[162] Der Fächer

Die Schaam, der Tugend Jungemagd,
Mit der beredten Rosenstirne
Ward jüngst von einer eiteln Dirne
Aus ihrem Putzgemach gejagt.
Sie floh mit ungewissem Schritte
Nach irgend einer Schäferhütte:
Es war ein heißer Sommertag.
Nachdem sie baß geschwitzet hatte,
Fand sie auf einer bunten Matte
Den Amor, der im Schatten lag
Und froh mit einem Fächer spielte.
Sie war erschöpft. Der lose Fant,
Nicht stets ihr Freund, doch stets galant,
Trat lächelnd zu ihr hin und kühlte
Mit seinem Schirm ihr Angesicht.
Sonst floh sie ihn, jetzt floh sie nicht
Und duldete mit holden Mienen
Den Liebesdienst: O! schenke mir
Den Schirm, sprach sie, was nüzt er dir?
Uns Mädchen kann er besser dienen,
Wenn uns der Jüngling Worte sagt
Und Blicke giebt und Bitten wagt,
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Vor denen wir erröthen müssen.
Da nimm ihn hin, mein schönes Kind,
Versetzt der Schalk, wir beyde wissen
Wie groß des Fächers Dienste sind.
Doch etwas muß ich dir entdecken,
Das du nicht ahnest: dann und wann
Hilft er auch ein Gesicht verstecken,
Das gar nicht mehr erröthen kann.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Erster Teil. Viertes Buch. Der Fächer. Der Fächer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-710D-C