[36] VII.

Weh mir, der ich nicht weiß, wohin sich wenden,
Die Hoffnung soll, die oft mich schon bethöret!
Denn, wenn nicht ist, der mich in Mitleid höret,
Warum des Flehns so viel gen Himmel senden?
Doch trüg' sich's zu, daß mir vergönnt, zu enden,
Vor meinem letzten Tage
Diese armsel'ge Klage,
So möge mir mein Herr Verzeihung spenden,
Sprech' ich bey Gras und Blüthen mitten inne:
»Wohl recht und fein ist Sang von süßer Minne!«
Ja recht ist, daß zuweilen sich mein Schweigen
Auflös' in Sang, da ich so lang gestöhnet,
Und nimmer früh genug mein Lied ertönet,
Um solches Weh durch Scherzen auszugleichen.
Könnt' ihrem Aug' ich nur, dem Unschuldreichen,
Durch süßer Rede Minnen
Erheiterung gewinnen,
O! Keiner sollt' an Glück sich mir vergleichen,
Zumahl könnt' ohne Lug ich also sagen:
»Madonna bittet, darum will ich's wagen!«
Die ihr, o heiße Wünsch', in Wahnes Schlinge
Mich führet, daß so Hohes ich beschlossen,
Seht, wie Madonna's Herz von Erz umgossen,
Daß ich mit eigner Kraft es nicht durchdringe.
Wohl achtet es die Stolze zu geringe,
Daß sie mein Flehn erfülle,
Weil es nicht Gottes Wille,
Mit dem ich länger nicht vergebens ringe.
[37]
Darum, wie ich im Herzen mich verhärte,
»So herrsch' in meinem Wort' auch rauhe Härte.«
Was red' ich? wohin hab' ich mich verloren?
Wer täuscht mich, als ich selbst und groß Verlangen?
Des Himmels Kreise hab' ich all' durchgangen;
Zum Leiden hat mich kein Planet erkoren.
Wenn Erdenschleyer meinen Blick umfloren,
Nicht thun's der Sterne Ringe,
Noch andre schöne Dinge.
Mir folget Tag und Nacht, was sich verschworen
Zu meinem Weh, seit mir die Ruhe stahlen
»Ihr holdes Bild, des Auges milde Strahlen.«
Ein jeglich Ding – was auch den Weltkreis schmücke –
Ist gut aus seines Meisters Hand geflossen;
Doch mich, dem sich das innre Seyn verschlossen,
Mich blendet, was ich Schönes rings erblicke,
Und kehr' ich je zum wahren Glanz zurücke,
Nicht kann das Aug' ihn dulden,
So haben's eigne Schulden
Der Kraft beraubt, nicht jenes Tages Glücke,
Da ich zu ihr die Augen aufgeschlagen
»In meines ersten Alters süßen Tagen.«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 7. [Weh mir, der ich nicht weiß, wohin sich wenden]. 7. [Weh mir, der ich nicht weiß, wohin sich wenden]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6D03-E