IV.

Vor langen, langen Jahren, da der Zellerfelder Teich gemacht wurde, arbeitete daran auch ein Grabenarbeiter namens H..., ein pfiffiger und vermessener Bursche. Der saß an einem Nachmittage mit seinen Kameraden und vesperte. In ihren Gesprächen kam die Rede auf das Grabenhaus, das nicht weit unterhalb des Teufelsteiches auf dem Graben stand, [113] zur Teilung des Wassers nach der Bockswiese und nach dem Spiegelthale. Schon oft hatte der Grabenarbeiter, welcher die Wasser weg- und hineinmachen mußte, trotz des festen Schlosses, das an der Grabenhausthür war, bemerkt, daß eine Änderung der Wasserleitung gemacht und dadurch großer Nachteil für die betreffenden Werke herbeigeführet war. Trotzdem, daß häufig gewacht und das Haus beobachtet wurde, auch niemand gesehen war, war doch kurze Zeit, nachdem der Grabenwärter weg war, die Wasserstimmung anders gewesen, als sie sein sollte. Man kam endlich dahin überein, es müsse im Grabenhause nicht richtig sein und das fand so viel Anklang, daß die meisten Leute sagten: Im Grabenhause spukts. Mein pfiffiger Grabenarbeiter nahm einen kräftigen Schluck Branntwein und sagte, wie er seinen Kameraden den Bergspiegel hinreichte: »Dissen Ohmd will ich de Wasser emol schtimme; der Karel soll mer de Schlissel gahn.« – »Na,« sagten die andern, »nimm dich in Acht, dort ists nicht geheuer; du kannst den Kürzern ziehen.« – »Ach was! Possen! Den will ich sehen, der mir an den Teiler kommt! ohnehin ist Mondschein.« – »Na! Na! wir sagen nichts. Wenn du einen Klapphandschuh davonträgst, hilft dir ihn keiner tragen.« Der eine der Grabenarbeiter sagte: als er neulich sich beim Stukenroden verspätet habe und die Nacht hereingebrochen sei, so habe er im Vorbeigehen eine luftige weiße Gestalt im Graben unter das Haus hinschlüpfen sehen; er habe sich aber weiter nicht darum bekümmert, am andern Morgen seien aber die Wasser, statt nach der Bockswiese, nach dem Spiegelthale gekommen. Ein anderer sagte: als er voriges Jahr spät aus den Heidelbeeren gekommen sei von den drei Birken, habe er in der Nähe des Grabenhauses eine feurige Schlange im Graben liegen sehen und die sei im Graben fort unter das Haus hingeschwommen und darunter verschwunden, und am andern Tage sei das Wasser unrichtig gezogen gewesen. Ein dritter sagte, den Bau des Grabenhauses habe der Teufel nicht haben wollen, und da die Menschen ihm den Willen nicht gethan haben, so mache er ihnen immer Schabernack. »Kurz und gut,« sagte der Älteste, der Pfiffikus, »ich mache diesen Abend die Wasser hin nach der Bockswiese, trotz Höll' [114] und Teufel,« und nachdem noch zwei Stunden gearbeitet war, sagten die übrigen dem H.....: »es gieh der wull« und gingen nach Hause, als eben der Grabenwärter kam, Wasser nach der Bockswiese hinzumachen. »Karl,« sprach H..... zu ihm, »laß mich heut Abend mal deine Arbeit thun. Ich will diesen Abend mal Wasser herummachen, du kannst dich drauf verlassen. Ich will auch dabei bis wenigstens um elf Uhr wachen, daß uns kein Schabernack dabei gemacht wird.« – »Nun, wenn du willst,« sagte der Grabenwärter, »ich habe nichts dabei. Nimm dich aber in Acht. So kann ich diesen Abend mal ein bißchen früher zu meiner Braut.« Er gab dem H..... die Schlüssel und sprach: »Nun machs gut; es gieh der wull,« und ging nach Hause. H..... ging nun gleich hin nach dem Grabenhause, zog das eine Geschütz auf und setzte das andere zu, schloß danach das Haus zu, probierte, ob es auch fest zugemacht war, und nachdem dies geschehen, stopfte er sich eine Pfeife und legte sich in das grüne Gras mit den Worten: »Nun will ich doch den sehen, der mir den Kram verderben will.« Zu Hause wartete aber seine Mutter mit dem Abendbrote. Es schlug sieben und er kam nicht; es schlug acht und er war nicht da; es schlug neun und zehn und seine Mutter wartete immer vergeblich. Endlich ward ihr angst und bange. Sie ging nach einem seiner Kameraden, klopfte den auf und fragte besorgt, ob er nicht wisse, wo ihr Sohn sei. »Doch,« sagte er, »der ist beim Grabenhause geblieben und hat dem Grabenwärter heute seine Arbeit abgenommen.« Wie ein Stein fiel das der Mutter aufs Herz. Sie, in ihrer Angst, lief gleich hinaus und – welch ein Anblick! Zwanzig Schritt vom Hause beschien der Mond einen Totenschädel, der sie anglotzte, vier Schritt davon lag der Rumpf, den Kittel noch an, und ohne Arme und Beine, weiterhin lag ein Bein und ein Arm, und am Hause war ein Bein an die Thür und der andere Arm an den Giebel des Hauses angenagelt. Voll Schreck lief die Mutter nach Hause, und nachdem man hinausgegangen und die Sache näher untersucht hatte, hat es sich gefunden, daß das alles Teile des zerstückelten Körpers von dem Grabenarbeiter H..... gewesen sind. Es ward alles sorgfältig in [115] einen Sarg gethan und H..... wie ein Umgekommener mit allen bergmännischen Ehren beerdiget. Das Haus wurde bald nachher abgerissen und seit der Zeit hat sich nichts Verdächtiges da wieder hören und sehen lassen.

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TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. Sagen. Harzsagen. Sagen der Bergstädte Klausthal und Zellerfeld. 138. Sagen vom Bergbau. (I-VII.). 4. [Vor langen, langen Jahren, da der Zellerfelder Teich gemacht]. 4. [Vor langen, langen Jahren, da der Zellerfelder Teich gemacht]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8257-C