II.

Ein andermal war auch ein Vater, der hatte gleichfalls drei Söhne, davon waren wieder zwei klug, der dritte aber war fromm und einfältig. Der Vater aber gab ihm eines Tages einen Sack zu tragen und schickte ihn in die weite Welt. Der Dumme ging traurig und kam in einen großen Wald. Da verlief er sich und setzte sich unter einen Baum und fing bitterlich zu weinen an. Auf einmal kam ein graues Männchen und fragte ihn: Was weinst du denn? Ach, sagte er, mein Vater hat mich in die Welt geschickt, und ich habe mich verlaufen und weiß nicht wohin und kann mich nicht zurechtfinden. Da führte ihn das graue Männchen aus dem Walde und gab ihm einen goldenen Schlüssel und sagte: Hebe ihn auf, und wenn du in Noth bist, wirst du ein Loch finden, wo du ihn hineinstecken kannst. Der Dumme bedankte sich und ging weiter, und er kam an den Hof eines Königs, da vermiethete er sich als Küchenjunge und blieb daselbst. Und der König hatte eine schöne Tochter, die hatte viele Freier. Sie war aber sehr stolz und wollte keinen von ihnen Allen. Da ließ der König einen Glasberg bauen, [104] hoch und steil und ganz glatt, und setzte die Prinzessin oben darauf, und ließ bekannt machen, wer auf den Berg hinaufreiten und seiner Tochter einen Kranz vom Kopfe nehmen könnte, der sollte sein Reich haben und seine Tochter zur Frau bekommen. Da kamen am bestimmten Tage viele Prinzen und vornehme Herren, und wollten auf den Berg reiten und die schöne Prinzessin heirathen. Wie sie aber hinauf reiten wollten, fielen sie Alle herunter, weil der Berg sehr glatt war, zerschlugen sich Arme und Beine und Viele blieben todt liegen. Da wollte Niemand mehr reiten, und die Prinzessin wartete bis zum Abend. Der Einfältige aber hatte sich sterblich in die schöne Prinzessin verliebt, ging traurig auf dem Felde spazieren und dachte: Hätte ich doch ein Pferd und schöne Kleider, ich wollte wol auf den Glasberg reiten! Da stieß er mit einem mal mit dem Fuß auf etwas Festes und es klang hohl, und wie er hinsah, war auf der Erde eine eiserne Thür und ein Schlüsselloch. Da zog er seinen goldenen Schlüssel, den ihm das Männchen gegeben hatte, aus der Tasche, und wie er ihn hineingesteckt hatte, sprang die Thür auf und er sah eine Treppe, da stieg er tief hinab und kam in eine Kammer, da hingen die schönsten Kleider an den Wänden mit Gold und Silber und Edelsteinen, und er ging weiter in die zweite Kammer, da sah er große Haufen von Goldstücken, und Silber und kostbare Steine auf der Erde liegen, und in der dritten Reihe standen eine Menge Pferde, und das schlechteste war schöner als die in des Königs Marstall. Da zog sich der Dumme ein schönes Kleid an, das war von Silber, steckte sich aber die Taschen voll silberner Thalerstücke, und nahm ein weißes Pferd und ritt heraus und schloß die Thür wieder zu, und da rief's: Komm noch zweimal wieder! Und er ritt an den Glasberg und Niemand kannte ihn, und Alle fragten: Wer ist der fremde Prinz? Und dem Trompeter, der vor [105] dem Glasberge stand, gab er die ganze Hand voll Thaler, und wie er an den Berg kam, gab er seinem Pferde die Sporen, und heida flog's auf den Berg, und er nahm der Prinzessin den Kranz von dem Kopfe und sprengte auf der andern Seite hinunter und über die Leute weg und war verschwunden, und ritt zu der Thür hin, und zog die schönen Kleider aus und die seinen an, und ging an den Hof zurück in die Küche, und der König wartete und kein Prinz kam. Da ließ er bekannt machen, wer den Kranz hätte, der sollte sich melden. Als am andern Tage der König und die Prinzessin sich zu Tische setzten, da trug der Dumme als Küchenjunge die Suppe auf, und er warf in die Schüssel den Kranz, und wie der König eingießen wollte, stieß er auf Etwas und zog den Kranz heraus; da wurde er böse, und ließ untersuchen, wer den Kranz hineingelegt hätte, aber sie erriethen nicht, daß der Küchenjunge es gethan hatte. Und weil sich Niemand fand, der den Kranz in die Suppe geworfen hatte, ließ der König zum zweiten male bekannt machen, wer auf den Glasberg reiten und seiner Tochter den Ring vom Finger ziehen könne, der sollte König werden und seine Tochter zur Frau haben. Als der Dumme das hörte, ging er wieder auf das Feld hinaus, und bald stieß er wieder mit dem Fuße auf die eiserne Thür, da steckte er wieder seinen goldenen Schlüssel in das Schlüsselloch, ging hinein und stieg die Treppe hinab. Da zog er ein goldenes Kleid an, nahm ein schwarzes Pferd und steckte sich die Taschen ganz voll Gold. Wie er abzog, rief's ihm nach: Komm noch einmal wieder. So ritt er wieder an den Glasberg, gab dem Trompeter eine Hand voll Gold, sprengte auf den Berg, zog oben der Prinzessin den Ring vom Finger und sprengte noch lustiger wieder herunter als das erste Mal. Wiederum war er verschwunden und brachte sein Roß und sein Kleid wieder dahin, wo er es hergenommen [106] hatte. Dann warf er wieder als Küchenjunge den Ring in die Suppe, und weil der König nicht wußte, wer es gethan hatte, ließ er bekannt machen, wer auf den Glasberg hinaufreiten und seiner Tochter den Schuh vom Fuße ziehen könne, solle sie heiraten und König werden. Da ging der Dumme wieder aufs Feld an die eiserne Thür, legte ein Gewand an, das ganz von Edelsteinen glänzte, steckte auch viele Edelsteine in die Tasche und nahm ein geflecktes Pferd. Wie er nun aus der Thür war, schlug sie mit gewaltigem Krachen hinter ihm zu, und es rief hinter ihm her: Komm nicht mehr wieder! Der Dumme gab dem Trompeter die ganze Hand voll Edelsteine, war im Nu auf dem Berge, zog der Prinzessin den Schuh vom Fuße, und jagte auf der andern Seite wieder herunter. Wiewol nun die Stimme ihm zugerufen hatte, er solle nicht mehr wiederkommen, so wollte er doch sogleich wieder nach der Thür eilen, um in der Höhle sein Kleid abzulegen und das gefleckte Pferd einzustellen. Aber er fand jetzt die Thür gar nicht mehr wieder, und wie er noch nach ihr suchte, kam die Prinzessin ohne Schuh daher, und zog mit ihrem Gefolge um den Glasberg herum, um nach dem Königsschlosse heimzukehren. Da erkannten Alle den Ritter, der der Königstochter den Schuh vom Fuße gezogen hatte, und sie sahen auch, wie er den Schuh noch in der Hand hielt. Da wurde der Küchenjunge König und heirathete die Prinzessin, und wenn sie noch nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.

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TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. Märchen. Kinder- und Volksmärchen. 30. Die Männchen und die Bauernsöhne. 2.. 2.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-80A2-1