[198] Neue Lieder der Griechen

Anmerkung zum zweiten Liede

Die Sage von der Gründung der Stadt Parga erzähltPouqueville (Voyage dans la Grèce. Tome I. p. 494) aus neugriechischen Quellen, wie folgt:

La vieille Parga (Palaio Parga) existait longtemps avant la prise de Constantinople par les Mahométans. Mais lorsque ces barbares ayant envahi la capitale de l'empire d'Orient, s'étendirent dans les provinces qu'ils couvraient de ruines et de carnage, les prêtres de Parga, qui prévoyaient une catastrophe inévitable, songèrent à préparer aux habitants un dernier asyle voisin de la mer, dans lequel ils pouvaient se défendre ou fuir dans une terre hospitalière, en cas d'attaquer et de revers. Il était difficile d'engager un peuple attaché à ses foyers à les quitter; des considérations ordinaires auraient été peu déterminantes; ils firent parler le Ciel. Un chévrier découvrit dans une caverne du cap Chimarium une image de la Sainte Vierge, qu'on fit transporter en cérémonie au bourg de Parga. Malgré les hommages qu'on lui rendait, comme elle retournait d'elle-même dans son antre, il fallut se décider à l'y suivre; et ce fut autour de ce palladium miraculeux que s'éleva la nouvelle Parga.

Der Mainotte

Nie, nie hat ein Sklavenjoch meinen starken Hals gebogen,
Nie hab' ich an meinem Arm eine Kettenlast gewogen.
Frei, wie meiner Berge Strom, wie der Adler in den Lüften,
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Stürz' ich brausend in die Fläche, wo die Freiheit liegt in Grüften,
Neben altem Heldenstaube, unter grauen Mauertrümmern,
Und mir ist, als hört' ich sie unter mir vernehmlich wimmern.
Räuber heiß' ich bei dem Wicht, der den Räuber nennt Gebieter,
Jenen Räuber, der ihm hat dich geraubt, du Gut der Güter,
Freiheit, Freiheit, Lebensluft, Leibesmark und Seelenschwinge,
Der gehört mein Herz, mein Arm, meine Büchs' und meine Klinge,
Der ich wache, der ich kämpfe, der ich lebe, der ich sterbe,
Die ich meinen Kindern lasse als mein einig eignes Erde.
Räuber nennt mich immerhin! Rauben will ich und verheeren
Herrengut und Sklavenland, und kein Pascha wird es wehren.
Aber hört, ihr Feldbewohner, hört, der Räuber kann auch geben
Mehr, mehr als ihr habt besessen all' in eurem ganzen Leben.
Wollt ihr eure Freiheit wieder? Kommt herauf mit scharfen Klingen!
Von den Bergen wollen wir sie vereint herunter bringen.

Der Pargioten Abschied von den Engländern

Brüder, laßt und fürder ziehen aus dem schnöden Inselland!
Laßt uns eilig unsre Segel richten nach dem schönen Strand,
Wo aus langen schweren Banden Hellas ihre Arme ringt
Und die kettenwunde Rechte gegen die Tyrannen schwingt.
Britten, ohne Dank und Segen scheiden wir aus eurem Schutz,
Wählen einen andern Herren, und derselbe heißet Trutz;
Der will uns hinüber führen ohne euren sichern Paß,
Wo wir Päss' uns selber schreiben mit des Blutes rotem Naß.
Unsre Mauern, unsre Thürme, unsre ganze liebe Stadt,
So die heil'ge Mutter Gottes selber sich ersehen hat,
Daß sie von der Felsenspitze auf dem letzten Uferrand
Tröstend überschauen möchte das gebeugte Griechenland:
Diese Stadt habt ihr verhandelt, Britten, die ihr schützen wollt,
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Britten, habt sie losgeschlagen für des alten Paschen Gold.
Hättet wohl auch unsre Häupter gern gegeben in den Kauf?
Und der grimme Heide wetzte schon sein Henkerbeil darauf.
Britten, Britten, an den Händen klebt es röther euch, als Blut!
Britten, Britten, das ist jenes Sündengoldes Höllengluth!
Und ein hoher Scheiterhaufen stieg auf unsrem Mark empor,
Und mit Schaufeln und mit Hacken zogen wir aus jedem Thor:
Jeder grub sich die Gebeine seiner Lieben aus der Gruft,
Und in freien Flammen lodernd flog der Staub in freie Luft.
Ach, wohl hätten wir uns selber gern gestürzt in seine Gluth,
Doch der Weiber und der Kinder Jammer brach der Männer Muth;
Und so zogen wir von dannen bei der Leichenflammen Schein,
Und die Brittenschiffe nahmen unsres Elends Lasten ein.
Haben nun zwei Jahr' gesessen hier auf Korfu's Inselland,
Haben nun zwei Jahr' geschauet sehnlich nach der Heimath Strand.
Britten, habt uns Schutz gegeben, und noch Ketten auch dabei:
Euren Schutz und eure Ketten brechen heute wir entzwei.
Brüder, laßt uns fürder ziehen! Drüben liegt ja unsre Stadt,
So die heil'ge Mutter Gottes selber sich ersehen hat,
Daß sie von der Felsenspitze auf dem ersten Uferrand
Segnend überschauen möchte das erwachte Griechenland.
Brüder, dahin laßt uns ziehen, eh' der hohe Schutzpatron,
Uns statt seiner zu beschützen, rufe seinen Kerkerfrohn.
Brüder, dahin laßt uns ziehen, weil wir noch in unsrer Hand
Unsre guten Schwerter halten, Schwerter für das Vaterland!

Der Bund mit Gott

Kein König und kein Kaiser auf dieser Erde Rund
Will uns die Rechte reichen, zu schließen einen Bund.
Sie haben ihre Heere gesandt bis an den Pruth,
Es segeln ihre Flotten durch unsre Meeresfluth,
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Sie sehn die Wogen glühen von unsres Blutes Roth,
Sie schauen unsre Thaten und hören unsre Noth;
Doch tauber, als die Woge, die ihre Schiffe trägt,
Doch härter, als die Klippe, die Kiel und Mast zerschlägt,
Sind sie vorbeigesegelt, als Chios grauser Brand
Des Meeres Ungeheuer aufschreckt' im tiefsten Sand,
Wo sie der Ruhe pflogen nach ihrem Paschenschmaus
Von süßem Säuglingsfleische. Sie stierten wild heraus
Aus feuerhellen Wogen, und um sie hin und her
Da schwammen frische Leichen und reizten sie nicht mehr.
Sie sind vorbeigesegelt. Der Herr hat es gesehn.
Da sandt' er Feuerströme herab aus seinen Höhn –
Wohin zielt seine Rechte? Wen meint der Flammenstrahl?
Des Würgers stolze Flotte fliegt auf in Blitz und Knall,
Daß donnernd wiederhallen die Berge rund umher,
Und aus den tiefsten Höhlen aufbraust das weite Meer.
Seht, und den Würger schleudert ein höllenrother Brand
Von seinem weichen Polster hinüber an den Strand,
Wo nicht so viel des Bodens von Blut geblieben rein,
Um ihm im letzten Röcheln ein trocknes Bett zu sein.
So segelt denn vorüber und danket Gott dem Herrn,
Und was ihr habt gesehen, das meldet nah und fern,
Und machet euren Herrschern die Wunderbotschaft kund:
Gott hat mit Hellas Söhnen geschlossen einen Bund,
Den heil'gen Bund der Liebe auf Leben und auf Tod,
Dem Höll' und Welt vergebens mit Gold und Eisen droht.
Der heil'ge Bund wird halten, ob alle untergehn,
Wird mit uns triumphirend einst aus dem Grab erstehn.

Die Zweihundert und der Eine

Preiset die Zweihundert nicht, preiset, Brüder, nur den Einen,
Der Zweihundert kann so fest in der Liebe Gluth vereinen,
So zu einer Todesfreude, so zu einer Racheflamme,
Alle Nerven, alle Sehnen so zu eines Leibes Stamme.
Preiset die Zweihundert nicht, preiset, Brüder, nur den Einen,
Der vierhundert Arme kann so zu einem Schlag vereinen,
Einem Schlage seines Blitzes, den er gab in unsre Hände,
Daß er des Gerichtes Feuer in des Würgers Flotte sende.
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Preiset die Zweihundert nicht, preiset, Brüder, nur den Einen,
Der sich glorreich offenbart in Zweihunderten der Seinen,
Als sie durch der Heiden Segel schifften mit der Kreuzesfahne,
Und die hohen Masten bebten vor dem kleinen Wunderkahne.
Preiset die Zweihundert nicht, preiset, Brüder, nur den Einen,
Der ein gaukelnd Wolkenbild ließ dem Heidenheer erscheinen,
Also daß es, wie geblendet, uns in festlich wildem Drange
Grüße bot von nah und ferne mit betäubendem Gesange.
Preiset die Zweihundert nicht, preiset, Brüder, nur den Einen,
Dem Zweihundert hier im Staub ihres Dankes Thränen weinen,
Daß er ihre Blitzgeschosse hat gelenkt zum rechten Ziele
Und des Würgers Haupt getroffen auf dem blutgetränkten Pfühle.
Preiset die Zweihundert nicht, preiset, Brüder, nur den Einen,
Der sein schreckliches Gericht ließ dem Heidenvolk erscheinen,
Also daß sie seine Wunder predigten in den Moscheen;
Denn sie sahn die Todesengel leiblich in den Wolken stehen.
Preiset die Zweihundert nicht, preiset, Brüder, nur den Einen,
Der Zweihundert kann so fest in der Liebe Gluth vereinen.
Unsre trocknen Waffen legen wir am Hochaltare nieder.
Herr, ist dein Gericht vollendet? – Winke, und wir segeln wieder!

Der Chier

Ich hatt' ein schönes Schloß mit hohen, blanken Zinnen,
Und mancherlei Geschirr von Gold und Silber drinnen;
Und wenn ich von dem Dach hinab mein Auge schickte,
War alles meine Flur, was es rundum erblickte.
Ich hatt' ein edles Weib, die Flamme meiner Jugend,
Die Herrin jeder Huld, das Abbild aller Tugend.
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Drei Söhne hatt' ich auch in rother Knabenblüthe,
In deren klarem Blick ein Hoffnungsmorgen glühte,
Der einen Tag verhieß von reiner, steter Sonne.
Ich hatt' ein Töchterlein, der Mutter bange Wonne,
Halb Jungfrau und halb Kind, ein Röslein, das die Schale
Der Knospe scheu und froh durchblickt zum ersten Male. –
Nun hab' ich nichts, als mich und eine scharfe Klinge,
Und wenn ich meinen Stahl auf die Barbaren schwinge,
Fühl' ich mich wunderreich. Bald hab' ich alles wieder,
Wann um mich weit und breit zerstückte Türkenglieder,
Zu Bergen aufgehäuft, als Rachemahle prangen.
Dann ist es satt getränkt, das brünstige Verlangen
Nach meinem edlen Gut, und über meinen Schätzen
Lieg' ich dahingestreckt, nicht todt daran zu letzen.

Thermopylä

Heil! Heil! Nie wird Thermopylä den Sieg der Sklaven sehn.
Heil! Ewig wird Thermopylä, ein Hort der Freiheit, stehn.
Da kreist er mit dem Flammenschwert als Wächter um den Paß,
Den er mit seinem Blut gefeit, der Held Leonidas,
Und hinter ihm die ganze Schaar der Treuen bis zum Tod,
Mit grünen Kränzen auf dem Haupt, die Brust ganz purpurroth.
Nun rottet euch zusammen nur, ihr Sklaven und ihr Herrn!
Ihr Söldnerhorden, zieht heran, heran von nah und fern!
Wir stehen bei Thermopylä; wir stehen Mann für Mann,
Zu zeigen euch, was Freiheit ist, was Freiheit will und kann.
Leonidas, ein Blick auf uns, ein Blick auf sie hinab!
Und nun laß uns im Kampf allein – wir stehn auf deinem Grab,
Da stehen wir, da fallen wir, da scharren sie uns ein;
Mit unsern Leichen wollen wir des Grabes Decke sein,
Daß nimmer deinen heil'gen Staub berühr' ein Sklavenfuß;
Er trete lieber doch auf uns, wenn er hier treten muß.
Heil! Heil! Nie wird Thermopylä den Sieg der Sklaven sehn.
Heil! Ewig wird Thermopylä, ein Hort der Freiheit, stehn.
Schon einmal sprang der Türkenstahl an diesem Felsgestein,
Schon einmal sank der halbe Mond hier in den Staub hinein,
[204]
Schon manche neue Schatten auch sind über uns zu sehn,
Die mit der alten Heldenschaar umschweben diese Höhn.
Wir kennen euch, wir folgen euch getreu in Sieg und Tod,
Wir färben unsre Brust, wie ihr, mit schönem Purpur roth.
Heran, ihr Sklaven, nur heran! wir haben unser Mahl
Genossen schon im Morgenroth, geleert ist der Pokal.
Wir kränzen unsre Stirn zum Fest, wir kränzen unser Schwert
Zum Siegesfest, zum Todesfest – was uns der Herr gewährt;
Nur sei des Todes werth der Sieg, des Sieges werth der Tod!
Vor Sparta's Leichen bebte hier der medische Despot,
Und fühlte sich besiegt im Sieg, und sah es selber an
Mit finstrem Blick, was Freiheit ist, was Freiheit will und kann.
Heran, ihr Sklaven, nur heran! Auch ihr, ihr sollt es sehn!
Heil! Ewig wird Thermopylä, ein Hort der Freiheit, stehn.

Bozzari

Freiheit! war sein letzter Hauch. Freiheit hat e nun gefunden.
Frei flog seine Heldenseele aus des Busens offnen Wunden
In das Reich der Freiheit auf. Oder will sie noch verweilen
Unter uns und jeden Kampf mit den Erdenbrüdern theilen?
O so sei gegrüßt im Streite, sei gegrüßt beim Siegesmahle!
Wollen dir die ersten Tropfen aus dem schäumenden Pokale
Auf den Grabeshügel schütten, und die ersten Lorbeerzweige
Auf den nassen Rasen legen. Freier, sel'ger Geist, dann neige
Segnend dich herab und fache hell in uns empor die Gluthen,
Die auch mit des Heldenblutes letztem Tropfen nicht verbluten,
Die noch heut' im Staube brennen unter Pylä's heil'gen Grüften,
Die auf Marathons Gefilden ewig wehen in den Lüften,
Die wir alle in uns trinken recht in vollen, heißen Zügen,
Wenn Bozzari's Nam' ertönt und uns ruft zu neuen Siegen.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Neue Lieder der Griechen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-595F-3