4.

Schon ist es Abend. Schwermutvoll
Denkt Dugald an das nahe Scheiden,
Doch mutig, wie der Mann es soll,
Verhehlt entschlossen er sein Leiden.
Er birgt sein Weh, mag's auch in's Mark,
In's tiefste, ihm des Lebens gehen.
Sieht er die Mutter doch so stark,
Die er vorerst so schwach gesehen!
Im Hause schafft sie rüstig, frisch,
Wie's ihre altgewohnte Weise.
Dann rückt zum Herde sie den Tisch
Gar wohl besetzt mit Trank und Speise.
»Sag, Dugald! weißt du denn noch, was
Der Brauch erheischt in unserm Lande?«
Und mit des Whiskys Feuernaß
Füllt seinen Becher sie zum Rande.
Und rasch, mit einem Zuge leert
Er die ihm dargebotne Schale.
Was ist's, das plötzlich ihn durchfährt?
Wie wird ihm nur mit einem Male?
Ihm ist, als hätte flüss'ge Glut
Aus jenem Becher er getrunken,
[117]
Als sprühten, statt der roten Flut,
Durch seine Adern lohe Funken.
Ein Nebelflor sein Aug' umhüllt,
Es schwinden Sinn ihm und Gedanke.
Und wieder seinen Becher füllt
Die Mutter ihm mit jenem Tranke.
Abwehrend weist er ihn zurück.
»Ich muß Euch den Bescheid versagen.«
»O trink' auf unser künft'ges Glück,
Auf Wiedersehn in bessern Tagen!«
»Gilt's dies, dann sei es, wie Ihr wollt!
Ich trink' Euch zu von ganzer Seele!«
Betäubend, überwältigend rollt
Der Feuertrank ihm durch die Kehle.
Sein Zustand wüster Traum ihm dünkt,
Ein Zittern fliegt durch seine Glieder,
Erheben will er sich und sinkt
Auf seinen Sitz bewußtlos nieder.
Das ist nicht Schlaf, der lind und sacht
Auf Ruhbedürft'ge niedergleitet!
Betäubung ist's, wie sie die Macht
Des stärksten Opiats bereitet.
Sein Antlitz bleich und unbelebt,
Von kaltem Schweiß feucht seine Locken!
Wie ängstlich seine Brust sich hebt,
Wie seine Pulse zögernd stocken! –
Zu ihres Sohnes Häupten kniet
Meg Nora nieder auf den Boden,
Sie küßt sein dunkles Augenlid,
Sie lauschet seines Mundes Odem.
Auf ihren Schoß stützt sie gelind
Sein schönes Haupt, das ohnmachtschwache,
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Und hält bei ihrem lieben Kind
Getreu und unverdrossen Wache.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Paoli, Betty. Gedichte. Lyrisches und Episches. Mac Dugald. 4. [Schon ist es Abend. Schwermutvoll]. 4. [Schon ist es Abend. Schwermutvoll]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6B4B-D