Die Passionsblume

Hochgebenedeite Pflanze,
Deren schöner Blüthenstern
Uns in mildem, weißem Glanze
Zeigt das Marterthum des Herrn;
Voller Blüthen seh' ich immer
Dich vor ihrem Fenster stehn:
Willst du denn, als eitler Schimmer,
Nur in Farb' und Duft vergehn?
Ward dir kein geheimes Leben
Unverwelklicher Natur
Von dem Heiland eingegeben,
Der dich pflanzt' in unsre Flur,
Als ein Bild von seinen Leiden,
Seinem bittern Liebestod,
Daß daran wir sollen weiden
Unsre Seel' in Lust und Noth?
Hast du nicht in stillen Stunden,
Heil'ge Blum', ihr zugehaucht
Das Geheimniß von den Wunden,
Von dem Dorn in Blut getaucht?
Esther schläft, und Träume schließen
Auf der reinen Seele Schrein:
Laß aus deinem Sterne fließen
Einen Strahl zu ihr hinein!

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TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Gedichte. Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten 1. Johannes und Esther. Die Passionsblume. Die Passionsblume. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-55B4-1