[143] Der Kater

Ein Kater, welcher sich den Ruhm des Weisen
Bey seinem Volk erwarb, fiel in Melancholie
Und sah durchs Mikroskop der düstern Phantasie,
Wo er nur gieng und stand ein Heer von Fledermäusen.
Umsonst bemühte sich der Freunde treues Chor,
Von Aerzten unterstützt, den Irrwahn zu besiegen,
Er sah die Thiere nach wie vor
Um seinen Kopf, wie Jesuiten, fliegen:
Oft schoß er als ein Pfeil auf die verwünschte Brut
Und haschte nichts; allein statt sie zu dämpfen
Vermehrte das nur seine Wuth.
Oft schloß er, matt von den erhitzten Kämpfen,
Die Augen zu. Vergebens schloß er sie:
Auch dann noch sah er Fledermäuse.
So trieb ers lang. Einst jagt ihn die Manie
In eines Kirchthurms Uhrgehäuse;
Hier fieng er wirklich eine Fledermaus.
Da sieht mans, rief nun Murner aus,
Die Narren wollten mir die Wahrheit disputieren,
Nun kann ich sie handgreiflich überführen.

Notizen
Entstanden 1788.
Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Der Kater. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-72BE-5