Salomons hohes Lied

[1627.]

Das erste Lied

Die Sulamithinn.

Liebster (sagt in süssem Schmertzen
Deine Sulamithinn dir)
Komm doch, saget sie von Hertzen,
Küsse mich, o meine Zier;
Deine Huld ist zu erheben
Für deß schönsten Meines Reben.
Dein Geruch der ist viel besser
Als der feist' Olivensafft
An dem Syrischen Gewässer,
Als deß Balsams edle Krafft.
Darumb müssen auff dich schauen
Und dich lieben die Jungfrauen.
Zeuch mich hinter dir; wir kommen,
Folgen deinen Händen nach!
Nun er hat mich eingenommen,
In sein heilges Schlaffgemach,
Will mich wissen an den Enden
Wo sich meine Brunst kan wenden.
[257]
Wem darff ich am Glücke weichen,
Weil mich der so sehnlich liebt,
Dem kein Wein ist zu vergleichen
Den die beste Traube gibt?
Alle Leute welche leben
Müssen meinen Freund erheben.
Meint ihr, daß ich minder gelte,
O ihr Töchter Solyme,
Weil ich schwartz bin wie die Zelte
An der heissen Morensee?
Köndt' ich Schönheit doch noch leihen
Salomons Tapezereyen.
Daß ich braune Haut gewonnen
Seht mich darumb nicht so an;
Ich bin schwartzbraun von der Sonnen,
Ihre Brunst hat diß gethan,
Seit daß mich in Zorn und Hassen
Meiner Mutter Kinder fassen.
Ich must' ihnen stets verwachen
Ihre Berg' und ihren Wein,
Ihre Berge, welche machen
Daß ich jetzund schwartz soll seyn.
Aber mein Berg blieb nur liegen,
Weil ich muste sie vergnügen.
Sag', o Sonne meiner Seele,
Sage doch, wo weidest du?
Welchem Thale, welcher Höle
Gönnst du deine Mittagsruh?
Wo doch pflegst du jetzt zu schlaffen,
Mein gantz Ich, mit deinen Schaffen?
Soll ich dann in frembden Stellen
Irrig gehen auß und ein
Weit von deinen Mitgesellen,
So dir pflegen huld zu seyn,
Soll ich ungebührlich lauffen
Von der guten Freunde Hauffen?
Salomon.

O du schönest' aller Frauen,
Weissest du nicht, wo ich bin,
Den du wüntschest anzuschauen,
So verfüge bald dich hin
In den Fußpfadt meiner Herde,
Da ich mich befinden werde.
Treib du deine junge Ziegen,
Wo die schönen Wiesen stehn,
Wo die andern Hirten liegen
Oder in dem Grase gehn,
Wo sie ihre dicke Scharen
Lustig weiden und bewahren.
Wie für andern Wagenpferden
König Pharons seine Schlacht
Billich soll gelobet werden,
So muß ich auch deine Pracht,
Deinen güldnen Glantz erheben,
O mein Liecht, mein Trost und Leben.
Deine bräunlicht rote Wangen,
Welche meine machen bleich,
Stehen lieblich in den Spangen,
Sind durch grossen Zierath reich:
Und dein Halß trägt edle Steine,
Die er übertrifft am Scheine.
Nun wir wollen noch mehr Sachen
Bringen lassen dir zur Zier,
Und ein neues Halßbandt machen
Das für allen leuchte für:
Spangen sollen dir gefallen
Von den köstlichen Metallen.
Die Sulamithinn.

Weil der König und sein Leben
Sich gebrauchten ihrer Zeit,
Muste meine Narden geben
Den Geruch der Liebligkeit,
Muste Lufft und Ort erfüllen
Weil sie ihre Liebe stillen.
[258]
Könte mein Gemüth auch irren?
Mein Hertzliebster kompt mir für
Als ein Büschlein frischer Myrrhen
Zwischen meiner Brüste Zier,
Als die Trauben, welche stehen
Auff deß Flecken Engadts Höhen
Salomon.

Meine Schönste, meine Wonne
Deines gleichen lebet nicht;
Du bist aller Schönheit Sonne;
Deinen Augen, o mein Liecht,
Müssen Taubenaugen weichen,
Ihrem Glantz' ist nichts zu gleichen.
Die Sulamithinn.

Du bist schön' und außerlesen;
Unser Bette grünet wol;
Unser Cedern-Zimmerwesen
Und der Bau ist Schönheit voll;
Zu den Decken sind Cypressen;
Nichts ist an der Lust vergessen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Gedichte. Geistliche Dichtungen. Salomons hohes Lied. Das erste Lied. Das erste Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-63B7-C