VIII.

Es eilen unsre Tage,
Und bangend mißt der Geist des Werkes Schwere;
Drum kann ich jenen nicht, nicht diesem trauen.
Doch, wo ich es begehre,
Da wird verstanden, hoff' ich, meine Klage,
[38]
Die lautlos ruft durch Berge und durch Auen.
Euch, wo ein Nest sich Amor pflegt zu bauen,
Euch, süße Augen, will mein Griffel preisen;
An sich nur träg spornen ihn große Wonnen.
Und wer von euch begonnen,
Den wollt ihr in der Kunst auch unterweisen,
Von Lieb' emporgetragen,
Sich des Gemeinen Banden zu entreißen.
Von ihr beflügelt will ich Dinge sagen,
Die lang' im Herzen mir verborgen lagen.
Zwar hab' ich nicht vergessen,
Wie mein verkleinernd Lob euch widerstrebet;
Doch unterlieg' ich der Begierd' im Streiten,
Die mir im Herzen lebet,
Seit ich gesehn, was kein Gedank' ermessen,
Geschweige, daß es Sprache könnte deuten,
Quell meines Seyns voll Schuld und Süßigkeiten!
Wohl weiß ich, daß nur ihr mich ganz ergründet.
Werd' ich zu Schnee in eurer Strahlen Brande,
Vielleicht, daß meine Schande
In euch dann einen edeln Zorn entbindet.
Ach! ging in solchen Leiden
Vorüber nicht die Gluth, so mich entzündet,
Stürb' ich wohl gern; denn lieber will ich scheiden
In ihrer Näh', als leben und sie meiden.
Und steh' ich unvernichtet
So schwaches Wesen an so mächt'gen Flammen,
So ist, was mich erlöst, nicht eigne Schwäche;
Die Furcht nur hält zusammen,
Die mir das wilde Blut zu Eis verdichtet,
Mein Herz, damit es um so länger breche.
[39]
O Hügel, Thäler, Wälder, Fluren, Bäche,
Die Zeugen meines Jammers ihr gewesen,
Wie oft habt ihr den Tod mich rufen sehen!
Ach, Schicksal voll der Wehen!
Verweilen schmerzt und Flucht kann nicht erlösen.
Doch zügelte nicht grade
Mich größre Furcht, wollt' ich wohl bald genesen,
Von meinem herben Leid auf kürzerm Pfade;
Sie trüg' die Schuld, die sonder Lieb' und Gnade.
Warum führt ihr, o Schmerzen,
Vom Weg mich ab, was ich nicht will, zu sagen?
Laßt mich, wohin sich meine Wünsche neigen!
Nicht will ich mehr euch klagen,
Ihr Augen mild, ihr lichten Himmelskerzen,
Noch ihm, dem solches Netz mich gab zu eigen.
Ihr seht, wie Amor ach! der Liebe Zeichen
Vielfarbig oft mir mahlt auf meine Wangen,
Und könnt errathen, wie er innen schaltet,
Wo Tag und Nacht er waltet,
Mit jener Kraft, die in euch aufgegangen,
Euch frohen, sel'gen Sternen,
Noch sel'ger, sähet ihr das eigne Prangen.
Doch kehrt ihr euch zu mir aus euren Fernen,
Könnt, was ihr seyd, an Anderen ihr lernen.
Vermöchtet ihr, der hehren,
Göttlichen Schönheit Kund' euch zu erwerben
Wie einer, dem ihr Anblick ward geschenket,
Es müßt' in Lust ersterben
Das Herz; vielleicht muß solches drum entbehren
Die Kraft, die eure Wimpern hebt und senket.
O selig der, der eurer seufzend denket,
[40]
Ihr Himmelsstern', um die mit Lust ich trage
Mein Leben, das um nichts mich sonst erfreuet!
Warum so karg verleihet
Ihr das, wovon ich nimmer g'nug erjage?
Mich peinigt Amors Tücke;
Warum nicht öfter seht ihr, wie ich zage?
Und freu' ich mich einmahl in seltnem Glücke,
Warum doch raubt ihr mir's im Augenblicke?
Wohl darf ich's nicht verschweigen,
Oft läßt mich eure Huld im tiefen Herzen
Ein neues, ungewohntes Glück empfinden.
Dann fliehen alle Schmerzen,
Die peinlich lastend mich daniederbeugen,
Daß einer nur von Tausenden zu finden.
Das nur, sonst nichts, kann mich an's Leben binden.
Und ach! wenn solches Glück nur dauernd wäre,
Kein Zustand möchte sich mit meinem messen!
Doch könnte mich vermessen
Und Andre neidisch machen solche Ehre;
Drum muß es ach! geschehen,
Daß jede letzte Freud' in Schmerz sich kehre:
Des Herzens Flammen müssen all verwehen;
Ich kehre um und lerne in mich gehen.
So hüllenlos und offen
Zeigt sich in euch verborgner Liebe Stärke,
Daß aus dem Herz all' andre Lust sie ziehet.
Drum zeug' ich Wort' und Werke
So trefflich dann, daß mir vergönnt, zu hoffen,
Nicht werd' ich sterben, wenn der Leib verblühet.
Erscheinet ihr, Kummer und Angst entfliehet,
Und geht ihr, muß auf's Neu das Herz erkranken.
[41]
Weil aber das Gedächtniß liebernähret
Den Ausgang ihnen wehret,
Dringen sie nicht aus letzter Theile Schranken.
Drum, reift an meinen Zweigen
Gesunde Frucht; der Sam' ist euch zu danken.
Ich selbst muß mich wie eine Oed' erzeigen;
Ihr baut sie und der Preis ist euer eigen. –
Nicht sänftigst du, Canzone; du entflammest,
Was mich mir selbst entwendet, zu verkünden,
Drum' glaub' es mir, du wirst Genossen finden.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 8. [Es eilen unsre Tage]. 8. [Es eilen unsre Tage]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6E60-1