Gesundung

Nun fiel der Schlag. Nun hast du's leicht.
Ich hatte dir mit vollen Händen
des Lebens Seligkeit gereicht
und sah kein Ende meiner Spenden.
Und für die Rosen, die ich dir
um Stirn und Brust gewunden habe,
gabst du die Dornenkrone mir
als königliche Gegengabe.
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Vor meine Augen schoß die Glut,
in meinen Schläfen fühlt ich klopfen
das lechzende Erlöserblut –
heiß rann's herab in roten Tropfen.
So ging ich blind im Mittagsglanz
und durch den Flackerschein der Blitze –
und deine Hand auf meinem Kranz
trieb tiefer nur der Dornen Spitze.
Und über Südlandsbergen zog
ein Wetter auf am Himmelsbogen,
und der Scirocco sang und bog
der Pinien Wipfel in die Wogen.
Da wuschen mir vom Angesicht
den blutigen Tau die Regengüsse,
da ward ich sehend, ward ich licht
und wissend, daß ich sterben müsse –
Und griff empor im letzten Schmerz!
Im Zucken eines ungebornen
schuldlosen Glückes Herz an Herz
riß ich vom Haupte mir die Dornen.
Und war gesund. Mit klarem Blick
schau ich in abendlichte Ferne.
Nimm deine Krone dann zurück –
und mich laß finden meine Sterne.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Müller-Jahnke, Clara. Gedichte. Gedichte. Wintersaat. Gesundung. Gesundung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5296-0