[123] Ländliche Lieder

Der Berghirt

Wenn auf dem höchsten Fels ich steh',
In's tiefe Thal hernieder seh'
Und singe,
Fern aus dem tiefen dunkeln Thal
Schwingt sich empor der Wiederhall
Der Klüfte.
Je weiter meine Stimme dringt,
Je heller sie mir wiederklingt
Von unten.
Mein Liebchen wohnt so fern von mir,
Drum sehn' ich mich so heiß nach ihr
Hinüber!
Viel steile Berge vor mir stehn,
Die Flüsse schäumend sich ergehn
Im Thale.
Der Aar sich in die Wolken schwingt,
Die Gemse durch die Klüfte springt
Hinüber!
Die Wolken ruhen auf der Höh',
Und durch die Nebel glänzt der Schnee
Der Gipfel.
[124]
Je stolzer mir mein Mädchen thut,
Je höher steigt empor mein Muth
In Liebe.
Ein Glöckchen klingt im stillen Thal,
Die Essen rauchen überall
Im Dorfe.
Ach, Mädchen, Mädchen, nimm mich bald!
Es ist so öd', es ist so kalt
Hier oben.

Liebesaufruf

Nun ist dein kleines Fensterlein
Wohl wieder aufgethaut?
Lieb Dirnel, hab' so manches Mal
Im Winter 'nach geschaut.
War'n dicke weiße Blumen vor,
Ich konnte dich nicht sehn;
So mußt' ich über Eis und Schnee
Betrübt nach Hause gehn.
Da hab' ich auf dem kalten Weg
An dich recht warm gedacht,
Hab' deinen lieben Namen laut
Genannt bei Tag und Nacht.
Wenn ich so oft gebetet hätt'
Die ganze Winterzeit,
Als dein gedacht in einem Tag,
Ich wäre benedeit.
Ob's Lieben wohl was Böses ist?
Die Vöglein thun's uns vor,
Und schwingen doch mit Sang und Klang
Zum Himmel sich empor.
[125]
So zieh' ich aus zur Maienzeit
Auf grüne Liebeslust!
Ist's Fensterlein erst aufgethaut,
Wird's warm auch um die Brust.

Ergebung

Bin gefahren auf dem Wasser,
Hab' kein Ruder eingetaucht;
Hab' das Lieben ausgelernet,
Keinen Lehrer je gebraucht.
Gestern fuhr ich auf dem Wasser,
Heute sitz' ich auf dem Sand;
Gestern hatt' ich noch ein Dirnel,
Heut' hat's mir den Korb gesandt.
Und nun ich im Trocknen sitze,
Sing' ich mir ein Lied dazu,
Und als ich mein Dirnel küßte,
Hatt' ich zum Gesang nicht Ruh'.
Daß es ist im Walde schattig,
Seht, das macht der Bäume Laub,
Und daß ich ein Liedchen singe,
Seht, das macht, mein Schatz ist taub.
Willst nicht hören, wirst wohl fühlen,
Wenn's zum Ändern ist zu spat.
Kind, wach' auf, wach' auf und horche!
Über Nacht kömmt guter Rath.
Bin zu dir so oft gegangen
In der Nacht durch Eis und Schnee,
Hab' vor deiner Thür gesungen,
Wind und Wetter thät nicht weh.
Blieb das Fenster auch verschlossen,
Hat kein Lied mich doch gereut.
Meine Saiten sind gesprungen,
'S ist das letzte Liedel heut'.

[126] Jägers Lust

Es lebe, was auf Erden
Stolzirt in grüner Tracht,
Die Wälder und die Felder,
Die Jäger und die Jagd!
Wie lustig ist's im Grünen,
Wenn's helle Jagdhorn schallt,
Wenn Hirsch' und Rehe springen,
Wenn's blitzt und dampft und knallt!
Ich hab' mir schwarz gesenget
Das rechte Augenlied:
Was thut's, da mich mein Dirnel
So schwarz auch gerne sieht?
Mein Stutz 1 und meine Dirne,
Sind die mir immer treu,
Was thu' ich weiter fragen
Nach Welt und Klerisei?
Im Walde bin ich König,
Der Wald ist Gottes Haus;
Da weht sein starker Odem
Lebendig ein und aus.
Ein Wildschütz will ich bleiben,
So lang' die Tannen grün,
Mein Mädchen will ich küssen,
So lang' die Lippen glühn.
Komm, Kind, mit mir zu wohnen
Im freien Waldrevier!
Von immergrünen Zweigen
Bau' ich ein Hüttchen dir.
Dann steig' ich nimmer wieder
In's graue Dorf hinab,
Im Walde will ich leben,
Im Wald grabt mir ein Grab!
[127]
Daß nicht des Pfarrers Kühe
Darauf zur Weide gehn:
Das Wild soll drüber springen,
Kein Kreuz im Wege stehn.

Fußnoten

1 Büchse (U).

Jägers Leid

Es hat so grün gesäuselt
Am Fenster die ganze Nacht –
Mein Schatz im Tannenwalde,
Hast wohl an mich gedacht?
Und wann alle Bäume rauschen
Im weiten Jagdrevier,
Und weht kein Lüftchen am Himmel,
Herzliebste, dann fing' ich von dir!
Und wann alle Zweige sich neigen
Und nicken dir Grüße zu,
Herzliebste, das ist mein Sehnen,
Hat nimmer Rast, noch Ruh'!
Ach Welt, ich muß dich fragen,
Warum du bist so weit?
Ach Liebe, ferne Liebe,
Warum nicht heißt du Leid?
Ich möchte die Büchse laden,
Nicht laden mit Pulver und Schrot,
Ich möcht' in die Lüfte schießen
All' meine Liebesnoth.
Und wenn von allen Bäumen
Stürzen die Waldvögelein,
Dann ist der Schuß gefallen –
Wer soll nun Sänger sein?

[128] Liebesgedanken

Je höher die Glocke,
Je heller der Klang:
Je ferner das Mädchen,
Je lieber der Gang.
Der Frühling will kommen,
O Frühling, meine Freud'!
Nun mach' ich meine Schuhe
Zum Wandern bereit.
Wohlauf durch die Wälder,
Wo die Nachtigall singt!
Wohlauf durch die Berge,
Wo 's Gemsböcklein springt!
Zwei schneeweiße Täubchen,
Die fliegen voraus,
Und setzen sich schnäbelnd
Auf der Hirtin ihr Haus.
Ei bist du schon munter,
Und bist schon so blank?
Gott grüß' dich, schön's Dirnel!
Ach, der Winter war lang!
Zwei Augen wie Kirschkern',
Die Zähne schneeweiß,
Die Wangen wie Röslein
Betracht' ich mit Fleiß.
Ein Mieder von Scharlach,
Ganz funkelnagelneu,
Und unter dem Mieder
Ein Herzlein so treu!
Und ihr Lippen, ihr Lippen,
Wie preis' ich denn euch?
So wie ich will sprechen,
So küßt ihr mich gleich!
[129]
Ei Winter, ei Winter,
Bist immer noch hier?
So darf ich doch wandern
In Gedanken zu ihr.
Auf Siebenmeilenstiefeln
Geht's flink von der Stell',
Auf Liebesgedanken
Geht's siebenmal so schnell.

Ausforderung 1

Eine hohe Hahnenfeder
Steck' ich auf meinen Hut!
Mein Hut hat grüne Farbe,
Mein Herz hat frischen Muth.
Was will die Hahnenfeder?
Sie ruft zu Kampf und Streit,
Sie ruft: Ich lieb' die Beste
Im Lande weit und breit!
Und kennst du eine bessre,
Und ist sie deine Wahl,
Steck' auf eine höh're Feder,
So raufen wir einmal.
Und muß ich unterliegen,
Und lieg' ich in dem Sand,
Ich halt' auf meinem Spruche
Zeitlebens festen Stand.
Und ist dein Dirnel schöner,
So trag's zur Stadt hinein,
Zum Markte, zum Verkaufe,
Für's Dorf ist's halt zu fein.
[130]
Und ist dein Dirnel frömmer,
So führ' es gleich nach Rom,
Und laß es heilig sprechen,
Zur Lieb' ist's halt zu fromm.

Fußnoten

1 In Tyrol pflegen junge Bauerbursche sich Hahnenfedern auf den Hut zu stecken, zum Zeichen, daß sie bereit sind, es mit Jedem im Raufen aufzunehmen (U).

Abschied

Was soll ich erst kaufen
Eine Feder und Tint'?
Buchstabiren und Schreiben
Geht auch nicht geschwind.
Will selber hinlaufen
Zu der Nannerl in's Haus,
Will's mündlich ihr sagen:
Unsre Liebschaft ist aus!
Unsre Liebschaft ist zerrissen,
Wird nimmermehr ganz;
Und morgen da führ' ich
Ein' Andre zum Tanz.
Es springen viel Dirnen
Und singen dazu,
Ach Nannerl, ach Nannerl,
Doch Keine wie du!
Unsre Liebschaft ist zerrissen,
Unsre Liebschaft ist aus!
Ich klopfe nicht wieder
An der Nannerl ihr Haus.
Der Häuser giebt's viele
Mit Fenstern darein;
Doch's klinget kein Fenster
Wie deines so fein!
Unsre Liebschaft ist zerrissen –
Leb' wohl denn, mein Kind!
Was ist's, daß so beißend
Aus den Augen mir rinnt?
Es weinen viel Bursche
Und jammern dabei –
Doch, Nannerl, 's kömmt Keinem
Vom Herzen so treu!
[131]
Unsre Liebschaft ist zerrissen,
Mein Herze dazu –
Ach Nannerl, mein Nannerl,
Was meinest denn du?
Und müssen wir scheiden
In jetziger Zeit,
Führ' Gott uns zusammen
In die ewige Freud'!

Erlösung

Vor meines Mädchens Fenster,
Da schwing' ich meinen Hut,
Ich schwing' ihn in die Lüfte
Mit freiem, leichtem Muth.
Sieh, sieh die grüne Flagge,
Die von dem Hut mir weht!
Das Band weht in die Weite,
Mein Weg von dannen geht.
Kind, hast in deinem Käfich
Gequält mich lang' genug.
Ich hab' den Stab zerbrochen,
Hab' wieder freien Flug.
Juchhe, ihr Berg' und Wälder!
Juchhe, nun bin ich frei,
Und schlage froh ein Schnippchen
Der harten Liebestreu'!
Nun hüpft und springt, ihr Heerden!
In's Freie geht's hinaus.
Sollt nicht mehr Stoppeln suchen
Vor meines Mädchens Haus.
Ich treib' euch auf die Weide
Nach frischen Felsenhöhn,
Wo thauig ist der Rasen,
Wo kühle Bächlein gehn.
[132]
Rupft im Vorübergehen
Euch noch ein Hälmchen aus,
Indeß mein Abschiedsliedchen
Ich singe vor dem Haus.

Die Umkehr

Auf die Alpen dort bin ich gestiegen,
Habe weit und breit mich umgesehn:
Heerden sah ich in dem Grase liegen,
Schäferinnen bei den Schäfern stehn.
Aber auf den schönen grünen Auen
Fand ich Eine, die ich suchte, nicht;
Und das lange, ferne, starre Schauen
Machte trübe meiner Augen Licht.
In das Thal bin ich zurückgegangen,
In das kleine, tiefe, finstre Thal,
Habe meinen Mantel umgehangen
Und mich hingestreckt mit meiner Qual.
Ja, und wenn die Engel einst mich führen
Aus dem Grabe nach dem Paradies,
Seh' ich erst vor seinen goldnen Thüren
Weit und breit mich um nach ihr gewiß.
Wenn sie meine Augen nicht erblicken,
Kehr' ich um und schaue nicht hinein.
Will in' s enge, dunkle Grab mich drücken
Und verschlafen alle Freud' und Pein.

Abrede

Vor meiner Liebsten Fenster
Da klingen meine Sporn:
Thu' auf, Herzallerliebste,
Laß schwinden deinen Zorn!
[133]
Die Fiedel ruft zum Tanze,
Meine Tänz'rin sollst du sein:
Ich kann nicht von dir lassen,
Es fällt mir gar nicht ein.
»Mein Zorn der ist verschwunden,
Mein Tanzkleid ist bereit,
Doch wenn's ein Nachbar sähe,
Es brächt' mir Schmach und Leid.«
So geh' voraus zur Schenke
Und steh' nicht vorn am Thor,
Tritt in den tiefsten Winkel,
Gewiß, ich hol' dich vor.
Und schwenk' ich dich im Tanze,
So zieh' mir ein Gesicht.
Dann denken alle Leute:
Die tanzte lieber nicht!
Und red' ich mit den Andren,
Das mach' dir keine Pein,
Ich rede mit den Andren
Und denk' auf dich allein.
Und willst du gehn nach Hause,
So warte nicht auf mich,
Geh' fort nur auf dem Steige –
Gewiß, ich treffe dich.

Der Kranz

Sie war kaum aus dem Kinderkleid,
Das Mieder war ihr noch zu weit,
Da liefen schon am hellen Tag
Ihr alle flinke Bursche nach.
Sie ließ es ohne Zank geschehn,
Hat sich auch manchmal umgesehn.
[134]
Die Mutter sprach: Nimm dich in Acht!
Schon manche Dirne hat's gebracht
Um's grüne Kränzchen in dem Haar,
Daß sie im Dorf die Schönste war.
Da fiel es erst der Tochter ein:
Sollt' ich denn wohl die Schönste sein?
Nach einer Quelle thät sie spähn,
Sie wollte sich darin besehn,
In manche guckte sie hinein,
Doch keine war recht klar und rein;
Da kam ein Jäger frank und frei,
Und sagt' es ihr, wie schön sie sei.
Und siehe, schon im andern Jahr
Hat sie den grünen Kranz im Haar,
Hat sie den grünen Mann im Arm,
Hat sie im Hause Reigenschwarm:
Da lacht sie keck der Alten zu:
Nun, Mutter, sag', was meintest du?
Die Mutter sprach: Nimm dich in Acht!
Und ach, noch in derselben Nacht
Fiel ihr das Kränzchen aus dem Haar;
Da seufzte sie: Es ist doch wahr!
Und fragte nie die Mutter mehr,
Wie's mit dem Kranz gemeinet wär'.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Ländliche Lieder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5986-9