[257] Anhang.

Aus dem Vorworte zur ersten Auflage

[258] Aus dem Vorworte zur ersten Auflage.

Diese Sagensammlung wurde veranlaßt teils durch eigene Lust und Neigung, teils durch das Verlangen nach einer Sammlung von Harzsagen, welches Jakob Grimm in der zweiten Auflage der »Deutschen Mythologie« aussprach und das sich besonders seit dem Erscheinen meiner »Kinder- und Volksmärchen« 1 durch gar manche mir zugekommene Mitteilung als ein von den Männern der Wissenschaft allgemein gefühltes Bedürfnis herausstellte. Wenn in jener Schrift überhaupt zum ersten male, wie sehr auch der Name Harzmärchen für ausgeschmückte und verfälschte Ortssagen vom Harz bei den Kennern in Mißkredit gekommen sein mag, wirkliche Märchen aus dem Harze geliefert wurden, so hat unsere Sagensammlung aus dem Harze dagegen einige Vorgänger. Schon 1698 scheint eine Sammlung von Harzsagen, die vielleicht nur ein paar Sagen und diese ausschließlich vom Unterharze enthalten haben mag, veröffentlicht zu sein. 2

Einer mir von mehreren Seiten gewordenen Mitteilung zufolge war der verstorbene Ephorus der Domschule und Generalsuperintendent [259] Nachtigall zu Halberstadt der Sammler der »Volkssagen«, die 1800 unter dem Namen Otmar in Bremen erschienen. Otmar gab in seinen »Volkssagen« etwa dreißig Ortssagen aus dem alten Hartingau heraus. Das halberstädtische Gebiet hat er vorzugsweise berücksichtigt, vom westlichen Harze dagegen ist er ohne alle Nachricht.

Der Kern von Otmars Sammlung ging in die »Deutschen Sagen« der Brüder Grimm über, die 1816 erschienen, und, weil die Grimmsche Sammlung aus dem Harze nur wenig mündlich enthielt und sich überhaupt hier mehr an gedruckte Quellen anschloß, für den braunschweigischen und hannöverischen Anteil am Harze weniger als für den bischöflichen enthält. In den von Otmar für sein Werk gezogenen Grenzen haben sich dann zufällig auch mehrere durchaus unwissenschaftliche Sammlungen gehalten und mit besonderer Vorliebe an dem schönen nördlichen Harzrande verweilt. In denselben Grenzen, auf die ich gleich den anderen von meiner Heimat aus zunächst angewiesen war, hielt ich sodann mich selbst, als ich 1851 meinem Schriftchen »Aus dem Harze« (2. Aufl. 1857) in gedrängter Kürze eine Anzahl von Harzsagen mitgab; einige davon hatte ich bereits sehr früh im Harze mündlich gehört, noch mehrere aus Chroniken genommen und die meisten nur aus der schnöden Form in einer unwissenschaftlichen Sammlung 3 zu der ursprünglichen Einfachheit herausgeschält. Diese kurze Mitteilung mag den Otmarschen Sagenschatz für jene Gegend ungefähr verdoppeln und ist neben ihr die einzige echter unterharzischer Sagen, doch wollen beide [260] für den Sagenreichtum jener Gegend noch wenig oder nichts bedeuten. Wenn der zu früh verstorbene Emil Sommer in seinen Sagen aus Sachsen und Thüringen nur bis in die Gegend von Eisleben und Aschersleben, also nicht einmal bis an den Fuß des Harzes gekommen war, so streiften dagegen Kuhn und W. Schwarz, welche 1848 das verdienstvolle Werk »Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche« herausgaben, fast über das ganze Harzgebirge hin. Sie zeichneten dabei aber, vielleicht in der Einsicht, daß hier doch die von Grimm gewünschte eigene Harzsammlung nicht überflüssig gemacht werden könne, dieses sagenreiche Gebirge keineswegs aus vor den übrigen Landstrichen bis Mecklenburg und Pommern hin, welche sie gleichfalls behandelten, legten sich daher zwar auch nicht, wie die anderen, auf das seit Otmar mit Vorliebe behandelte Gebiet, mieden aber doch in etwas, wie es scheint, den Oberharz wegen seiner Eigentümlichkeiten. Nicht eigentlich vom Oberharze, sondern vorzugsweise von der osteröder und scharzfelder Gegend erschienen 1832 sechs »Harzsagen« von Schuster. Sie beschäftigen sich daher zwar mit einem kleinen Teil des Sagengebietes, welches das vorliegende Werk behandelt, können aber ihrer Ausschmückung wegen nur in sehr geringem Maße in betracht kommen. So bleibt denn nur eine Sammlung als eigentliche Vorgängerin zu nennen: das zweite und letzte, sehr dünne Heftchen der 1840 von Hermann Harrys herausgegebenen Sagen Niedersachsens. 19 von den 39 Sagen sind oberharzische und wurden dem Herausgeber dem Vorworte nach von Georg Schulze mitgeteilt, die Mehrzahl der 20 übrigen gedruckten Quellen entnommen.

Es traf sich glücklich, daß Herr Pfarrer Georg Schulze in Altenau, als Sprachforscher besonders durch die treffliche Redaktion und Herausgabe der »Harzgedichte« rühmlichst bekannt, für die vollständige Sammlung der Sagen in den hannöverschen Bergstädten mir die Hand bot, und dabei mußte dann zur Ergänzung des neuerdings Gesammelten, d.h. einzelner Sagen, die schon bei Harrys stehen, von denen ich Varianten bekam und die nun hier auf eine angemessene Weise zusammengefügt wurden, auch vielfach, wie die Anmerkungen im einzelnen nachweisen, das früher von Schulze in der Harrysschen [261] Sammlung Veröffentlichte herbeigezogen werden, sowie denn auch der Konsequenz wegen, jedoch noch kürzer, einiges aus den nicht gerade vom Oberharze handelnden Sagen in dem 2. Hefte der Harrysschen Sammlung zur Ergänzung einiger bestimmten Sagen in unserer Sammlung benutzt wurde. Anfangs dachte ich an eine vollständige Wiederaufnahme der 19 dort gedruckten Schulzeschen Sagen vom Oberharze, auch wo wir keine Varianten dazu hatten; doch stand ich davon ab.

Aus Altenau nenne ich auch noch W. Lohrengel dankbar als Mitarbeiter.

Die unter der harzburger Gegend eingereihten Sagen von Vienenburg und Wiedelah, sowie ein Beitrag zu den lautenthaler Zwergsagen und zu den Sagen von Dorste wurden mir von Professor Wilhelm Müller in Göttingen mitgeteilt.

Für die Gegend von Lonau und Sieber insbesondere verdanke ich mehreres Herrn Lehrer Theodor Stender in Lonau. Außerdem die nordhäuser Hexensage dem Herausgeber der »Urkundlichen Geschichte von Nordhausen«, Professor Ernst Günther Förstemann in Nordhausen.

Von einem Teile des hier abgehandelten Sagengebietes, dem Oberharze, liegen die Sagen hier nun jedenfalls vollständiger vor, als aus irgend einer anderen Gegend Deutschlands. Das kann dem denkenden Leser einen Einblick in das Seelenleben des Volkes gewähren und ihm zeigen, wie die Poesie noch bis vor kurzem jedes Lebensverhältnis desselben durchdrang. Bei der Sprache der nach mündlicher Überlieferung aufgezeichneten Sagen ist unser Zweck, den auch wohl schon andere Sagensammlungen sich ähnlich vorgesetzt hatten, erreicht, wenn der Leser sich bei der Mehrzahl der Nummern sagen muß: so denkt unser heutiges Volk und so spricht es seine Gedanken aus. Georg Schulze wird man nachrühmen dürfen, daß er diesen Zweck der vorliegenden Sammlung in dem Stücke »Mer soll dn Teifel net porren« vollständig erreicht hat. Abteilung I der »Osterjungfrau« habe ich einer hochbetagten Frau Wort für Wort nachgeschrieben, welche in das jungferliche Benehmen der Osterjungfer gegen den »frechen« und den keuschen Ritter offenbar ihre eigenen Jugenderinnerungen niedergelegt hat.

[262] Unter den Nachrichten des Tacitus über die heidnische Religion der Deutschen werfen auf die von der Nerthus Gebräuche in unseren Gegenden ein interessantes Licht. Sie wurde auf einem mit weißen Tüchern verhüllten, mit Kühen bespannten Wagen ins Wasser gefahren, und noch jetzt wird jeder Tote zuBuhlendorf im Anhaltschen, aber nicht im anhaltschen Harze, sondern unweit Zerbst und der Elbe, auf einem mit Ochsen bespannten Wagen durch einen Ochsenjungen zunächst in einen Teich, den »Puhl«, gefahren. In Beckendorf im Halderstädtischen wird der Sarg jeder Wöchnerin unter einem weißen Laken auf den Friedhof getragen und ins Grab gesenkt, und derselbe Gebrauch herrscht nicht weit davon, in Hornhausen. Hier aber scheint früher, um die Mitte des 17. Jahrhunderts, jeder Sarg »mit einem weißen Tuch bedeckt« begraben worden zu sein.

Was die Nachrichten von Götterculten betrifft, welche wir direkt mit auf unsere sächsischen Vorfahren beziehen könnten, so steht darunter die niederdeutsche Abschwörungsformel voran. Sie ist uns durch eine vatikanische Handschrift aufbewahrt, doch hält man freilich ihre Sprache nicht für rein niedersächsisch, sondern sieht darin eher einen Hinweis auf das ripuarische Franken. Darin schwören die Heiden namentlich ab den Donar, Wodan und Saxnot. 4 Von Saxnot haben wir sonst gar keine Nachricht, aber bekanntlich bedeutet sein Name Schwertgenoß, und taucht in der Stammtafel der Westsachsen, [263] über welche unter anderen J. Kemble geschrieben, wieder auf als Saxneat, Wodans Sohn. Die beiden übrigen Götter, Donar und Wodan, wird diese Sammlung auch für diese Gegenden bestätigen.


Hornhausen bei Oschersleben am Andreasabend 1853.

Fußnoten

1 Leipzig, Hermann Mendelssohn.

2 Der Titel dieser mutmaßlichen Sagensammlung ist: »Wahrhaftige Geschichten, so sich die Bawern in denen Gegenden des Hartzgebürges erzählen. Nunmehro zum Erstenmahl ans Licht brachtt vnnd mitgeteilet von Caspar Schwengen. Frankfurt, in Verlegung vnndt druckts von Johann Gottfried Schönwetters Wittib vnndt Erben. 1698«. In Georgii »Bücherlexikon« und den Supplementen (1742 und 1758) und in Ebert's »Bibliographischem Lexikon« (1821) ist die Schrift nicht aufgeführt, wie es mir denn auch nicht gelungen ist, derselben habhaft zu werden.

3 Den »Sagen und Geschichten aus der Vorzeit des Harzes und der Umgegend« (1847), woran übrigens anonym auch mehrere sonst sehr tüchtige, hier nur unbewanderte Männer mitgearbeitet haben sollen. Dieses jetzt, wie ich höre, in den Verlag von R. Frantz in Halberstadt übergegangene Buch, worin sich auch manches ohne Quellenangabe nach Otmar findet, ist neuerdings zum großen Teil in Reime gebracht in der Schrift »Der poetische Harz oder Sagen und Märchen des Harzes im (!) Schleier der Dichtung gehüllt. Sechstes Heft der Gedichte von Josephine Holzmärker- Gerbode« (Worbis, im Selbstverlage der Verfasserin, 1852). Auch der rotenburg-sondershäuser Püsterich pustet da noch in einem Gedichte als heidnischer Abgott, wenig bekümmert darum, daß er etwa gleichzeitig gänzlich entlarvt wurde und seinen Kredit als Abgott längst eingebüßt hatte.

4 Die Abschwörungsformel lautet:

Forsachistu diobolae?

et resp. ec forsacho diobolae.

End allum diobol gelde?

respon. end ec forsacho allum diobol geldae.

End allu dioboles uuercum?

resp. end ec forsacho allum dioboles uuercum end uuordum, thunaer, ende uuoden ende saxnote ende allem them unholdum, the hira genotas sint.

Hierauf folgte das christliche Glaubensbekenntnis. Zur Vergleichung damit kann folgende Stelle aus einer von Haupt aus einer Wiener Handschrift mitgeteilten Abmahnung vom Tanzen dienen: »Zum tunfften so tued die tentzer und tentzerin in etlich wise wider die sacrament der kirchen und besunder wider den tauff: wann sie brechen das gelubde, als sie got getan haben in dem tauff, als ir pfetterisch an ire stat gesprochen haat: ich widersage dem tufel und allem sine gespenste.«

Nachwort zur zweiten Auflage

Nachwort zur zweiten Auflage.

Die erste Auflage dieses Werkes erschien in zwei Bänden: der erste gewidmet dem Herrn von Radowiz, Generalinspekteur des preußischen Mititär-Erziehungs- und Bildungswesens 1854 und der zweite gewidmet Sr. Erlaucht dem Grafen Botho zu Stolberg-Wernigerode 1856. Der erste Band war von Zellerfeld und Lerbach, der zweite von Wernigerode aus gesammelt. Indem die zweite Auflage in Einen Band zusammengefaßt wurde, mußte die Reihenfolge der Sagen gänzlich verändert werden, die bei der ersten Auflage von Zufälligkeiten abgehangen hatte. Jedoch ist die Einteilung in Gruppen, z.B. »Sagen von Blankenburg und Umgegend«, auch in der zweiten Auflage beibehalten worden. Es wird damit eine feinere und wertvollere Andeutung gegeben als durch den Zusatz »mündlich«, den ich bei den Sagen, für welche nicht in den wenigen Anmerkungen eine gedruckte Quelle angegeben werden muß, ganz weglasse.

In den Anmerkungen und Beilagen zur ersten Auflage waren die bis dahin erschienenen anderweitigen deutschen Sagensammlungen so wie die wichtigsten Werke über deutsche Mythologie mit dem hier dargebotenen Stoffe verglichen worden. Die [264] Sagenvergleichung so wieder abdrucken zu lassen, wie sie vor mehr als dreißig Jahren niedergeschrieben wurde, war unmöglich. Die Auffassung der deutschen Mythologie selbst hatte sich nach Jakob Grimms Tode hauptsächlich durch Scherer gänzlich geändert. Mannhard selbst, der sich zuletzt fast allein noch mit einem Systeme der deutschen Mythologie beschäftigte, ist nicht mehr am Leben. Es würde jetzt einen großen Reiz für mich gehabt haben, mich nochmals in einer Reihe kleiner Monographieen über einzelne Fragen der deutschen Mythologie und Altertumskunde auszusprechen, wenn ich mich auch nie an die systematischen Grundfragen gewagt habe. Hatte ich doch schon vor mehr als dreißig Jahren, ohne von Mannhards »Vegetationsdämon« etwas ahnen zu können, in den Anmerkungen zu den Harzsagen entwickelt, daß der ungefähr also lautende Zwergspruch:


Sau bin ik doch sau oolt

Wie dä Döringerwoolt,

Dreimal ehacket un dreimal ekoolt,


die Zwerge mit dem Wachstume der Bäume und Wälder, ja, mit der ganzen Natur, in die engste Beziehung setze, wie sich denn auch besonders das Zwergwort »drei Ringe oolt« auf die Jahresringe des Baumes beziehe. Von dem Hirsche glaube ich jetzt beweisen zu können, daß er sich nicht allein in Deutschland, sondern auch in Griechenland auf die Unterwelt bezog, da er sich an einem Bilde der Nemesis findet, welche in diesem Falle ohnehin schon als Gottheit der Unterwelt erkannt ist. Die Bergmannssagen sind jetzt in einer von Freiberg gekommenen Schrift mit Rücksicht auf die technischen Ausdrücke gut erläutert, wobei meine Klausthaler Bergmannssagen eine der Grundlagen bilden und leider fast vollständig nachgedruckt sind. Über die Venediger habe ich sehr vieles nachgesammelt, aber eine über sie erschienene handelswissenschaftliche Monographie selbst in Gratz, wo sie als Programm herauskam, nicht mehr erlangen können. Über das Allermannsherrkraut ließe sich jetzt ungleich mehr beibringen, als ich in der ersten Auflage der Harzsagen und später noch in meinen die Gebräuche des Oberharzes enthaltenden »Harzbildern« zu sagen wußte. Diese mythologische Pflanze ist jetzt von Pritzel festgestellt. Für diesen ließ ich ein Exemplar [265] aus Lerbach kommen. Sogleich der erste, den der verstorbene Pastor Niemann auf meine Bitte um ein Exemplar der Pflanze ersuchte, zog dieselbe sofort als glückbringendes Kraut aus seiner Westentasche hervor. In betreff der stolbergischen Sage vom Entstehen der Räder-See müßte untersucht werden, ob wirklich in Stolberg eine oder mehrere ungerechte Hinrichtungen wegen Unterschleifes beim Bergbau stattgefunden haben. Soll doch der Bauernkrieg mit dadurch entstanden sein, daß Thomas Münzers Vater, dessen Stand mir freilich nicht bekannt ist, in Stolberg ungerecht hingerichtet worden wäre. Über den Namen Andreasberg habe ich mich schon in der Nationalzeitung vom Andreastage 1884 nochmals ausgesprochen. Gern werde ich auch ferner das seit dem Erscheinen der ersten Auflage der Harzsagen zu verschiedenen Stellen derselben nachgesammelte Material verarbeiten und veröffentlichen, so wie sich die Gelegenheit dazu bietet. Dies alles hier zu thun, hätte schon die Kürze der mir für die neue Auflage gebotenen Zeit nicht gestattet.

Dafür glaube ich aber nicht bloß dem Unterhaltung suchenden Publikum, sondern auch dem gelehrten Leser eine Entschädigung bieten zu können durch den Text der Harzsagen selbst, die ich nicht allein vervollständigt, sondern zugleich kritisch gesichtet veröffentliche.

Zwei der besten hier gedruckten Sagen von Stolberg stehen noch nicht in der ersten Ausgabe. Zum ersten male gebe ich in dieser zweiten Auflage, jedoch von vorn herein nur in Auswahl, die von mir noch im Volke gesammelten Sagen des östlichen Harzes. Die unter diesen jetzt mitgeteilten Überlieferungen zuerst befindliche Sage vom Ramberge ist besser als die bisher bekannte Fassung der Sage von der Teufelsmühle. Auch die kurze Sage vom Mägdesprunge ist in der hier zuerst gedruckten Fassung eigentümlich genug, sowie die in dieser Auflage befindliche Sage von der Teufelsmauer gehaltreicher ist als diejenige, die in Ermangelung eines mündlichen Berichtes in der ersten Auflage einer gedruckten Quelle entnommen wurde. Die Sagen der Grafschaft Mansfeld waren hier nicht mehr nötig, da sie inzwischen von Größler in einem eigenen Bande vorgelegt sind. Die Sagen von [266] Questenberg, bei denen die zu grunde liegenden Gebräuche die Hauptsache sind und die ich schon im deutschen Museum von Prutz veröffentlichte, werden in einem Buche über deutsche Gebräuche, wozu ich freilich erst das Material gesammelt habe, oder, was wahrscheinlicher ist, in meinem fast vollendeten mehrere Bände umfassenden beschreibenden Werke über den Harz wieder abgedruckt werden. Die Kyffhäusersagen findet man in der bei Friedberg und Mode in Berlin erschienenen zweiten Auflage meiner deutschen Sagen. Es ist dies die einzige ausführliche Sammlung der Kyffhäusersagen nach dem Volksmunde, da Bechstein aus gedruckten Quellen schöpfte. In meinen deutschen Sagen sind auch die aus dem Halberstädtischen und Braunschweigischen gesammelt. Da nun Müller-Schambach so wie Günther auch noch mehr hannöverische Sagen veröffentlichten, so liegen jetzt vom ganzen Umkreise des Harzes und darüber hinaus die Überlieferungen in seltener Fülle gedruckt vor.

Bei dem Sammeln der viel bewunderten Sagen des nördlichen Harzrandes fand ich nicht allein keinen Mitarbeiter wie ich ihn bei dem Sammeln der Sagen des Oberharzes an Georg Schulze gehabt hatte, sondern es hat überhaupt nie jemand außer mir es unternommen, die Sagen von der Roßtrappe, von Wernigerode, Ilsenburg, dem Brocken und Harzburg planmäßig aufzuzeichnen. Die Sagen des letzteren Ortes veröffentlichte ich schon im ersten Bande meines Werkes. Ich teilte sie in die von mir zuerst aufgefundenen Kaisersagen vom Burgberge und in die dortige Hackelbergsage, erntete aber vielen Beifall dafür, daß ich die Krodosage als nur aus der Sachsenchronik ins Volk übergegangen, wie viel auch von Krodo gefabelt wurde, ganz ausschied. Nicht so glückte mir anfänglich die Textkritik in bezug auf den zweiten Band. Die Sagen von Ilsenburg waren dermaßen durch die Kunstpoesie verderbt, daß von Frû Frien oder Frû Frêen nur noch der Name übrig war, der mit bekannten Märchen in Verbindung gebracht wurde. Während weit nordwärts vom Brocken die gehaltvollen Sagen von der Walpurgisnacht erzählt wurden, welche diese Sammlung bietet, waren die wernigerödischen Sagen in einem solchen Grade durch die neuere Poesie verstört, daß die Gespenstergeschichte mit ihrer ganzen Willkür [267] vorherrschte. Nachdem die Kunstpoesie den wesentlichen Inhalt der Sagen in Ilsenburg und am Brocken absorbiert hatte, war für das Volk nur der Spuk als geistloser Niederschlag übrig geblieben. Bei der Wichtigkeit der Brockensagen nahm ich das relativ Beste auf, was zu erlangen war. Auch das Lückenhafte, die bloße Notiz wurde nicht verworfen. Dies Verfahren halte ich aber deshalb jetzt für falsch, weil ich mich überzeugt habe, daß in diesem Buche die aus weiterer Entfernung stammenden Sagen vom Brocken und nicht die zuerst durch litterarische Einflüsse verkümmerten wernigerödischen Sagen die Überlieferungen von der Walpurgisnacht repräsentieren. Auch hat mich bedenklich gemacht, daß mein Freund Jakobs in seiner beschreibenden und mythologischen Arbeit über den Brocken nicht einmal die Namen der Forstorte aus meinem Buche zu zitieren nötig gehabt hat, von denen diese Spukgeschichten erzählt werden. Es müssen sich also auch diese Namen, wenn auch ohne die Erzählungen, wohl besser in den Forstakten finden, worüber allerdings noch jetzt eine Aufklärung erwünscht wäre. Dies alles hat mich nun aber bestimmt, in dieser zweiten Auflage Sagen von einem bloß relativen Werte selbst unter den Überlieferungen vom nördlichen Harzrande nicht mehr zu dulden, und überhaupt aus der ganzen Sammlung bloße Gespenstergeschichten so wie bloße Fragmente von Erzählungen möglichst zu entfernen. Möge durch diese Anwendung von Textkritik das Buch in der Form, in der ich es nun biete, jetzt auch dem größeren Publikum näher treten! Nach ästhetischen Gesichtspunkten allein konnte aber diese Textkritik durchaus nicht vorgenommen werden. So steht z.B. die erste von den beiden am Schlusse dieses Buches neu aufgenommenen Sagen von der Tidianshöhle in ihrer Lückenhaftigkeit höher als die zweite. Ja, die Vollkommenheit alles Vorgetragenen in der letzteren erregte Bedenken gegen die Aufnahme, welche nur dadurch beseitigt wurden, daß sich im einzelnen nur wenige verdächtige, dagegen auch einige recht volkstümliche Züge in ihr entdecken ließen. Vergl. S. 274. Und so glaube ich denn der Harzsage, die, wie aus dem Obigen hervorgeht, namentlich für den eigentlichen Unterharz von niemand als von mir im Geiste der Brüder Grimm gesammelt ist, bei [268] dieser zweiten Auflage einen Abschluß in der Form gegeben zu haben, welche den volkstümlichen Bestrebungen, die seit der Mitte des seinem Ende sich nähernden Jahrhunderts innerhalb der deutschen Litteratur hervorgetreten sind, nochmals einen angemessenen Ausdruck verleiht und jedenfalls als Abdruck der Art des Volkes einer kurz vorher vergangenen Zeit zu denken und zu sprechen auch für die Nachwelt noch ein oder mehrere Menschenalter hindurch ein Interesse behalten wird.

Man erinnert sich, wie Wilhelm Grimm den neuen Auflagen seiner Sammlung von Kindermärchen durch eingeflochtene volkstümliche Wendungen einen immer größeren Wert zu verleihen wußte. Ich habe etwas Ähnliches in dieser Auflage versucht. Ich habe nämlich in den von mir hochdeutsch nach dem Volksmunde aufgeschriebenen Sagen der Sprache annäherungsweise die Eigentümlichkeiten zu verleihen gestrebt, welche ich einerseits um das Jahr 1850 bei meinen Erzählern, die ursprünglich an das Niederdeutsche gewöhnt waren, und andererseits auch bis 1850 bei den hochdeutsch redenden Honoratioren, welche in den letzten Jahrzehenden des 18. Jahrhunderts geboren waren, noch gehört habe. Die Sprache war in beiden Fällen nicht dieselbe, ich habe aber in diesem Buche den Durchschnitt zu ziehen gesucht. Das Buch ist also auch in sprachlicher Hinsicht wie für die Anschauung und Denkweise des Volkes der Versuch einer monumentalen Arbeit, wobei immer die Zeit um 1850, in welcher ich die Sagen sammelte, als Wendepunkt angenommen ist.

Ganz verschieden von der Sprache der nach dem Volksmunde aufgezeichneten Sagen ist diejenige in den wenigen Nummern nach gedruckter Quelle. Hier trägt die Sprache den Charakter einer etwas älteren Zeit, obgleich ich auch hier überarbeitete. Wie gesagt, in den aus dem Volksmunde entnommenen Sagen soll die Sprache eine ganz andere sein als in denen aus älterer gedruckter Quelle.

Noch in einer anderen Beziehung als in betreff der hochdeutschen Sprache auf dem Harze um 1850 soll das Buch in dieser zweiten Ausgabe eine Art Denkmal sein, namentlich durch das nun als Einleitung dienende »Tagebuch eines deutschen [269] Sagensammlers«. Doch lag es mir für diesmal gänzlich fern, die Regeln für das Sammeln von Sagen etwa in der Art anzugeben, wie man es in einem germanistischen Seminar jetzt thun würde und wie ich es schon vor vielen Jahren in einem Aufsatze meiner »Feldgarben« (betitelt: »Wie sammelt man Volkssagen?«) ganz kurz gethan habe. Das Tagebuch bezieht sich gleichfalls auf die Zeit um 1850, in der überhaupt am meisten derartiges gesammelt wurde. In dem Tagebuche wird keineswegs Buch geführt über das Entstehen dieses ganzen Werkes, sondern im Gegenteil nur beispielsweise über die Sammlung der S. 111-158 enthaltenen Sagen von Klausthal (Zellerfeld) und der auf S. 180-188 stehenden Lerbacher Sagen. Eine ähnliche Aufzeichnung über das Sammeln von Sagen, Märchen und Volksliedern ist nicht vorhanden.

Je gewisser die Zeit zum Sagensammeln auf dem Harze nun vorbei ist, um so mehr wünschte ich, daß etwaige weitere Nachforschungen auf diesem Gebiete sich in zweckmäßiger Art an das vorliegende Buch anschlössen, möchten sie nun in Jakobs' Zeitschrift des Harzvereins veröffentlicht oder mir direkt eingesandt werden. Zunächst wäre wohl 1) eine Nachweisung über die sonst nicht bekannten Ortsnamen, die in den Harzsagen vorkommen, zu wünschen. Das Register der 20. Auflage meines Reisehandbuches für den Harz (Berlin, Goldschmidt 1886) kann dabei zur Vergleichung in betreff der schon bekannten Ortsnamen dienen. 2) Auch eine Prüfung der in dieser Sammlung unmittelbar dem Volksmunde nachgeschriebenen z.B. bergmännischen Wörter wäre erwünscht und könnte bei einer neuen Auflage einem Wörterverzeichnis zu grunde gelegt werden. 3) Abgesehen von Varianten wäre noch an kleineren Harzorten, namentlich an solchen, die in dem Inhaltsverzeichnisse des vorliegenden Werkes nicht vorkommen, nach Sagen zu forschen. 4) Auch an den so eben bezeichneten Orten, besonders aber im Magdeburgischen und der Altmark, müßte nach Brockensagen gefragt werden. Diejenigen, in denen Zauberkräuter und in denen Reime vorkommen, sind die besten und lebensvollsten. Auch Hexenakten haben für Jakobs und mich großes Interesse, sobald in ihnen die Fahrt nach dem Blocksberge erwähnt wird. In diesem Falle werden selbst Auszüge aus in [270] Zeitschriften gedruckten Hexenakten willkommen sein. Ich bin auch bereit, die nun endlich nach meinem Plane noch vollständiger etwa in der Altmark zu suchenden ausführlichen und von litterarischen Einflüssen unentstellten Sagen von der Walpurgisnacht vorläufig in einer eigenen kleinen Schrift herauszugeben. Man kann sich über diese Dinge in wenigen Augenblicken orientieren durch mein so eben genanntes Reisehandbuch S. 68, vergl. S. 34.

Die topographische Anordnung der Harzsagen in dieser zweiten Auflage entspricht der Haupttour, welche dem Reisehandbuche zu grunde liegt.

Der hohe Sinn, welcher für alles Vaterländische bei den Deutschen erwacht ist, läßt mich diesmal für das Schicksal eines Buches unbesorgt sein, in welchem, wie ich mich überzeugt habe, von der jetzigen Jugend die Vorlesung der Nr. 25, Nr. 66, Nr. 92, Nr. 107, Nr. 110, ganz besonders Nr. 137 III (der Zwergkönig Hibich), auch Nr. 151, 154 II und 276 der Lektüre des Robinson weit vorgezogen wird.


Berlin S.O. Michaëlkirchplatz 10 am weißen Sonntage 1886.


Dr. Heinrich Pröhle, Oberlehrer am Luisenstädtischen Realgymnasium.

Anmerkungen

[271] Anmerkungen.

Nr. 1. Quedlinburg. Aus Abels Chroniken S. 481-483.
Nr. 2. Sankt Anna und die Mutter Gottes. Aus Abel S. 498-499.

Nr. 5. Albrecht von Regenstein und die Stadt Quedlinburg. Aus Abel S. 501-502.


Nr. 10. Die Zwerge im unteren Bodethale. Für den Zwergkönig Ewaldus vergl. den Namen des Zwergkönigs Echwaldus, der in Elbingerode, also im oberen Bodethale, bekannt ist (S. 17 und meine Märchen für die Jugend S. 231). Merkwürdiger Weise verkehren in Bräunrode die Zwerge gerade mit einem Manne namens Gödecke.


Nr. 31. Evergodesrode, Volkmarstein und Michaelstein. Aus Leuckfeld antiquitates S. 18-20.

Nr. 37. Der Name Regenstein. Aus Abel S. 41.

Nr. 38. Steine auf dem Regensteine. Aus BehrensHercynia curiosa S. 162.


Nr. 40. Sagen von der Harburg. Der Berg, worauf die Harburg gestanden, hieß sonst Hartenberg, wie dieser Name in älteren Urkunden vorkommt, namentlich in einer des St. Sylvesterstiftes. Hart ist Wald in vielen Ortsnamen am Harze, der ja ebenfalls seinen Namen davon hat. Die Sage von Rutschefort ist in dieser Form späteren Ursprungs und zwar aus der Zeit, wo aus der Königsteinschen ErbschaftRochefort an das Stolbergsche Haus kam und in den gräflichen Titel mit aufgenommen wurde. Die Königsteinsche Erbschaft fiel dem Hause Stolberg 1535 zu und zwar hiervon nur die Rochefortsche Herrschaft, worüber ein langer Prozeß mit dem Hause Löwenstein geführt wurde, der erst im Jahre 1755 endigte. Rochefort liegt im Luxemburgischen.


Nr. 41. Die Glockenblumen oder Pfingstrosen auf den Zwölfmorgen. Die sogenannte Zwölfmorgenblume ist Tollius Europaeus Linné XIII, Kl. VI. Ordnung Kugelranunkel, sie findet sich auf dem ganzen Oberharze.


Nr. 46. Reiter verschwindet im Teich. Der eigentliche Name des Berges ist Hörstberg. In Niedersachsen bedeutet Horst (plattdeutsch Host) ein einzelnes im Felde liegendes Gehölz.


[272] Nr. 48. Feuersbrunst. Die erste Wernigerödische Feuersbrunst, so weit die Geschichte reicht, war 1455 gewesen, im Sterbejahre des Grafen Botho, des ersten Wernigerödischen Stolberges. 1528, den 6. August, war die zweite unter Graf Botho dem Glückseligen. Darauf folgte die von 1751, um die es sich handelt. Die vierte große war 1847 am Sonntage Palmarum. Siehe Bericht über das der Stadt Wernigerode im Jahre 1847 widerfahrene Brandunglück und die ihr dabei zugewandte Hilfe, erstattet von dem Unterstützungsvereine. (Die Geschichte der früheren Feuersbrünste ist daselbst vom Pastor Friedrich und Oberlehrer Kallenbach verfaßt.) Unsere Sage meint, wie schon bemerkt, die dritte große Feuersbrunst vom 30. Juni 1751. Sie ging auf der breiten Straße nur bis an das Haus, welches um 1855 von dem Kaufmann Fischer bewohnt ward, und nicht bis an das Hertzersche Haus. An Fischers Hause ist ein Denkstein eingemauert mit folgender Inschrift: Feralis incendii media in urbe die XXX. Junii circa meridiem anno MDCCLI infeliciter oborti plusque trecenta aedi ficiaconsumentis, terminum hic esse jussit propitius praepotensque Deus, cui grates laudesque sunt exsolvendae per saecula omnia. Das Volk glaubte, daß Graf Christian Ernst das Feuer besprechen könne.


Nr. 61. Bericht vom heiligen Blute zu Wasserleben. Aus Abel S. 328-330.


Nr. 118. Zwei deutsche Kaiser. Nach Chronik der Fürsten in Leibniz Scriptores und Cörbers Historia Goslariensis.


Nr. 119. Herzog Heinrich der Löwe. Aus Cörber, dort nach Helmold.

Nr. 122. Der Kinderbrunnen bei Goslar. Der Schluß nach dem Unterhaltungsfreunde vom 19. Dez. 1852.

Nr. 130. Die Hexe in Gittelde. Ergänzt nach Kuhn und Schwarz, Norddeutsche Sagen. Nr. 217.


Nr. 137. Der Zwergkönig Hibich. Ergänzt nach Harrys II Nr. 1 und 21, wo Georg Schulze seiner Mutter nacherzählte.


Nr. 139. Der Bergmönch vom Klausthal und vom Zellerfeld. Abteilung I und II aus Harrys II Nr. 2 und 3.


Nr. 153. Der Freischütz vom Zellerfeld. Der Schluß nach Harrys II, 23.


Nr. 154. Das kleine Klausthal. Beide Abteilungen meist aus Harrys II, 8-14 und hier nur ergänzt.


Nr. 165. Der wilde Jäger in der Gegend des Bruchberges. Abteilung II findet sich wenig abweichend bei Harrys II Nr. 5.


Nr. 169. St. Andreasberg. Nach Honemanns Altertümern des Harzes II, 19.


Nr. 193. Der Leineweber (Schneider). Abteilung II aus Harrys II Nr. 20.


Nr. 203. Das Teufelsloch und der Klinkerbrunnen. Abteilg. II ergänzt nach Schusters Harzsagen 59-71.


[273] Nr. 209. Ursprung von Herzberg. Aus Flemmings »Teutschem Jäger« (1724).


Nr. 237. Der Säuferkönig. Der Anfang nach Otmars Volkssagen.


Nr. 241. Der Tanzteich. Der Anfang meist nach Harrys II Nr. 35 und nach Bechsteins Sagenbuche Nr. 409. Der Schluß vom Schwarzkünstler zu Nordhausen nach Samuel Meigerius plattdeutscher Schrift»De panurgia Lamiarum« (1587) 1. Buch 4. Kapitel.


Nr. 244. Kloster Neuwerk. Nach Förstemanns Nachträgen und Verbesserungen S. 4.

Nr. 245. Die Denkmäler am Hospital. Nach Behrens Hercynia curiosa. 119.
Nr. 246. Gründung des Klosters Ilfeld. Der Anfang aus Harrys II, 85 und 86.

Nr. 247. Das Nadelöhr. Nach Behrens Hercynia curiosa 126 und 127.


Nr. 276. Die Tidianshöhle. Kukuks Traum von dem goldenen Manne im Tidian (Abteilung II S. 253 vergl. S. 268) erinnert daran, daß nach Honemanns Altertümern des Harzes II § 52 die Goslarschen Bergleute zur Zeit Karls V. sangen:


Kayser Karolus ist hoch gebohren.
Die von Goßlar haben vom Reich nichts verlohren.
Der Rammelsberg hat ein silbern Faut.
Des tragen wir einen guten Mauth.
Mit diesen hübschen Jungfräulein
Machen wir von Tannen ein Kränzelein.
Bis zu dem anderen Jahre,
So ryte wir in zwei Paare u.s.w.

Nach einer davon etwas abweichenden Sage hat der Rammelsberg einen goldenen Kopf, einen silbernen Leib und einen eisernen Fuß. Diese Volkssage muß weit verbreitet sein, denn es heißt in Dantes Hölle 14. Gesang, Vers 94-114 (Karl Witte Dantes göttliche Komödie 1865 S. 71):


Einsam im Meer liegt ein verwüstet Eiland,
Entgegnet er darauf, des Nam' ist Kreta.
Keusch war die Welt, als einst sein Fürst regierte.
Dort ist ein Berg, der sonst durch Wald und Quellen
Das Aug' erfreut und den man Ida nannte.
Verwüstet ist er jetzt und ungeachtet.
Den wählte Rhea einst zur sichern Wiege
Für ihren Sohn, um besser ihn zu bergen,
Und, wenn er weinte, schrien die Korybanten.
Aufrecht in jenem Berge steht ein Greis,
Die Schultern wendet er nach Damiette,
Und Rom als seinen Spiegel schaut er an.
[274]
Es ist sein Haupt aus feinem Gold gebildet,
Von reinem Silber ist so Brust und Arme,
Das weitre bis zur Gabelung ist Kupfer.
Von da nach unten folgt erlesnes Eisen;
Doch ist der rechte Fuß gebrannter Thon,
Und mehr auf ihm als auf dem andern ruht er.
Das Gold ist unversehrt; sonst zieht durch alle
Die Glieder sich ein Spalt, der Thränen träufelt,
Die dann vereinigt diesen Fels durchfressen.

Nicht bloß wegen des thönernen Fußes, der aus der Bibel stammt, läßt sich der Mann mit goldenem Kopfe und silbernem Leibe bis nach Asien hin verfolgen. Der ganz goldene Mann im Tidian zeigt aber auch Zusammenhang mit den Sagen von Venedig. Diese verzweigen sich überhaupt nach vorliegender Sammlung merkwürdig weit. Der Erzähler der Sage S. 167 Nr. 168, I gebrauchte, wie ich mich noch erinnere, in Lerbach den Ausdruck, daß bei den Venetianern »das ganze Gedierze« von Gold und Silber zu finden gewesen sei. »Gedierze« nannte er das »Tierreich«, insbesondere das Wild. Den Venetianern scheint vorzugsweise der goldene oder silberne Hirsch wichtig zu sein. Ist der Hirsch doch auch der Artemis heilig, die nicht bloß bei dem Opfer der Iphigenie den Hirsch unterschiebt, sondern auch im Lager bei Homer mit Apollo die lebenden Wesen wegen des Chryses wie eine Todesgöttin mit ihrem Geschosse erlegt. Der Hirsch dürfte vielleicht, wie die Blume oder die Schlange, den Venedigern den Zutritt zu unterirdischen Schätzen verschafft haben. Auch ist wohl der Hirsch die Ursache davon, daß die Venediger in der Harzsage gern mit Jägern verkehren, um sie nach »Venedigen« zu entführen.

Merkwürdig, daß die Zauberblume in der Einen Abteilung der Sage vom Tidian blau, in der andern rot ist. Ein Name für diese zu Schätzen führende Blume wird nicht genannt. Nach der Sage Nr. 156 S. 144 war sie gelb und wuchs zwischen dem Farrenkraute. Nach der so eben genannten Sage hieß sie allerdings auch Johannisblume, Johanniswurzel oder Springwurzel. Verschieden davon sind das Allermannsherrnkraut (vergl. S. 265) und die andere hauptsächlich nur das Unglück fern haltenden mythologischen Kräuter Drachenschwanz, Hörnkenkraut, Baldrian, Dill und Dust. Leider ist in dem das D enthaltenden Bande des Grimmschen Wörterbuches, welcher die 1. Auflage der »Harzsagen« im Quellenverzeichnisse aufführt, das in der 2. Aufl. auf S. 119 stehende »Dill und Dust« nicht erklärt. Was Grimm unter »Dust« sagt, paßt nicht für den Harz. Wohl aber ist unser Dust das, was bei Grimm Dost, Dosten heißt (origanum vulgare silvestre). Auf den Dill beziehen sich drei cynische Verse zur Erregung der Eßlust bei demjenigen,


»Wer nicht essen will, will, will
Sauren Kohl mit Dill-Dill-Dill.«

Register

[275] Register.

(Dieses Register enthält besonders die mythologischen und geschichtlichen Namen und Wörter und soll daher vorzugsweise zu wissenschaftlichem Gebrauche dienen. Die Namen von Orten sind nur aufgenommen, wenn sie für die Mythologie von hervorragender Bedeutung sind, z.B. Brocken, Roßtrappe. Wer den Namen eines der für die Mythologie weniger wichtigen Ortes sucht, wird sich leicht durch das Inhaltsverzeichnis und die Seitenüberschriften zurechtfinden.)


Abschwörungsformel
Adämken (Katzenname)
Ahorn
Allermannsherrnkraut
Altenau
Albertus Ursus
Andreasberg
Andreaskreuz
Anmerkungen
Anna
Antonius
Antoniuskopf
Arabischer Weihrauch
Artemis
»Auflage« der Mönchsgeister
Auerine
Baldrian
Bannen
Barfüßer
Basilisk
Bergbau
Berggeist
Bergmannssagen
Bergmönch
Beringer (Anna, Hexe)
Blume
Brillken (Katzenname)
Brummes
Brocken
Buhlendorf
Buko
Buntenbock
Burgmieke
Butterbeutel
Butterhexen
Buttern
Calvör (Steiger)
Calvör (Superintendent)
Charfreitag
Christmette
Christoph (großer)
Daust (Pflanze, hochdeusch am Harze Dust)
Dickauge (Gespenst)
Dill
Drache
Drachenstein
Drachenschwanz (Pflanze)
Dreißigjähriger Krieg
Donar
Dust (Pflanze, plattdeutsch am Harze Daust)
Echwaldus
[276] Eidechsen
Eisdorf (Hans von)
Elster
Engel
Erdgeist
Erdgeister
Eruna
Esche
Ewaldus
Fahles Männchen
Faldrian
Flachs
Fleischmann in Lerbach
Fegelork (Gespenst)
Feuer
Fidlefitchen
Fickeln (Ferkeln)
Finkenherde
Frau Holle
Holle
Frau-Hollen-Abend
Freikugel
Freischütz
Freitag
Freundliches (Gespenst)
Fru Frien
Fuchs in Altenau
Georgine
Glocke
Glockenblumen
Gosa
Goßmann (Scharfrichter)
Grimm
Grenze
Größler
Gumboldskerl
Güß
Hackelberg (s. auch wilder Jäger)
Hagedornrute
Halfeld XXIII.
Hallore
Hängel
Hans Christel
Harburg
Harzburg
Hehlkappe
Heidecke
Heinrich I.
Heinrich III.
Heinrich IV.
Heinrich V.
Heinrich der Löwe
Herm (Peter)
Hexen
Hexenkraut
Hibich
Hickeding
Hirsch
Hirtenhut
Holle (Haulemutter)
Hornhausen
Hörnkenkraut
Horst
Hund
Hunensteine
Hüttenkobolde
Hüttenmännchen
Jakobs (Wernigerode)
Jesuiten
Ilger von Bielstein
Ilsenstein
Johannes
Johannisnacht
Jungfer
Kaiserswoort
Kapuziner
Karoline
Kathrine (schwarze)
Katzen
Kind eingemauert
Kinderbrunnen
Klausthal
Kleines Klausthal
Klängeflachs
Klettenberg (Graf Ernst von)
Kobold
Komet
Königsschlange (Schlangenkönig, weiße Schlange)
Krodo
Kukuk
Kukuk (Hirt)
Kuhlkropf
Kümmel
Kümmelzwerge
Kyffhäuser
Lehmkuhle
[277] Leidfrau
Leigesiemen
Lerbach
Letten
Lilie
Linde
Lumme in Harzgerode
Mainacht
Mannhard
Mansfeld
Marienbild
Mathildis
Matthier
Mitjanschloß
Molche
Müller-Schambach
Müntzer (Thomas)
Nachtigall
Nahrungsgeister
Nebelkappe
Nemesis
Nerthus
Nickelmänner
Niemann (Lerbach)
Nixe
Northeim (Otto von)
Osterheiligabend
Osterjungfrau
Ostindien
Otmar
Pater
Pferdelende
Pfingstrosen
Prinzessin (Jungfer)
Püsterich
Puterhahn
Quarge
Querge
Questenberg
Rabe
Räders-See
Ramberg
Ramme
Räuber
Reh
Riesen
Ring
Rochefort
Rosenstock
Roßtrappe
Rotes Meer
Salz
Sau
Schatzgräber
Scherer
Schimmel
Schlangen
Schlangenkönig
Schlericke (die lange)
Schloßfrau
Schloßjungfer
Schnapphähne
Schnapstrinker (Gebrauch derselben)
Schlüsseljungfrau
Schulze (Georg)
Schwein
Schweinehirt
Schwichelde (die Junker von)
Seelen
Semmel
Siebenjähriger Krieg
Sperling (weißer)
Springwurzel
Stepke, Steppen (der Teufel)
Stölkenlichter
Tannäpfel
Taube
Tausendgüldenkraut
Teufel
Teufelsloch
Teufelsmauer
Teufelsmühle
Tidian
Tilly
Totenschänke
Urian
Valdrian (Pflanze)
Venedig
Venedigen
Venediger
Venetianer
Verhältniskappen
Verweisen
Vogelherde
[278] Volksreime
Waldfrau
Walpurgisnacht
Wasserflut
Wasserhühnchen (Eisvögel, Grünspechte)
Wehrwolf
Wechselbalg
Weihnachten
Weihnachtsheiligerabend
Welthund
Wernigerode
Wilder Jäger (s. auch Hackelberg)
Wildtverer
Wille (Katharine, Hexe)
Wispel
Wöchnerin
Wodan
Wolfsriemen
Wolpersabend
Wurzel
Zauberjette
Zellerfeld
Ziegenböcke
Zwerge
Zwergmütze
Zwölfmorgenblume

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TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. Sagen. Harzsagen. Anhang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-85EB-4