[112] 3.

Der Morgen findet sie vereint
Beim kärglich schlichten Frühmahl sitzen.
Verklärt der Mutter Antlitz scheint,
Mac Dugalds Augen leuchten, blitzen,
Indem er ihr erzählt, was er
An Mühen, Nöten und Gefahren,
An Kämpfen ernst und heiß und schwer,
Bestanden in der Trennung Jahren
Und wie zuletzt sich doch zum Glück
Zum Guten alles mußte fügen!
Sie lauscht und lauscht und kann den Blick
Nicht wenden von den teuern Zügen.
Hat ihn verschönert denn ein Trank,
Gebraut am nächt'gen Zauberherde!
Sein Aug' so kühn, sein Wuchs so schlank,
So stolz und edel die Gebärde!
Als nun zu Ende sein Bericht,
Fragt er, wie es denn ihr ergangen.
Sie schüttelt leis' das Haupt und spricht:
»O trage darnach nicht Verlangen!
Wozu auch das vergang'ne Leid
Gespensterhaft heraufbeschwören,
Und dieser Stunde Seligkeit
Mit Qualerinnerungen stören?
Was war mein Jammer und mein Schmerz?
Daß du, mein Dugald, mir entrissen!
Was drang als Glutpfeil in mein Herz?
Dich, meinen einzigen Sohn zu missen!
Die Pein, die damals mich beschlich,
Wie könnte ich sie jetzt noch fassen?
Mein bist du, mein! ich halte dich
Um nimmermehr von dir zu lassen.«
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Befremdet blickt sie Dugald an.
»Wie mögt Ihr Mutter also sprechen?
Ihr wißt, ich bin des Königs Mann
Und darf ihm meinen Eid nicht brechen.
O glaubet mir! leicht wird mir's nicht,
Die Heimat neuerdings zu meiden,
Allein der strenge Ruf der Pflicht
Heißt mich schon morgen von Euch scheiden.«
Ein Donnerschlag trifft sie dies Wort,
Wild springt sie auf von ihrem Sitze.
»Du wolltest, – – wolltest wieder fort,
Du meines Alters einz'ge Stütze?
So willst du, daß verzweifelnd sich
Das Herz in meinem Busen spalte?
Und meinst du denn, ich ließe dich,
Da ich dich endlich wieder halte?«
»Wie, Mutter, wie? nicht fasse ich
Was Euern Sinn umstrickt, bethöret,
Daß Ihr so heiß und flehentlich
Unmögliches von mir begehret!
Sagt selbst! soll ich ein niedrer Wicht
Dem Dienst des Königs feig entlaufen,
Verletzen die beschworne Pflicht
Und Freiheit mir mit Schmach erkaufen?«
»Schmach nennst du es, wenn stolz und rein,
Frei wie die Luft auf seinen Bergen,
Der Sohn des Hochlands nichts gemein
Will haben mit den fremden Schergen?
Ich nenn' es Schmach dem Sassanagh,
Dem frechen Kronendieb zu dienen!
O Fluch dem unheilvollen Tag,
Wo seine Scharen hier erschienen!
[114]
Geh hin durch's Land und frage, wie
Sie hier gehaust in diesen Thälern,
Die Schlösser, Hütten zähle, die
Verwandelt sie zu Grabesmälern!
Empor zum Himmel hör' das Blut
Der Frommen schreien, der Gerechten,
Und dann, dann diene wohlgemut
Noch länger jenen Henkersknechten!
Doch nein! o nein! vergib den Hohn!
Ist's Thorheit doch, mich so zu quälen!
Ich weiß es: nimmer wird mein Sohn
Der Schande Teil für sich erwählen!
Es galt ja nur, von deinem Aug'
Die Binde falschen Wahns zu streifen,
Das that ich, und jetzt wirst du auch
Das rechte, festen Sinns, ergreifen.«
»Und wähnt Ihr denn, daß sie mich hier
Nicht baldigst suchten, baldigst fänden?«
»O freilich wohl! Doch wollen wir
Dem Dorf alsbald den Rücken wenden.
Wir wollen flieh'n zur Waldesschlucht,
Nach unserer Berge steilsten Höhen,
Von Aar und Möwe nur besucht, –
Dort wird kein Häscher dich erspähen.
Dort wirst du leben frank und frei,
Wie Wallace einst in alten Tagen,
Die Klipp' erklettern nach dem Weih,
Das flücht'ge Reh, den Damhirsch jagen.
Die Brust von frischem Mut geschwellt,
Treu deinem König, deinem Gotte,
Lebst du in deiner eig'nen Welt,
Ein freier Mann, ein echter Schotte!«
[115]
So dringt sie in ihn, bittet, fleht,
Den Sinn des Jünglings zu erweichen.
Stumm mit verschränkten Armen steht
Mac Dugald vor der Schmerzenreichen.
Bewegt sieht er ihr Angesicht
Das teu're, überströmt mit Zähren,
Doch was sie heischt, er darf es nicht,
Bei Gott! er wird es nicht gewähren.
»Nein!« ruft er endlich, »nein! und nein!
Genug habt Ihr mit Euern Bitten
Die Seele mir erfüllt mit Pein,
Mir tief genug in's Herz geschnitten.
Fahrt Ihr damit noch länger fort,
Könnt Ihr mir neue Qual bereiten,
Doch nimmermehr wird Euer Wort
Zu schnödem Treubruch mich verleiten.
Ihr wißt es, Mutter, Euer Leid
Kann ich nicht heben, ach! nur teilen.
Verpfändet hab' ich meinen Eid,
Nicht länger als drei Tag' zu weilen.«
»Und wenn du eine läng're Frist
Dich unterfingest zuzugeben?«
»So wahr ich ein Soldat und Christ,
Nichts rettete alsdann mein Leben!«
»Nichts?« fragt sie leise, und ein Licht
Flammt plötzlich auf in ihrem Blicke,
Als ob durch Nebel, schwer und dicht,
Der Sonne Strahl belebend zücke.
»Nichts?« wiederholt sie langsam und
Von ihrem Antlitz flieht das Bangen,
Wie Hoffen zuckt's um ihren Mund,
Es röten sich die bleichen Wangen.
[116]
Welch ungeahnter Himmelsstrahl
Hat tief sich in ihr Herz ergossen?
Ward aus dem Labyrinth von Qual
Ein Ausweg plötzlich ihr erschlossen?
So ist es! einen Rettungsport
Ersah ihr Auge freudetrunken!
Sie lächelt still, sie spricht kein Wort,
Und steht in Sinnen tief versunken.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Paoli, Betty. Gedichte. Lyrisches und Episches. Mac Dugald. 3. [Der Morgen findet sie vereint]. 3. [Der Morgen findet sie vereint]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-68DA-3