XXVIII.

Den alten Herrn, mir lieb so als zuwider,
Ließ ich entladen zu der Kön'ginn Sitze,
Die, thronend auf der Spitze,
Das Göttlichste und uns're höchste Tugend.
Wie Gold geläutert in des Feuers Hitze
Stell' ich mich dar; tief beugt der Schmerz mich nieder,
Angst bebt durch meine Glieder,
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Bleich, wie in Todesfurcht, Rechtgründe suchend
Beginn' ich so: »Herrinn, in meiner Jugend
Setzt ich den Fuß in seines Reichs Umgittrung;
Drum nichts als Zorn, Erbittrung
Ward mir zu Theil, mit viel und manchen Qualen
Mußt' ich den Wahn bezahlen,
Bis die Geduld zuletzt mich ganz verlassen,
Und ich begann, das Leben selbst zu hassen.
So ging die Zeit mir hin in Flamm' und Plagen.
Wie viel ehrbare Weg' hab' ich vermieden,
Wie viel der Fest' hienieden,
Nur daß dem bösen Schmeichler ich gefalle!
Und wem ward je so schnelles Wort beschieden,
Um all' mein Weh' mit Wenigem zu sagen,
Und die gerechten Klagen
Und bittern ob den Undankbaren alle
Nicht Honig viel, mehr Aloe und Galle!
Wie lernt' ich mich durch ihn am Bittern laben
Bey falscher Süße Gaben,
Die mich zum Kreis der Liebe hingezogen! –
Wo, wenn mich nichts betrogen,
Ich hoch mich ob der Erde wollt' erheben,
Da hat er Krieg statt Frieden mir gegeben.
Er ließ an Gott mich minder liebend hangen,
Als recht, und minder mich mir selber leben;
In Wind hab' ich gegeben
Mein Denken all' im Dienste einer Frauen.
Darin war er nur Rather meinem Leben,
Und schärft' auf hartem Stein mein jung Verlangen,
Wovon Rast zu empfangen
Ich hofft' im Joch, dem grausamen und rauhen.
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Weh, wozu hab' der Einsicht helles Schauen
Und Gaben mehr vom Himmel ich geerbet,
Da sich das Haar mir färbet,
Und nichts den starren Sinn kann umgestalten!
So nahm das freye Walten
Der Grausame mir ganz, den ich verklage,
Durch den ich Leid gleich süßer Lust ertrage.
Durch öde Lande zwang er mich zu schreiten,
Ließ Wild mich sehn und Räuber, Dornensträuche,
Hart Volk, harte Gebräuche,
Und was für Irrsal Wandrer sonst umziehe,
Thal, Sumpf und Meer und Strom und Bergessteige,
Viel tausend Schlingen rings nach allen Seiten,
Winter in Sommerszeiten,
Viel gegenwärt'ge Fahr und viel der Mühe.
Nicht Er, noch meine Feindinn, die ich fliehe,
Ließen allein mich wenige Secunden.
Drum, wenn mich nicht gefunden
Zu früh der herbe Tod auf meinem Pfade,
So ist's des Himmels Gnade,
Dieses Tyrannen nicht, der sich an Leiden
Und meinem Ungemach gedenkt zu weiden.
Seit Er mein Herr, hab' ich nicht Ruhe funden,
Und werd' es nie. Der Schlaf flieht meine Nächte,
Kein Zauberwort vermöchte,
Kein Kraut, ihn an mein Lager fest zu binden.
Durch Listen und Gewalt ward ihm zum Knechte
Mein Geist. Kein Glöcklein meldet rings die Stunden,
Wo ich mich auch befunden,
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Ich hört' es doch. Er selbst muß wahr es finden.
Denn nie so nagt ein Wurm in morsche Rinden,
Wie der sich in mein Herz, wo er verstecket
Es mit dem Tode schrecket.
Daraus entstehen Thränen nun und Plagen,
Viel Seufzer und viel Klagen,
Die mich und wohl auch Andere beschweren.
Du kennst uns nun; laß deinen Spruch uns hören!« –
Mein Feind sprach schmähend drauf, als ich geschwiegen:
»O Donna, höre nicht den Undankbaren,
Der sich entfernt vom Wahren,
Wie dir's der andre Theil nun will entfalten.
Der Kunst ergab er sich in frühen Jahren,
Die Handel treibt mit Worten, ja mit Lügen,
Und will auch jetzt betrügen.
Der Schmach entrückt zu meinen Lustgestalten,
Verklagt er mich, der ich ihn rein erhalten
Von der Begier, die eignes Weh' erjaget,
Worüber er nun klaget
Im süßen Leben, das er Schmach geheißen.
War je sein Ruhm zu preisen,
Bin ich's der seinen Geist erhob nach oben,
Wohin er ohne mich sich nie erhoben.
Er weiß, daß ich Achill und den Atriden
Und Hannibal, der weh' that euren Landen,
Und Einen, der bestanden
Das Rühmlichste durch Glück und Selbstvertrauen,
Wie einem jeden seine Stern' es sandten,
In nied'rer Mägde Liebe gab hienieden,
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Und diesem nur beschieden
Eine von tausend auserlesnen Frauen,
Wie sie nicht wieder unterm Mond zu schauen,
Wenn auch zurück nach Rom Lucretia kehrte.
So süße Rede lehrte
Ich sie, gab ihr so liebliche Gesänge,
Daß nimmer in der Länge
Vor ihr ein niedres Seyn möchte genesen.
Das sind nun meine Listen all' gewesen.
Das war denn die Erbitt'rung voll der Gallen,
Süßer als Alles, was die Andern bringen!
So böse Frücht' entspringen
Aus guter Saat im Dienst bey Undankbaren!
Ich trug empor ihn unter meinen Schwingen,
Daß Herr'n und Frauen seine Art gefallen,
Und ließ so hoch vor Allen
Ihn steigen, daß sein Nahm' in lichten Scharen
Erglänzt' und, seine Sprüche zu bewahren,
An manchem Ort sich fanden will'ge Sammler.
Der jetzt ein heis'rer Stammler
Vielleicht an Höfen wär', ein Mann der Menge,
Dem ward die Welt zu enge
Durch das, was er bey mir nur konnt' erlernen,
Oder bey ihr, die einzig unter Sternen.
Und um den größten Dienst nicht zu verschweigen,
Vom niedern Sinn hab' ich ihn fern gehalten,
Daß nie ein schlechtes Walten
Ihm ein'gen Beyfall mochte abgewinnen;
Ein schamhaft – reiner Jüngling im Verhalten
Und Denken, seit er der sich gab zu eigen,
Die tiefer Spuren Zeichen,
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Daß er ihr glich, eindrückte seinen Sinnen.
Was Vornehm-Adliges ihm wohnet innen,
Hat er von ihr und dem verschmähten Meister,
Doch nächt'ge Lügengeister
Sind nicht so voll des Wahns, wie er erscheinet,
Der, seit wir ihm vereinet,
Bey Gott und Welt zu Gnaden aufgenommen.
Deß klagt der Stolze nun von Reu umklommen.
Auch – und vor Allem – durch des Himmels Weiten
Empor zu fliegen gab ich ihm die Schwingen
In den erschaffnen Dingen,
Die den, der sie erkennt, zum Schöpfer heben.
Denn als gefesselt seine Augen hingen
An jener seiner Hoffnung Trefflichkeiten,
Konnt' er durch Aehnlichkeiten
Der Dinge hehren Urquell leicht erstreben;
Auch hat er's oft in Versen kund gegeben.
Nun hat er aus dem Sinne mich verloren
Mit ihr, die ich erkoren
Zur Stütz' und Säule ihm.« – Da unterbreche
Ich jammernd ihn und spreche:
»Wohl wahr; doch nahm er bald, was er bescheerte.« –
Drauf Er: »Ein Andrer that's, der sie begehrte.« –
Beyde zuletzt, ich stammelnd, Er mit hohem
Und rauhem Wort, zum Thron des Rechts gewendet,
Ein jeder also endet:
»Gib, Donna, uns dein Urtheil nun zur Stunde!« –
Mit Lächeln auf dem Munde
[105]
Sie darf: »Ich hab' euch angehört mit Freuden;
Doch braucht's mehr Zeit, so Großes zu entscheiden.«

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TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 28. [Den alten Herrn, mir lieb so als zuwider]. 28. [Den alten Herrn, mir lieb so als zuwider]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6D92-A