine befand:
Seit wann sind dem Fräulein diese Gedanken aufgestiegen?
Nonnenfleisch war nie gewachsen ihr, meine Treue setz' ich zum Pfand,
Hierunter muß Heimliches begraben liegen.
Ausspähen will ich's sogleich; mir stehet zur Hand
Ein Mittelchen wohl, um Alles sicher zu erfahren,
Mit eignen Augen zu schauen, mit meinen Ohren fein
Auslauschen durch List, was hartnäckig, mir recht zur Pein
Ihr furchtsames Zünglein
Mitzutheilen mir sucht zu ersparen.
Des Nachts schlich sie in des Fräuleins Schlafkammer ein,
Hinter den Vorhang sezt sie sich leise und verborgen.
Luitberta vermeinte im Dunkeln, sie befinde sich allein,
Lassend den Zügel ihrem Herzen ohne Sorgen.
O Rhin, seufzte sie laut, auf der ganzen Welt
Bist Du der Einzige, der meinen Augen gefällt,
Mit jedem Pulsschlag umfängt, ohne zu wanken,
Meine Seele dich tausendmal in Gedanken.
Dürft' klagen dir ich nur einmal meinen Schmerz!
Dich nahe nur einmal umfassen!
Ausleeren an deinem Busen mein Herz,
Gern wollte ich nach solcher Labung erblassen!
Dürft' bekennen ich dir, ach! einmal nur frey
Meine Leiden, sie alle dir gestehen,
Ich weiß, vor Mitleid bräche dein Busen entzwey,
In Trauer müsstest du gleichfalls vergehen.
O Holdester! da die Deinige ich nicht werden kann,
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Soll berühren meine Hand kein anderer Mann;
Will meine Liebe zu dir
In Unschuld fürhin dem Himmel rein ich vererben –
Als Jungfrau in einem Kloster gerne sterben.
Die gute Amme spitzte gewaltig ihr Ohr,
Da verborgen sie diese Worte vernommen;
Stellte ich, sagte bey sich selbst sie, doch gleich mir es vor,
Daß Alles am Ende müsste dahin noch kommen.
Verliebt die kleine Hexe? ohne meinen Beystand, noch Rath;
Hätte wenigstens sie mich berichtet vor der That,
Zum Vortheil wäre jezt Manches schon gewendet,
Ihre bittern Leiden wohl alle bereits geendet.
Sachte schlich aus der Kammer sie sich weg, doch da kaum
Gebrochen der Tag an, kehret sie wieder zurück:
Wach' auf, Luitbertchen! erzähl' mir Deinen Traum.
Begegnet bist Du diese Nacht wohl gutem Glücke!
Dein himmlischer Bräutigam, ich weiß es, verweilte bey Dir,
Denk' nur, in der Frühe begegnete er mir;
Genau habe ich ihn darum angesehen;
Seine Gestalt will ich vollkommen beschreiben Dir,
Wenn Du die Wahrheit willst ein mir gestehen.
Er hat, merk' auf! ein sehr feines Wadenpaar,
Als wäre geschnitten es aus mit der Scheere;
Blaue Augen, lichtbraunes, geringeltes Haar. –
Das Bürschchen gefiel mir selbst, bey meiner Ehre! –
Er gleichet, ähnlicher könnt' ein Mahler ihn nicht
Mit dem Pinsel und Farben an die Wand hinstellen,
An Höhe und Wuchs und auch von Angesicht
Deines Vaters Waffenknecht, Rhin, dem tapfern Gesellen.
Nun willst Du, Scharlachgesichtchen, erstatten völlig Bericht,
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Oder Dich weiter verstellen? – böses Mägdlein!
Vor Schaam schloß das Fräulein die Augen, auf die Hand
Der Amme legt jetzt schluchzend sie die nasse Wange,
Hilf Gott mir! bekannt ist laut jezt meine Schand',
Wie wird mir vor des Vaters Zorn, ach! so bange. –
Was Schande? ruft die Amme, die erste bist Du nicht,
Der so was begegnet; nach muß man freylich hier sinnen,
Damit wir der Sache fein hinter'm Licht,
Einen guten Ausgang gleich hurtig angewinnen.
Das Beste, meine ich, sey, Rhin werd' sogleich Dein Gemahl,
Bevor Du, in solcher bittern Angst und Herzensquaal,
Allen Muth lässest gänzlich dahin rinnen.
Wenn morgen Dein Herr Vater geritten in den Wald,
Mit seinen Schützen, zum Jagen und Hetzen,
Mag Rhin in Deinem Lustgärtlein Dich besuchen dann bald,
Da mögt Ihr in Freuden beysammen Euch letzen. –
O Mutter, rief aus hier die Zarte, ach nein!
Vor Schaam müsst' ich wahrlich ja vergehen,
Sollt' als eine Jungfrau hier ich die erste seyn,
Dem Jüngling so frey meine Flamme zu gestehen;
Und schlüg' er mir gar seine Neigung ab,
Vor Kummer müsst' ich gänzlich dann verzagen;
Odemlos sänke ich, glaube mir, dahin in das Grab.
Nein, gute Amme, nimmermehr vermag ich dieß zu wagen. –
Was träumst Du, Närrchen! fiel die Amme hier ein,
Der Jüngling seine Neigung Dir abschlagen?
Rhin ist kein so roher Bär, noch aus Kieselstein,
Ihn will ich vorher erst um Alles gehörig befragen.
Laß fahren doch alle eitle Zweifel dahin,
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Die schönste Prinzessin, die je die Sonne beschien,
Soll bangen, daß ein Waffenknecht sie möge verschmähen! –
Und merkst Du, Schätzchen, nicht, wie Alles soll geschehen?
Getrauet wirst Du sogleich an des Geliebten Hand,
Vater Hubert soll knüpfen das heilige Eheband,
Nach seiner Felsenklaus will ich heute noch senden.
Hat der im Sacrament nur gesegnet euch ein,
Dann seyd ihr zusammen ein Fleisch und ein Bein,
Alle Furcht mag dann bey Dir auf immer sich enden.
Amen! sagte das Fräulein, der hochheiligen Jungfrau rein
Im Himmel, empfehl' ich uns, damit sie möge schenken
Ihren Beystand gnädigst,
Alles zu glücklichsten Ausgange für uns zu lenken.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Friedrich (Maler Müller). Gedichte. Nachlese. 24. Zehn Lieder von der Liebe Rhins. Zweytes Lied. Zweytes Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-50D2-3