[166] An einen deutschen Fürsten

(28. November 1831.)


O Fürst, aus einem Stamm von Weisen,
Den alle mild und edel preisen
Vereint und laut:
Ist mir's vergönnt, ein Wort zu wagen,
Obwohl ich dich in meinen Tagen
Von Angesichte nie geschaut?
Zwar werd ich deine Gunst verlieren,
Wofern sie je, dies Haupt zu zieren,
Mir ward zuteil:
Du neigtest einst dich meinen Scherzen,
Ich bringe jetzt ein Lied der Schmerzen,
Doch such ich nicht mein eigen Heil.
Ich flehe für das Volk der Leiden,
Das aus der Heimat auszuscheiden
Gedrängt die Zeit;
Ich flehe für umsonst Ermannte,
Für flüchtige Helden und verbannte
Um einen Funken Menschlichkeit.
Sie sein der Rache nicht verfallen!
Schon ist das Herz im Busen Allen
Genug beschwert,
Ums Vaterland genug bekümmert:
Vom Henker werde nicht zertrümmert
Ihr edles und berühmtes Schwert!
Wie auch des Gegners Groll sich steigert,
Werd ihnen kein Asyl verweigert,
Kein Trost im Schmerz!
Und wo ein Gast sich eingefunden,
Beträufle Balsam seine Wunden,
So lange schlägt ein deutsches Herz!
Und könnten Fürsten dies verneinen,
So möcht ein Phalaris erscheinen,
Von Scham entblößt,
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Der die, die seinen Schutz erküren,
Die seine Hölle helfen schüren,
In ihren eignen Ofen stößt!
Wie mancher wähnt den Feind zersplittert,
Indes die Nemesis umwittert
Des Siegers Zelt.
Triumphe sind wie Niederlagen,
Wenn ihre Frucht besteht in Klagen,
Im grenzenlosen Haß der Welt.
Und sei's, und soll die Welt es Glauben,
Der Mächtige darf sich kühn erlauben
Jedwede Tat:
Er wetze hunderttausend Klingen
Und lasse sein Tedeum singen
Vom Volke, das er niedertrat!
Nur borg er nicht den Schein des Rechtes,
Er flehe nicht zu Gott für Schlechtes
Um Schutz und Wehr;
Er trage frei das offne Laster,
Und seine Stirn von Alabaster
Beflecke keine Röte mehr!
Nur rühm er nicht sich und erdichte
Ein göttlich Recht! Es ruft Geschichte
Ihr lautes Nein.
Wie manche, deren Gräber sprechen,
Erlangten Kronen durch Verbrechen!
Kann ein Verbrechen göttlich sein?
Manch Reich entstand durch Schwert und Flamme,
Es ist von manchem hohen Stamme
Die Wurzel faul.
Und seit es Könige hat gegeben,
So rief sie nur das Volk ins Leben
Seit jenem ersten König Saul!
Nur um des Volkes Wunsch zu stillen,
Hat ihn gesalbt mit Widerwillen
Des Herrn Prophet.
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Oh, möchten Fürsten stets empfinden,
Daß Erdentage schnell verschwinden
Und nur des Namens Ruhm besteht!

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TextGrid Repository (2012). Platen, August von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1834). Polenlieder. An einen deutschen Fürsten. An einen deutschen Fürsten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-777A-4