XX.
Mein Leben, hofft' ich, würde mir vergehen,
Wie ich zurückgelegt die frühern Jahre,
Ohn' andre Wissenschaft mir zu erkiesen.
Nun, da Madonna's Hülf' ich nicht gewahre,
Die langgewohnte, kannst du, Amor, sehen,
Wie du zu meiner Schmach mich unterwiesen.
Weiß nicht, soll's mich verdrießen,
Daß du in solchem Alter mich getrieben,
Räuber zu seyn der lieben
Lichter, ohn' die ich nicht so schmerzlich litte.
Hätt' ich doch jung der Sitte
Gehuldigt, der ich jetzt mich muß bequemen,
Da Jugendfehler weniger beschämen.
Der süße Blick, von dem ich Leben habe,
Er lächelte in seiner Anmuth Fülle
So hold mir im Beginn der schönen Tage,
Daß, wie ein Mensch, dem in geheimer Stille
[75]Von außen Hülf' erscheint bey karger Habe,
Ich weder ihm noch Andern war zur Plage.
Jetzt, wie ich drob auch klage,
Wird unbescheiden, heftig mein Bezeigen,
Dem Armen zu vergleichen,
Der, was im Glück an Andern er geschmähet,
Wohl selber oft begehet. –
Verschloß Unwille mir die Hand der Gnaden,
Muß Ohnmacht, Liebesdurst der Schuld entladen.
Versucht hab' ich's auf mehr denn tausend Wegen,
Ob außer ihm was Irdisches hienieden
Nur einen Tag mich an das Leben bände.
Die Seele, die sonst nirgend findet Frieden,
Schweift jenen Himmelsflammen nur entgegen;
Und ich, von Wachs, zum Feuer hin mich wende
Und rings die Blicke sende,
Wo mein Vergnügen unbewacht sich zeige.
Wie Vöglein auf dem Zweige,
Wo nichts er fürchtet, schneller wird gefangen,
So von den schönen Wangen
Stehl' ich jetzt einen Blick, jetzt einen zweyten,
Die beydes Nahrung mir und Gluth bereiten.
Vom Tode nähr' ich mich und leb' in Flammen,
Ein Salamander, – wunderbare Speise! –
Doch staunet nicht; es mußte so geschehen.
Ein glücklich Lamm in banger Heerden Kreise
Lag kurze Zeit ich; aber jetzt verdammen
Mich Lieb' und Schicksal, in den Tod zu gehen.
So treibt des Frühlings Wehen
Viol' und Ros', der Winter Eis und Flocken.
Drum wenn ich karge Brocken
[76]Für' s kurze Leben mir zusammenklaube,
Und spricht sie, daß ich's raube,
So sollte sie, die Reich', es wohl vergeben,
Da sie's nicht fühlt, wie Andre von ihr leben.
Ihr wißt, wovon ich Leben nur gewinne,
Seit ich zuerst das schöne Aug' ersahe,
Das Herz und Sinn mir auf der Stelle wandte.
Durchspähet Meer und Erde, fern und nahe,
Ihr kennt sie nimmer all' der Menschen Sinne.
Der nährt vom Duft sich an des Ganges Strande,
Mit Licht ernähr' und Brande
Ich meine hungrigen und matten Geister.
Amor, nicht ziemt's dem Meister,
Daß du so lang das Bess're mir entzogen.
Du hast ja Pfeil und Bogen;
Laß mich durch deine Hand den Tod erwerben;
Das ganze Leben ehrt ein schönes Sterben.
Mehr glühet Feuer in verschloss'ner Kammer,
Und wächst die Flamme, kann sie nichts mehr halten.
Aus deinen Händen, Amor, kam die Lehre.
Du sahest meiner Gluthen stilles Walten.
Mir selber ist zuwider nun mein Jammer,
Mit dem ich Nah' und Ferne gleich beschwere.
O Welt! o Wahnes Leere!
O Schicksal du! wohin wollt ihr mich ziehen?
Ihr Augen, deren Glühen
Zu fester Hoffnung mir das Herz entzündet,
Mit der es drückt und bindet
Sie, die durch euch zum Tode mich geleitet!
Die Schuld ist euer, mir die Noth bereitet!
[77]
So schöpf' ich Schmerzen nur aus Lieb' und Treue,
Und fleh', daß Andern sey die Schuld verziehen,
Vielmehr noch mir, da ich mein Aug' erschlossen
Dem hellen Strahl, Sirenenmelodieen
Mein Ohr ich lieh. Doch fühl' ich keine Reue,
Daß süßes Gift sich mir durch's Herz ergossen;
Nur harr' ich, bis verschossen
Den letzten Pfeil, der mir den ersten sandte.
Ja, wenn ich's recht erkannte,
Ists ein Geschenk der Gnade, bald zu enden,
Da Bess'res mir zu spenden,
Als er gewohnt, er keineswegs gesonnen.
Schön stirbt, der sterbend seinem Leid entronnen.
Canzone, von der Stelle
Nicht wank' ich; Flucht und feiger Tod entadeln;
Ja selbst muß ich mich tadeln,
Ob solcher Trauerweis', so freundlich munden
Mir Thränen, Schmerz und Wunden.
Sclaven der Liebe! all' der Erde Reiche
Haben kein Gut, das meinem Wehe gleiche.