XXIV.

Als einstens ich allein am Fenster weilte,
Erschien so viel des Neuen meinen Blicken,
Daß mir von: bloßen Sehn Ermattung dräute.
Zur Rechten mir ein Wild vorüber eilte
Mit Menschenantlitz, Götter zu berücken,
Zwey Hund' ihm nach, schwarz einer, weiß der zweyte,
[89]
So ein' und andre Seite
Des edlen Wilds mit scharfem Biß zernagen,
Daß todt zur Erd' es sank nach kurzem Bangen.
Nun hält ein Stein umfangen
Die Reize all', so herbem Tod' erlagen;
Sein hartes Loos muß seufzend ich beklagen.
Danach sah' ich ein Schiff auf hohen Fluthen
Mit Segeln eitel Gold, mit seidnen Tauen,
Gezimmert ganz von Elfenbein und Eben.
Die Lüfte wehten sanft, die Wellen ruhten,
Am Himmel rings war kein Gewölk zu schauen.
Mit guter, reicher Ladung sah' ich's schweben.
Doch plötzlich ach! erheben
Sich Ostens Stürm', es brausen Luft und Wogen,
An eine Klippe sah' das Schiff ich schlagen.
O Herzleid, schwer zu tragen!
Ein Nu hatt' ihn zur Tief hinabgezogen,
Den Reichthum all', den keiner überwogen.
In einem Wäldchen schwankten hin und wieder
Geschlanken Lorbeers heil'ge Zweig' in Blüthen,
Der wie ein Baum aus Eden mich entzückte;
Aus seinem Schatten kamen süße Lieder,
Und so viel andre Lust sah' ich ihn biethen,
Daß völlig er der Erde mich entrückte.
Doch wie ich nach ihm blickte,
Sah' ich des Himmels Antlitz rings entzunden;
Ein Blitz – und von der Wurzel bis zum Kranze
Sank die beglückte Pflanze
Zerschmettert hin. Drum kann ich nicht gesunden,
Weil solcher Schatten ewig mir entschwunden.
[90]
In selbem Busch floß eine klare Quelle
Aus einem Felsen, deren süße Fluthen
Mit lieblichem Gemurmel vorwärts drangen;
An still versteckter, dunkler Schattenstelle
Nicht Ackersmann noch Hirten jemahls ruhten,
Nur Nymphen da und Musen friedlich sangen.
Da saß ich, still, befangen
In dem, was da zu hören und zu sehen,
Doch plötzlich sah' ich eine Höhle klaffen
Und mit sich abwärts raffen
So Quell als Ort. Drum will mein Herz in Wehen,
Und beym Gedanken schon in Schmerz vergehen.
Ein Phönix drauf, deß Flügel beyd' – o Neues! –
In Purpur, dessen Haupt in Golde prangte,
Als einsam er und stolz zu mir sich kehret',
Meynt' ich, ein hehr, unsterblich Wesen sey es,
Bis zum geborstnen Lorbeer er gelangte
Und jener Quelle, die der Schlund verzehret. –
Doch nichts auf Erden währet;
Denn, wie er die zerstreuten Zweig' erkannte,
Den Stamm zersplittert, trocknen Grund im Borne,
Verschwand er, als im Zorne
Gleichsam er gegen sich den Schnabel wandte.
Von Lieb' und Mitleid mir das Herz entbrannte.
Durch Wiesen ging zuletzt und Blumenauen
So zartes Mägdlein sinnend auf und nieder,
Daß sein ich denke nur mit Gluth und Beben,
Für Amor stolz, voll Demuth sonst zu schauen;
Ein weißes Kleid umwallte ihre Glieder,
Wo Schnee und Gold sich schienen zu durchweben
Nur bargen, rings umgeben
[91]
Von dunklem Nebel, sich die obern Theile.
Drauf sank von einer Schlang' am Fuß gestochen
Die Blume hin, gebrochen;
Da schied in sichrer sie und froher Eile.
Weh, nur die Klage hat auf Erden Weile!
Canzone, kannst wohl sagen:
Die sechs Gesichte haben mit Verlangen
Nach süßem Tode meinen Herrn befangen.

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TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 24. [Als einstens ich allein am Fenster weilte]. 24. [Als einstens ich allein am Fenster weilte]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6CFC-8