Christnacht
1819.
Der Engel der Verkündigung
Seraphim'sche Heere,
Schwingt das Goldgefieder
Gott dem Herrn zur Ehre,
Schwebt vom Himmelsthrone
Durchs Gewölk hernieder,
Süße Wiegenlieder
Singt dem Menschensohne!
Ein Hirte
Was seh ich? Umgaukelt mich Schwindel und Traum?
Ein leuchtender Saum
Durchwebt den azurenen, ewigen Raum,
Es schreitet die Sterne des Himmels entlang,
Mit leisem Gesang,
Der seligen Scharen musikischer Gang.
Chor der Hirten
Die Engel schweben singend
Und spielend durch die Lüfte,
Und spenden süße Düfte,
Die Liljenstäbe schwingend.
Chor der Seraphim
Wohlauf, ihr Hirtenknaben,
Es gilt dem Herrn zu dienen,
[120]Es ist ein Stern erschienen,
Ob aller Welt erhaben.
Chor der Hirten
Wie aus des Himmels Toren
Sie tief herab sich neigen!
Chor der Seraphim
Laßt Eigentriebe schweigen,
Die Liebe ward geboren!
Der Engel der Verkündigung
Fromme Glut entfache
Jedes Herz gelind,
Eilt nach jenem Dache,
Betet an das Kind!
Jener heißerflehte
Hort der Menschen lebt,
Der euch im Gebete
Lange vorgeschwebt.
Traun! Die Macht des Bösen
Sinkt nun fort und fort,
Jener wird erlösen
Durch das Eine Wort.
Chor der Hirten
Preis dem Geborenen
Bringen wir dar,
Preis der erkorenen
Gläubigen Schar.
Engel mit Liljen
Stehn im Azur,
Fromme Vigilien
Singt die Natur:
[121]
Der den kristallenen
Himmel vergaß,
Bringt zu Gefallenen
Ewiges Maß!
Der Engel der Verkündigung
Schon les ich in den Weiten
Des künft'gen Tages bang,
Ich höre Völker schreiten,
Sie atmen Untergang.
Es naht der müden Erde
Ein frischer Morgen sich,
Auf dieses Kindes »Werde«
Erblüht sie jugendlich.
Chor der Seraphim
Vergeßt der Schmerzen jeden,
Vergeßt den tiefen Fall,
Und lebt mit uns im Eden,
Und lebt mit uns im All!