[17] Freundschaftliche Lieder

Thirsis hört den Damon an Horatzens Seite singen

Entferne dich, verhaßter Reimer-Schwarm,
Verstöhre nicht die heilge Stille,
Die ehrfurchtswürdig sich um das bepalmte Haupt
Des Sternen nahen Pindus ziehet.
Flieh, Battus Brut, von dem geweihten Fus,
Und scheue des Apollo Rache.
Mein stoltzes Ohr, zu hoch für dein Geheul,
Sucht auf den sonnenhellen Höhen
Die ewge Harmonie des göttlichen Gesangs,
Wodurch der weise Nebenbuhler
Des unermeßlichen Thebanschen Pindars
Das herrschend kluge Rom entzückt.
Erscheine mir, du Priester des Apoll,
Du Erbe der Thebanschen Leyer.
Erschein und sing in der gelehrten Wuth
Von Helden, Riesen, oder Göttern:
Wo nicht, so preise nur die Ruh und Lalagen
Auf deiner sanftgedämpften Zitter.
Hör ich dich nicht? Täuscht mich die Zauberey
Von deinen Jonisch stoltzen Träumen?
Wie oder reisset mich dein unbekannter Geist
Vom Dunst der weisen Rasereyen
Berauscht, entzündt, aus der gemeinen Welt
Ins Reich der fabelhaften Schatten?
Ja Flaccus kömmt, der gantze Hömus schallt
Von den unsterblichen Gesängen.
Es kommen überall aus dem gelehrten Hain
Und durch die unentweihten Schatten
Die keuschen Nymphen schon mit frohen Reihn
Ihn zu empfangen hergeeilet.
[17]
Er jauchzt daher vom Bacchus gantz erfüllt;
Die Macht der feuerreichen Gottheit
Treibt ihn in neuer Wuth durch Felsen, Wald und Kluft.
Er singt, was nie ein Mund gesungen.
Die Welt hört ihn den würdigen August
Bis zu der Götter Rath erheben.
Er schweifft umher mit Libers Priesterin
In den schlaflosen tollen Nächten;
Er stutzt und sieht, wie sie, verwundrungsvoll
Die Thäler, Ufer, leere Wälder,
Und jauchzt und folgt dir, der Najaden Gott,
Durch tausend rühmliche Gefahren.
Welch deutscher Mund singt neben dir, Horatz,
Wer drückt mit noch verwegnern Solen,
O glücklich kühner Geist, als du selbst, deine Spur,
Auf diesen nie bestiegnen Felsen?
Was wagt er sich in seiner frechen Wuth
Nicht vor Verwüstung anzurichten?
Wohin, wohin, o Freund, o kühner Geist?
Erstaunst du nicht vor diesen Klüften,
Die rund um dich herum mit offnen Abgrund drohn?
Erstaunst du nicht vor diesen Höhen?
Wer Pindarn folgt, der stürtzt und stürtzt mit Spott;
Wer aber darf dem Flaccus folgen?
Umsonst heb ich die Flügel mühsam auf,
Und reisse mich vom Staub und Erde;
Umsonst sing ich von einem grossen Geist
Und seines Lebens Seligkeiten;
Umsonst streb ich, doch lachst du eckler Sinn,
Du lachst doch meiner matten Kräffte.
Laß, o Horatz, laß einen Augenblick
Den Dampf der klugen Wuth verdünsten,
[18]
Belehre mich, du Ehre deines Roms,
Du ihrer Leyer höchster Meister,
Wie flieget man verwegen, klug, und frey,
Und doch bewundrungswürdig glücklich?
Du setzest dich, du krönst die edle Stirn
Selbst mit den Zweigen grosser Helden.
Du nimmst dein Spiel, du stimmst; dein Antlitz wird voll Ruh,
Dein Geist voll göttlicher Gedancken,
Die Leyer tönt, des Vorspiels Kraft vertreibt
Den Schauer knechtisch banger Schrecken.
»Ein grosser Mann, der voll Gerechtigkeit
Nie von dem weisen Vorsatz wancket,
Wird durch des Pöbels Wuth, der tobend Laster heischt,
Und durch der rasenden Tyrannen
Ergrimmten Blick und Antlitz nimmermehr
In seinem festen Sinn erschüttert.
Er scheuet nicht den Zorn des Africus,
Des stürmschen Herrn der wilden Wellen,
Und selbst den grossen Arm des donnernd starcken Zevs.
Ja stürtzte gleich die Welt zusammen,
So würd ihn zwar der grausen Trümmer Last,
Doch unerschrocken, niederschlagen.«
Wohin fliegst du, wo findest du den Weg,
Wodurch der irrende Alcides
Durch jenes helle Thor beflammter Schlösser drang?
Wie hörtest du die hohe Juno,
Im Götter-Rath, des Schicksals strengen Schluß
Von Trojens Untergang vermelden?
Steigt, steigt zugleich durch die bestirnte Luft
Horatz und du, o deutscher Flaccus,
Und setzt der Doris Bild bey Ariadnens Krantz.
Ich will hier in den Thälern bleiben,
Und ihrer blühenden erhobnen Schilderey
Der sanften Lieder Ehre opfern.

[19] Der Muse Freude über Damons Wiederkunft

Mein Damon hier! Auf! werde wieder froh,
Komm, reich ihm selbst, o Muse, meine Faust,
Mit zärtlich redlichem Vergnügen,
Die Hand, das Pfand der Treu, und heiß ihn hier willkommen.
Liebkose dein und meinen Freund
Mit unverstelltem frohen Schmeicheln,
Und zeig ihm, was vor Lust in Brust und Adern wallt,
Da du sein Angesicht nun wiederum erblickest.
O sieh, wie froh die arme Clio ist.
Sieh, liebster Freund, sieh, wie sie hüpft und springt,
Und sich vor Lust kaum weiß zu lassen,
Und sich nicht satt kan sehn, da sie dich wieder siehet.
Sie macht ihr Haar mit Blumen bunt,
Sie holt ihr eingeschlafnes Spiel
Von dem entlaubten Arm der magern Weide wieder.
Sie stimmet es und spielt von nichts, als Lust und Jauchzen.
So freudig ist die treue Galatee,
Wenn sie von ferne sieht, aus fremder Luft
Den liebsten Schäfer wieder kommen.
Sie ruft und eilet ihm mit offnen Arm entgegen,
Und schlägt ihr fliegend Haar zurück,
Und wenn sie ihn erreichet hat,
Umfängt sie ihn und küßt und streichelt Mund und Wangen,
Und straft ihn oft, daß er so lange ausgeblieben.
O wie betrübt war meine Poesie,
Da du den Fuß aus unsern Gräntzen trugst,
Sie warf Lust, Krantz, und Laute nieder,
Und schloß die Hand nicht mehr mit denen Schäfferinnen
Zum Tantz in einen Circkel ein,
Sie saß an dem gelehrten Bach,
Worinn die Thränen stets von ihren Wangen fielen,
Und seufzte, Damon, nur, und Thal und Wald ruft Damon.
[20]
Doch nun singt sie mit froh und hellerm Ton,
Da du sie wieder hörst, du der sie sonst geliebt,
Und, ja, ich seh es schon im Geiste,
Wie wir in Einigkeit mit Liedern streiten werden,
Wenn du den Sitz bewohnen wirst,
(Wozu mein Mund dir Glücke wünscht,)
Wo nach dem Garten sich beblümte Wiesen breiten,
An die das Wäldchen schließt, wodurch ein Flüßchen murmelt.

Des Thirsis Empfindungen bey Damons Hochzeitlust

Die Königin der reinen Triebe,
Der Menschen Trost und Lust, die Liebe,
Begleit, o Damon, deinen Fuß.
Ja, Freund, empfange mit Vergnügen
Wirst du bey ihrer Fahne siegen,
Den sanft durchdringend keuschen Kuß.
Mein Geist entreißt sich, dich von weiten
Voll Sehnsucht immer zu begleiten.
Mich dünckt, ich seh dein holdes Kind,
Ich seh, wie sie mit süssen Blicken
Ich seh, wie sie dich mit entzücken
Mit ihren weissen Armen bindt.
Mich dünckt, daß ich euch im Vertrauen
Kan bey einander sitzen schauen.
Ich höre, wie du manchen Schertz
Ihr sinnreich in die Ohren pflüsterst,
Und ihn mit einem Kuß verschwisterst,
Und immer sprichst: Mein Kind, mein Hertz!
Doch, wenn ihr nun von andern Sachen
Auch etwann werdet Worte machen;
[21]
So bring ihr dann daneben bey,
Daß einen, wo die Saale fliesset,
Der Freundschaft Band mit dir umschliesset,
Und sag ihr, daß es Thirsis sey.
Sag ihr, wie wir uns redlich lieben,
Und oft vereint im Singen üben.
Sag ihr, ich rühmte eure Glut,
Ja unbekannt ihr holdes Wesen;
Weil du sie dir zur Braut erlesen,
Vielleicht wird sie mir darum gut.
Und, o wie werd ich voller Feuer
Wohl bald an ihr, mit meiner Leyer
Die holden Tugenden erhöhn;
Doch nein, es werden deine Saiten
Ihr ein weit schöner Lob bereiten,
Und mit ihr zu den Sternen gehn.
Du wirst auch ihr, bey deinem Singen
Die Lorbeern um die Haare schlingen,
Die deine Hand am Pindus bricht.
Sie darff die Laura, voller Freuden,
So wie die Doris nicht beneiden;
Sie weichet auch Callisten nicht.
Wie glücklich sind der Nymphen Sinnen,
Die einen Dichter lieb gewinnen!
Wer sollte dich, Euridice,
Wer, schöne Nemesis, nicht kennen,
Wer Lalagen nicht glücklich nennen,
Wer preißt dich nicht, o Galathee?
Doch die wird sie, mit ewgen Zweigen
Und Ruhm gekrönt, weit übersteigen.
Jedoch, was stöhr ich eure Ruh!
[22]
Kurtz, hier sind der Gesellschaft Lieder,
Doch komm auch bald zur Saale wieder,
Und höre deinem Damon zu.

Amalia, der Doris Schwester

Sie ist es. Ja! an ihrer Seite
Sitzt unsre Doris, neben ihr.
So stellet ich sie mir noch heute,
So angenehm, so artig für.
So ist ihr schönes Angesichte,
So trägt sie Hand und Brust und Leib.
O Muse, sieh das muntre Weib,
Und freu dich, auf des Geistes Früchte.
Jezt winckt mir schon die holde Doris,
Ihr rollend Fahrzeug kömmt uns nah.
Willkommen unsre andre Chloris,
Willkommen o Amalia!
Die Chloris, die der Frühling führet,
Hat ihre Schätze angewandt
Und schon mit blumenvoller Hand
Die Wiesen für dich ausgezieret.
Früh hab ich selber zugehöret,
Wie sich das Chor der Nymphen übt,
Und stets einander singend lehret,
Wie man die preißt, die jeder liebt.
Bald sah ich eine sich entfernen,
Und dort von einer Nachtigall
Den künstlich ungezwungnen Schall,
Manier und Harmonien lernen.
Da andre dort vereinigt singen,
So läßt die Echo durch den Wald
Amalia zuletzt erklingen,
[23]
Daß es durch Feld und Wiesen schallt.
Die gantze Gegend ist erreget,
Jedweder Schäfer eilt zum Tantz,
Geschmückt mit einem jungen Krantz,
So wie man sonst an Festen pfleget.
Du wirst dich auch nicht wundern können,
Daß ihnen alles dieß bewußt;
Sie hörten dich fast täglich nennen,
Wir sprachen stets von dir mit Lust.
Komm, laß es dir bey uns gefallen,
Nimm alles selbst in Augenschein.
Und denn laß durch den kleinen Hain
Auch deine sanfte Flöte schallen.

[24] [27]Thirsis Empfindungen, als er bey Damon war

Pyra und Lange

Der rauhe Fürst des Nords verkündigte nun schon,
Mit grimmigem Gesicht und stürmerischen Ton
Des nahen Winters Macht. In einem düstern Wetter
Wälzt er so Staub als Sand und Wolcken gelber Blätter,
Der Bäum entrissne Pracht, durch Wiesen, Feld und Wald
Und kehrte Straß und Weg mit wütender Gewalt
In dunckler Würbel Lauf, die schwebend leichten Düfte
Verdickt der Kälte Druck, verfinsterte die Lüfte.
Die Tage wurden kurtz, und noch darzu der Nacht
Durch starrer Nebel Dunst bey nahe gleich gemacht.
In dieser rauhen Zeit ging P–– seinen L––
Den redlich treuen Freund freundschafftlich zu empfangen
Nebst seiner Dorothee, das allerliebste Paar,
Das ihn recht redlich liebt, dem er verbunden war.
Ja er verachtete der Winde strenges Wehen
Des Weges Läng und Schweiß um ihr Gesicht zu sehen.
Er kam ermüdet hin, gleich um die Mittagszeit,
Und traff dis holde Paar in schönster Einsamkeit
[27]
Bey ihrer Mahlzeit an. Nach freundlichem Willkommen
(Als er in ihrer Mitt ein Plätzgen eingenommen)
So legte sie ihm gleich ein gutes Stückgen für,
Und Thirsis zehrt es auf im schwatzen mit Begier.
Drauf zeigte Doris ihm, die Milch, die sich inzwischen
Die schöne Hand bemüht mit Beeren zu vermischen,
Die sie auf ihn gespaart, allein sie war zu alt,
Und taugte nun nicht mehr, indem er nicht so bald,
Als sie gemeint, erschien. Sie lebten mit Vergnügen,
Wie wahre Freunde thun, und durch des Zeitlauffs Fügen
Fiel ihr Geburtsfest ein. Der Schertz von Dorothen,
Gab beyden Freunden es halb schalckhaft zu verstehn.
Sie liessen beyde sichs gewiß nicht zehnmal sagen,
Sie sonnen beyde drauf, die Leyer gut zu schlagen
Und gingen in den Hain. Darauf fing Thirsis an:
Mein theurer Damon, Freund, den ich nicht schätzen kan,
Wie freudig sah ich doch stets dein Vergnügen steigen,
Und deine Doris dir die neue Hoffnung zeigen:
Wie lustig will ich doch mit dir, mein Liebster, seyn,
Wenn nun ein kleiner wird auf ihrem Schoosse schreyn.
Selbst meine Brust verspührt dein väterlich Vergnügen;
Denn das, was dich ergötzt, muß auch mein Hertz besiegen.
Damon.

In Doris hat mir Gott mein gantzes Glück beschehrt
Und wenn mich manchmal auch der Sorgen Last beschwehrt
So bin ich doch getrost, wenn ich sie sehe lachen:
Doch ihr Betrübnis kan mich wieder traurig machen.
Gewiß, hätt ich sie nicht, so wär ich nicht beglückt,
Und ohne sie wär ich zu leben nicht geschickt.
Die Liebe ziehet uns stets immermehr zusammen,
Stets spühr ich neue Gluth und doch die alten Flammen,
Die Tage reichen nicht zu unsrer Liebe zu,
Wir lieben uns, auch selbst unwissend in der Ruh.
Bald pfleget sie die Hand im Schlaf nach mir zu strecken,
Bald sucht mein matter Arm sie sorgsam zu zu decken,
[28]
Jetzt streichelt tappend mich die schlaffe sanfte Hand,
Bald schliesset sie mich fest in ihrer Arme Band
Und wenn sie offtermals die Hand zu hoch beweget,
Hab ich, wie sie vermerckt, sie oft zu recht geleget.
Bald heb ich mich, wenn ich noch voll des Schlafes bin,
Und sinck im halben Kuß entschlummernd wieder hin.
Um ihrent willen nur, in ihr lieb ich mein Leben
Für sie bin ich es auch bereit dahin zu geben.
Sie ist mir zwar weit mehr, als hundert Kinder werth;
Jedoch, wenn mir auch Gott durch sie dis Glück beschehrt,
So wird ein neues Feur in meiner Brust entbrennen.
Und ich als Mutter sie aufs neue lieben können,
Weil ich als meinen Schatz sie mehr nicht lieben kan.
Du siehst, mein Thirsis, ihr die neue Hoffnung an,
Und meine Freude muß dir auch dein Hertz durchdringen.
Thirsis.

Gott lasse deinen Wunsch und meinen auch gelingen
Und Doris und dein Kind dich viele Jahre sehn.
Was kan wohl glücklichers so dir, als mir geschehn.
Ich, den die Flöte nur nach euch allein vergnüget,
Ich, der den wilden Lerm des Reimer Schwarms bekrieget,
Ich werde, liebstes Paar, dich immermehr erhöhn,
Und solte gleich der Neid noch eins so hönisch schmähn:
Der Neid, den noch mein Lied und euer Lob verdriesset,
Und dem zu Trotz mein Mund mit Opitz Worten schliesset:
O ihr seligen zwey Liebe
Bleibt in unverrücktem Triebe,
Bleibt in stets beglückter Ruh.
Gott, der Vater, saget zu
Aus den sauer süssen Nöthen
Einen artigen Poeten.
Was das liebe Kindelein
Wird mit halbem Munde machen,
Was es kürmeln wird und lachen
Werden lauter Verse seyn.

[29] Des Thirsis weissagender Segen über Hilas

Heil mit dir, du theurer Knabe,
Anmuthsvolles holdes Kind,
Hoffnungsreicher Hilas, wachse!
Sprossend blühend edler Zweig,
Eines Gottgeweihten Stammes,
Unter dessen süssen Schatten
Thirsis, der getreue, sang:
Steige glücklich in die Lüfte.
Du befeuchtend heilger Segen
Thaue auf sein grünend Haupt,
Aus dem schattenleeren Himmel.
Und du Sonne ewger Huld,
Breite die geweihten Strahlen
Ueber seine junge Blätter.
Ja die Vorsicht wache selbst
Für dein Wachstum, dein Gedeyen.
Freude deines edlen Vaters,
Eintzger Trost der treuen Brust,
Ja du wächsest, ja du blühest,
Mein Gelübde wird erhört.
Freude, Lachen, Schertzen, flattern
Rund um dich auf allen Seiten.
Und wer führt dich an der Hand,
Ists Aglaja, oder Doris?
Ja sie ists, sie führt ihn lächelnd,
Und ihr Hertz hüpft, wie ihr Söhnchen.
Aber alle Gratien
Tantzen um sie her im Kreise,
Und bestreuen sie mit Blumen,
Doris lächelt, spielt und singt.
Ihr vergnügensvoller Blick
[30]
Macht die trüben Lüfte heiter,
Machet lauter Rosen wachsen,
Und der Lentz herrscht überall.
Unterdessen sitzet Damon
Freudig, doch in ernster Stille,
Und sein Ernst ist Hilas Spiel.
Alles Lachen, Springen, Schertzen,
Die Lebhaftigkeit der Freude,
Die Entzückung in der Lust,
Munterkeit in den Geberden,
Saltz in ungesuchten Worten,
Seines Geistes Schildereyen,
Prüft dein philosophscher Blick,
Untersucht, mit frohen Schlüssen,
Dein wahrsagendes Gemüthe.
Ja von deiner muntern Jugend
Siehest du das Lustspiel hier,
Von der Unschuld aufgeführet.
Und die frohe Weisheit selber
Mischt sich unter das Geleite
Der vergnügen Kindheit ein.
Ja sie führt ihr lachend Chor
Selbst zum Tantze, an den Reihen.
Hilas hüpft in ihrem Circkel,
Dessen junges Haar ein Kräntzgen
Von den Gratien durchbalsamt,
Und die Mutter singt zum Tantze.
Aber, welch ein neuer Aufzug!
Welch ein Glantz zertheilt die Wolcken!
Sieh hinauf, des Himmels Thor
Oeffnet seine goldne Flügel,
Und die Kinder jenes Lichtes
Steigen mit begläntzten Schwingen
In den nahen Hain herab.
[31]
Sie umringen meinen Hilas,
Und die heilig holden Hüter
Wachen über jeden Schritt.
Unbesorgt spielt er mit ihnen,
Einem kleinen Engel gleich.
Himmlisch reine Harmonien
Schallen durch die nahen Büsche,
Und gewöhnen schon sein Ohr
Zu unsterblichen Gedichten.
Aus der unsichtbaren Schule
Kömmt er einst in deine Hand;
Dann wird sich von deinem Geiste
Ein gelehrter Einfluß stets
In des jungen Dichters Brust,
Der dir nachgeflogen, giessen.
Ja mich dünckt, wir sehen ihn
Schon mit deinen Flöten spielen.
Strenges Schicksal, könnt ich doch
Dann um meinen Hilas seyn,
Wann sein Mund den nahen Wald,
Seine zitternd erste Töne
Wiederschallen lehren wird.
Damon, Doris, Hilas, ach!
Sollt ich doch an eurer Seite
Einst mein Schwanen-Lied noch singen!
Und du, o mein liebster Freund,
Thränend einst mein Grabmal krönen!
Hier sprach mein Hertz; hier schwieg die Kunst.

Thirsis und Damons Beschäftigung

Es hatte die gefrorne Nacht
Sich mit dem schnellen Heer der Sternen,
[32]
Und mit dem Monde in der Fernen,
Schon lange auf die Flucht gemacht.
Indem der Sonnen neuer Strahl
Der Schäfer muntres Volck erweckte,
Und Berge, Wiesen, Wald und Thal,
Den Augen wiederum entdeckte.
Der Reiff, der Feld und Thal erfüllt,
Ward durch die Sonn in Thau verkehret;
Und da sie alles aufgekläret,
So spiegelt sie ihr goldnes Bild
Sowohl in dieser Tropfen Naß,
Die auf dem falben Grase stehen,
Als in den Spiegeln grosser Seen.
Ihr Strahl erquickte Feld und Gras.
Die Hirten öffneten nun schon
Die Thore knarrend an den Ställen.
Drauf hörte man den Klang der Schellen,
Des muntern Viehs vermischten Ton.
Man sahe mit Vergnügen an,
Wie froh die jungen Lämmer springen,
Und wie die Schafe blökend dringen;
So geht der Bock gantz stoltz voran.
Inzwischen hatte Thirsis sich
In jenen tiefen Hain begeben,
Worinn er, bey dem stillen Leben,
Sehr oft vor sich allein entwich.
Hier pflegt er in der Einsamkeit,
In dürrer Bäume dünnen Schatten,
Mit seinem Damon sich zu gatten,
Und dieser war auch itzt nicht weit.
Sie sungen den, der in der Nacht
So mächtig sie auf dieser Erden,
Mit ihrer Hütte und den Heerden,
[33]
Durch seiner Geister Schutz, bewacht.
Bald rührten sie der Saiten Chor,
Bald stimmten sie ihr Schäfer-Rohr;
Jetzt töneten des Maro Lieder
Auf ihren deutschen Flöten wieder.
Drauf höreten sie auf den Höhn
Die Doris ihrem Damon rufen
Und sahen von des Hügels Stufen
Sie eilig aus dem Wäldchen gehn.
Sie kam und schlung die weisse Hand
Um ihres Liebsten Hals mit küssen,
Und wollte liebreich strafend wissen,
Warum er sich von ihr gewandt.
Dann fragte sie, was wir denn hier
Entfernet und alleine singen,
Und wie wir hie die Zeit verbringen,
Und sprach zu uns: Gehorchet mir,
Denn heute ist das Namensfest
Der edlen Dorothee erschienen.
Wollt ihr die Freundin nicht bedienen?
Ich weiß, daß keiner dieses läßt.
Drauf setzten sie sich an die Höh
Und lehrten beyde Thal und Wälder
Den Bach, die Auen, und die Felder
Das Lob der edlen Dorothee,
Und wünschten ihr viel Glück und Heil.
Du aber laß von deinen Chören,
O Doris, auch ein Liedchen hören,
Du nimmst daran am meisten Theil.

[34] Der Freundschaft Sieg über Gram und Neid

Pyra und Lange


Als noch dein freyer Geist sein Wachen
Nicht völlig deinem Fleisch und Blute schuldig war,
Da aß ich froh, getrost und ohne Sorgen,
Von deinen mir mit Lust gereichten Bissen,
Da stillt ein Becher unsern Durst,
Da tauchten wir zugleich in eine blancke Schaale,
Dein Arm trug meines Kummers Last,
Und mein versiegelt Hertz dein Sorgen.
Da lebten wir mit Lust beysammen,
Und spotteten sowohl des Glückes, als des Grams.
Ich sang, du sangst; du sangst und Doris horchte,
Und nahm dich küssend in die Arme.
Der Stimme spielend Ebenbild,
Das in durchschallten Wald aus holen Felsen rufet,
Die Echo trug der Doris Lob
Und Namen tausendfältig weiter.
Von pöbelhaftigen Begierden
Würd ich und du befreyt, mit uns allein vergnügt,
Du mit der scharffen Flöt, ich mit der Leyer,
Die letzten Wildnisse besuchet haben,
Wo die unfruchtbare Natur
Kein grüner Busch erfreut, kein frischer Schatten kühlet,
Wo über unser Haupt das Rad
Des Sonnenwagens tiefer schwebte.
Ich würd in einem Schäferkleide,
Dort um des reissenden und breiten Tygris Strand
Von eurem Ruhm mit Lust gespielet haben.
Es hätten mich der holden Namen wegen
Die Löwen gantz entzückt gescheut.
Ja, ja, es hätten selbst die rauhen regen Felsen
Bewegt von eurem Ruhm erklungen.
[35]
Da hätten uns die falschen Freunde,
Durch Phöbus Pfeil verjagt, im Singen nie gestöhrt;
Du hättest selbst der Barbarn Hertz erweichet;
Und ihre Grausamkeit uns nie getrennet.
Und wie! du längst verlachter Neid,
Du denckst das heilge Band der Freundschaft aufzulösen?
Hast du in deiner Bosheit Frist,
Nicht Damon, Thirsis, kennen lernen?

[36] [38]Des Thirsis Vereinigung mit Damon und Doris den Himmel zu besingen

Ein grosser Geist, der Sternen Erb und Sohn,
Genießt, o Freund, in ewig hellen Sphären,
Weit von der blinden Nacht der tiefen Welt,
Der heiligsten Tage.
Die Ehr erweckt die weise Jugend schon,
Der väterliche Trieb des holden Himmels
Wacht stets um ihn, und stöhrt unruhig stets
Vergiftendes Schlummern.
[38]
Mit weichem Arm zerreißt er schon das Band
Der Vorurtheil und niedrigen Begierden;
Er ehret nur das himmlische Gesetz
Der Weisheit und Tugend.
Durch sie gestärckt, hebt er sein siegend Haupt,
Vom Sonnenlicht erhellt, aus Dunst und Nebel.
Die Ewigkeit zeigt von des Himmels Höh
Die Fackel und Palme.
Er steigt und singt das Lob des Ewigen;
Es schalt sein Lied von allen Sternen wieder.
Der Pöbel sieht den Glantz der hohen Bahn,
Er sieht ihn und bellet.
Wohlan, mein Freund, laß deine Flügel nie
In jener reinsten Luft ermüdet werden.
Dein Thirsis folgt, sieh, er versuchet schon
Die wachsenden Schwingen.
O Damon, nichts zerreisset unsern Bund,
Ein gleicher Weg wird beyder Spuren führen.
Getrost, es grünt des Tempels Höhe schon
Mit ewigen Bäumen.
Komm, Doris, komm, durch deine Freundlichkeit
Verklären sich die allertrübsten Wolcken.
Komm, würdige mit tugendvollem Blick
Die Seelen zu stärcken.
Dein sanftes Bild, der Anmuth Abdruck wird
Durch unsre Hand gemeinschaftlich vollendet,
Dereinsten dort, an jenem keuschen Baum,
Im Schatten erhoben.
Der Musen Chor, der Ring der Tugenden,
Und jede Schäferinn wird Blumen sammlen.
Und stets dein Bild, und den geweihten Ast
Mit Kräntzen behängen.
[39]
Der schönste Tag wird stets dein Festtag seyn.
Da werden sie im Schatten deiner Zweige
Dein würdig Lob und deines Mannes Ruhm
Im Reihen erneuern.
Du aber wirst mit dieser Mine stehn,
Womit du sonst auf dein muthwillig Söhnchen,
Wenn es im Schoosse schertzt, und deinen Mann,
Ja mich auch gelachet.

[40] [42]Thirsis macht sich bereit den Damon zu besuchen

Wohin, wohin, ihr süssen Rasereyen,
Des feurigen Vergnügens starcke Lust?
Wohin, wohin, entreißt ihr meinen Geist?
O selige Thäler!
Wer rufet mich, wer kömmt mir schon entgegen?
Wer ists, als du, mein Damon, meine Lust!
Ich seh dich schon, und Hilas an der Brust;
O himmlische Doris!
Welch grauser Blick! Ach fliehet diese Thäler,
Kommt, flieht mit mir! O rauchend blutges Feld!
Mars triumphiret mit besprütztem Schwerdt
In demantnen Waffen.
Gebt mir die Hand! Komm Damon, komm o Doris,
Kommt, ewiglich geliebte Zwey, ach kommt!
Errettet euch, mein Hilas sey die Last
Der willigen Arme.
[42]
Schau, Doris, schau, die grausen Wüsteneyen
Bedeckt dein Blick mit aller Blumen Pracht.
Du singst, o Freund, es kommen zum Pallast
Die Felsen gerollet.
O! was sind dieß vor unbekannte Wiesen?
In derer Einsamkeit kein falscher Freund uns stöhrt?
Wo hört man mich, euch, einem Schäffer gleich,
Gantz frölich besingen?
Wie ist mir, ach! erwach ich aus dem Schlafe?
Welch lieblicher, jedoch auch schwerer Traum
Umnebelte mein wachendes Gehirn,
Und drückte mein Hertz?
Ach Damon, Freund, ach Doris, sollt ihr beyde,
Verjagt und arm, mit mir in Wüsten ziehn?
Soll deinen zarten Fuß, o Doris, und dein Kind
Die Wüste verbrennen?
Ach sollt ich nicht in eurem heilgen Haine,
Mit euch allein, in düstrer Einsamkeit,
Dich, Doris, freundlich lächeln, lieblich schertzen sehn,
Dich, Damon, singen hören?
Ach solltest du, o Hoffnung, mich betrügen?
Mein theures Paar, ich werd, ich werd euch sehn;
Ihr werdet mich mit eurem ofnen Arm
Bald keuchend umfangen.
Der Wanderstab steht wartend an der Pfoste,
Und mein Geräth liegt auf den Weg bereit.
Erbittet mir zu meiner Reise nur
Den frölichen Morgen.
Sobald als nur die glühend grössre Sonne,
Mit strahlendem und halben Angesicht,
[43]
Nach zwoen Nächten noch, dort über jener Höh
Auf unser Thal wird blicken;
Sobald werd ich, vor Lust unausgeschlafen,
Mich aus dem Grund auf jenen Berg erheben,
Und da ihr noch in euren Armen ruht,
Euch wandernd oft singen.
Eh als der süsse Dunst des ehlchen Schlummers
Von euern Augen noch zertheilt verschwinden wird;
So werd ich schon von fern dein Dorf und euch
Mit Jauchzen begrüssen.
Doch quäle mich mit traurigen Gedancken
Von dir, o Freund und Doris, fort nicht mehr.
Bey eurer Lust leb ich allein vergnüget,
Mit euch auch sterb ich traurig.

Des Thirsis Ruhe in Damons Freundschaft

Schätzbarste Stütze meines Wohls,
Mitleidender Gefehrt, trostreichster, liebster Zeuge
Der stillen Sorgen banger Tage,
Du unbestechlicher Bewahrer meiner Treu,
Und der, in deinem edlen Busen
Ernährten, ewgen Gluth der Redlichkeit.
Ach Freund, ach Damon, laß mein Hertz
In deinem mir stets ofnen Hertzen
Die Freystatt für den Kummer suchen.
Ja, ja, du öfnest deinen Arm!
Ich flieh ins Heiligthum von deinem ofnen Hertzen.
Hier leg ich meine Lasten nieder,
Und mein beklemmter Geist erholt sich, schöpfet Luft.
O welch ein Einfluß süsses Trostes!
[44]
O welche Linderung, o welch ein Meer voll Lust
Ergiesset sich in meine Brust!
O glückliche, o hohe Stärckung!
O theure Freundschaft sey gesegnet!
Ja, Freund, sonst find ich nirgends Ruh,
Als nur in Damons Brust, und dort in Gottes Himmel,
Gestärckt durch mein und deine Tugend;
Die Tugend, die nur jetzt der Weisheit stilles Licht,
Von Gott geschenckt, im Nebel führet.
Ich fühle das Gewicht von der Beängstigung,
Ich walle oft in trüber Nacht,
Wie mitten in dem Sturm der Wellen,
Jedoch ihr Schimmer theilt die Schatten.
Ich gebe keine Großmuth vor,
Die aus der Felsen-Brust der Menschen ausgestossen;
Gott wills, ich fühle meine Sorgen;
Ein Hiob geht bey mir zehntausend Catons vor.
Der tobet wider Welt und Himmel;
Der trägt die Last und seufzt, doch murrt er nicht dabey.
Jedoch, das eitle Zeitliche
Ist wohl vielleicht des Pöbels Sorge?
Freund, kan sonst was die Tugend drücken?
Doch Damon fühlet es ja auch.
Ja, Freund, dein Beyspiel ist das Zeugniß dieser Wahrheit.
Der Tugendhaftige, der Pöbel,
Stehn unter einer Last, doch himmelweit entfernt.
Des Pöbels Unglück sind die Laster,
Des Tugendhaftigen nichts, als sein Unglück selbst.
Der Pöbel mehrt sich seine Quaal
Durch Niederträchtigkeit und Klagen.
Hier seufzt der Mensch, die Tugend tröstet;
Wie, wenn der Sturmwind den Orest
Von seinem Pylades in eine Wüste schmeisset;
Der an dem Ufer gantz verlassen,
Der mitten aus der Fluth die Hände ringt und streckt,
[45]
Doch, selbst vom Wetter fortgerissen,
Ihn in der Wüsteney mit Jammer lassen muß.
Dann irret jener an dem Ufer,
Und rufet seinen Freund, sein Nam erfreuet ihn,
Mit Angst und Zärtlichkeit erfüllt.
Doch mitten in der weiten Wüste
Reicht Gott und Tugend ihm die Arme.
Du höchster Vater aller Welt,
Gott auch des kleinsten Wurms, laß uns in Schweiß und Sorgen
Die gantze Last der Tugend tragen;
Nur aber laß mich nie in Niederträchtigkeit
Der schwartzen Bosheit dienstbar werden.
Verbleibe du mir stets, o meine Poesie,
In deiner hohen Reinigkeit.
Las sie zum Dienst der schnöden Seelen,
O Himmel, nie erniedrigt werden.
Was vor ein anmuthsreicher Strahl
Durchschimmert meine Nacht und mahlt die finstern Nebel,
Aus welchem freudenvollen Himmel – – –
O, Doris, bist du es, du lächelst, und es taget.
Dein Blick erheitert unsre Tugend,
Und du lachst auch, du kleine Munterkeit,
Du, der verschwundnen Tage Lust,
O Hilas, auf der Doris Schoosse.
Ja schertzt vergnügt. Dieß tilgt mein Sorgen.

[46] [48]Des Thirsis Empfindungen, da er ihnen entgegen geht

Du Sohn der Großmuth und der Treue,
O Damon, meine Lust, und ewig meine Zier,
Du würdiger Bewahrer meines Hertzens,
Du durch die Huld des Vaters aller Liebe
Für mich allein bestimmter Freund,
Sieh da das Bild des gantz entzückten Geistes,
Durchschau das ofne Heiligste
Des dir gewiedmeten Gemütes.
Bis in den stillen Grund der Seelen,
Vom allerreinsten Licht erhabner Zärtlichkeit
Durchaus erhellt, verkläret und durchdrungen,
Entzückst du mich, voll himmlischer Gedancken,
Mit dir von der unwürdgen Welt,
Vom Schwarm des Staubs, in ewig heitre Sphären.
O göttlich schöne Einsamkeit!
Nichts ist um mich, als du und Doris.
Ich höre dich, still, ruht ihr Lüfte,
O Doris höre drauf, du süsse Freundlichkeit,
Der Unschuld Bild, der Tugend reine Tochter,
Mein Damon singt von dein und meiner Liebe;
[48]
Der gantze Himmel wird verklärt;
Mein Hertz, beklemmt von innigstem Vergnügen,
Schöpft Luft, bey deiner keuschen Lust,
Erleichtert sich, durch fremde Zähren.
O Freund, wer giebt dich meinem Arm?
Was hält, was hält dich auf? was, bist du noch nicht da?
O Zeit! warum verweigerst du so lange
Der Brust den Trost, dem Wunsche die Vergnügung?
Mein Auge weicht nicht von der Höh,
Wovon der krumme Weg sich zu uns niederdrehet.
Nun, nunmehr kommen sie hervor.
Ach! nicht mein Damon, meine Doris.
Kein Gang in noch entlaubten Schatten
Des rieselnden und schmahlen Schmerlenbachs
Kan meinen Fuß in die begrünten Thäler
Zu sich herab von eurem Wege locken,
Der steil und voller Sand und Kies
Für meine Schenckel jetzt allein ein Lustgang bleibet,
Wo selbst mein niemals müder Schritt
Noch einen neuen Fußsteg zeichnet.
Dann steh ich einsam auf der Höhe
Bey gantzen Stunden still, voll sehnlicher Begier;
Der Wind pfeift mir durch die zerstöhrten Haare,
Doch irrt mein Blick durch alle Weg und Felder
Und über Thürm und Berge hin.
Oft waffn ich auch die allzublöden Augen;
Doch Damon, Doris, kommen nicht;
Und Abends kehr ich traurig wieder.
Die unverzärtelt muntre Lerche,
Wenn sie den Morgenthau, gantz frostig, wie bereift,
Von den geschütterten beperlten Federn sprützet,
Dringt durch die Macht unschuldig heisser Triebe
Bis unters rothe Thaugewölck;
Schaut unter sich Berg, Thäler, grüne Felder,
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Wann die verjüngte Sonn erscheint,
Und wieder in die Wolcken sincket;
Bald flittert sie mit regen Schwingen,
Bald steigt sie schnell empor, bald ruht sie wiederum,
Und hänget hoch an unbewegten Federn;
Bald lehret sie hoch aus den blauen Lüften
Die Welt das Lob des Ewigen;
Bald singet sie, die Gattin zu erfreuen;
Und bald ruft sie ihr kirrend zu;
Zuletzt sinckt sie stillschweigend nieder.
Dieß sah ich, wenn ich nach dir sah,
Und fand mit halbem Trost ein gleich betrübtes Bild.
O fesselte mich nicht das Band der Pflichten,
Die meiner Treu allein vertrauet worden,
So flög ich schon in deinen Arm:
Ich dränge durch die brausend wilden Strudel
Der Stürm in der durchwühlten Luft,
Die Dächer, Feld und Wald bestürmen.
Ich müßt euch sehn, dich und die Doris,
Die Doris, gegen die mein Hertz ein Feuer nährt,
Das in der stärksten Loh doch keinen Dampf erzeuget,
Und die mir selbst das Zeugniß soll ertheilen:
Ja Thirsis war ein edler Freund,
Der mich, so sehr, so zärtlich er mich ehrte,
Nie, wie Tibull des Freundes Weib,
Durch ein verwehrtes Wort beschämte.
Dieß soll, o Freund, die Nachwelt wissen,
Die unsre Lieder liest. Der Jugendzunder liegt
Zwar in dem Blut und Hertzen auch verborgen,
Allein die Majestät von ihrer holden Tugend
Bewafnet auch die meinige
Durch jeden süssen Blick der ehlich reinen Lichter.
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Die Hydra schnaubet Glut und Dampf,
Umsonst, die schwartzen Flammen fallen.
Das kan die Tugend edler Seelen.
Du kanntest deinen Freund, des Mistrauns tolle Brut
Bemeisterte sich nie des grossen Geistes,
Du schaltest nie der ofnen Freundschaft Zeichen,
Wir lebten, wie Geschwister thun.
Wie froh war ich, o Freund! bey euren Küssen?
Vergnügt mit eurer Freundlichkeit,
O solt ich ewig mit euch leben!
Begraben in der Ruh der Liebe,
Von keinem hochgeehrt, von dir allein geschätzt,
Wollt ich bey euch mein Dach mit Zweigen decken,
Wenn Gott mich nicht zu andern Diensten rufte,
Und ich dir nicht zur lieben Last,
Mir selber zum Verdruß um deinetwillen würde.
Die Armuth wär ein Ueberfluß,
Ich hätte gnug. Gott, dich, und Doris.

Des Thirsis Treue

Mein Damon, ewiglich von mir geliebter Freund!
Von dessen felsenfester Liebe
Der gantzen Welt verlachter Sturm und Zorn
Mein standhaft Hertz nicht würde reissen können;
Du dessen hoch und edlen Geist
Der Himmel, der uns einst besonders hold gewesen,
Mit vollem Segen mir zum Trost herabgesandt,
Als er, bevor dein Freund der Sonnen Glantz gesehen,
Mir ein so hohes Glück bestimmt,
Das kein gemeiner Geist auch nur zu schätzen wüßte;
Dein Thirsis bleibt getreu. Und du Zerstörerin
Der eitlen stoltzen Wunderwercke,
Zeit, du tilgst nie aus meiner festen Brust
[51]
Des edlen Paars zu tief gegrabne Namen.
Ja, ja, es soll die Ewigkeit,
O Damon, Doris, einst an daurnden Ehren-Mählern
Die gläntzenden verschlungnen Züge sehn,
Wie sie am sandigten und Erlenvollen Ufer
Der hellen Krebsereichen Spree
Durch euers Schäfers Hand tief eingeschnitten stehen.
Des Unglücks Wolcken ziehn noch über meinem Haupt;
Ich sitze traurig in dem Dunckeln;
Nichts tröstet mich, als Gott und eure Gunst,
In meiner arm und frommen Mutter Armen,
Die mich durch ihren Schweiß ernährt.
Wie oft erzähl ich ihr mit Thränen in den Augen,
Die Liebe, die ihr mir ohn Eigennutz erzeigt;
Wie groß und treu dein Hertz, wie liebreich schön die Doris,
Was Hilas uns für Lust gemacht.
Sie weint, und segnet euch mit aufgehobnen Händen.
Freund, ach warum sind wir getrennt!
Ach soll ich euch nicht ferner sehen!
Wo ist ein Freund, so edel, als wie du,
Wo find ich, Doris, doch so eine holde Freundin?
Vergesset euren Thirsis nur
Mein Damon, Doris, nicht, vergeßt, vergeßt mich nimmer.
Was hab ich auf der Welt, als euch, das mich erfreut?
Und läst mein Unstern mich euch nicht mehr hier umarmen,
So seuftz ich nach der Ewigkeit,
Ach Freund, mit welcher Lust werd ich euch dort umfangen!
[52]

Notes
Die Lieder wurden erstmals gedruckt in: Thirsis und Damons freundschaftliche Lieder, hg. von Bodmer, Zürich (Conrad Drell und Co.) 1745 (anonym). Das Lied »Thirsis Empfindungen, als er bey Damon war« wurde erstmals gedruckt in der zweiten vermehrten Auflage, Halle (Carl Hermann Hemmerde) 1749.
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TextGrid Repository (2012). Pyra, Jakob Immanuel. Freundschaftliche Lieder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8AC7-E