Eine praktische Abhandlung von der Kunst zu bestechen, ingleichen, sich bestechen zu lassen.
Es ist beinahe keine Handlung und Beschäftigung in der Welt, welche man nicht in gewisse Regeln gebracht, mit Gründsätzen befestigt und mit Exempeln erläutert hätte. Wir haben eine Kunst zu lieben, eine Kunst zu trinken, eine Kunst zu regieren, eine Kunst zu leben. Mit solchen Kleinigkeiten beschäftigt sich unser spielender Witz, wichtigere Sachen verabsäumen wir. Sind wohl alle diese Künste dem Menschen so nötig, als ihm die Kunst zu bestechen ist? Ich schäme mich, daß ich der erste sein muß, der meinen Landsleuten die Augen öffnet, meinen Landsleuten, die so oft mit einem patriotischen Stolze die Glückseligkeiten ihrer aufgeklärten und erleuchteten Zeiten rühmen. Ich null es thun, wenigstens will ich einen Versuch davon liefern ... Man wird meiner Lehre glauben können, da ich mit Überzeugung lehre. Der zärtliche Ovid lehrte die Kunst zu lieben, der feurige Horaz die Kunst zu dichten. Und ich, berechtigt durch mein Amt, ich lehre die Kunst zu bestechen...
– Wie glücklich bin ich, wie viel gewinne ich nicht, wenn ich die hohe Kunst verstehe, einem eigennützigen und unwissenden Richter auf eine anständige Art und mit gutem Nachdrucke begreiflich zu machen, daß meine Sache gerechter ist als die Sache meines Gegenparts, oder (im Kanzleistil zu reden) wenn ich weiß, meine Richter zu bestechen!
Das ist alles Pedanterie, was der unnütze Fleiß müßiger Rechtsgelehrten von der Erklärung der Gesetze geschrieben hat. Für wen schreiben sie dieses? Für die Richter? Viele von ihnen lesen nicht einmal die Gesetze; wie sollen sie Geduld genug haben, die trockenen Erklärungen zu lesen. Für die Advokaten? Den wenigsten unter ihnen ist daran etwas gelegen, daß die Gesetze deutlich sind. Für die Parteien? Was hilft es den Parteien, Erklärungen zu wissen, die dem Richter ekelhaft, den Advokaten in ihrer Nahrung so nachteilig sind?! – Die sicherste, die beste, die vorteilhafteste Art, den eigentlichen und wahren Sinn der Gesetze seinem Richter deutlich zu machen, ist die Kunst, ihn zu bestechen.
[117] Ein Richter wird noch immer (wenigstens um die Formularien seines Amtes zu beobachten) unparteiisch und gewissenhaft thun ... Durch die Kunst zu bestechen erleichtern wir unserm Richter die Unbequemlichkeit des Gewissens.
Ich verlange schlechterdings, daß man solches als eine Kunst ansehe. Man muß die Geschicklichkeit besitzen, die Gemüter der Menschen – die Leidenschaften eines Richters zu erforschen ... Der Angriff muß von der Seite geschehen, wo der Richter uns die Blöße giebt, sonst wird er sich verteidigen, und der Gegner wird sich unsere Unvorsichtigkeit zunutze machen ... Man muß sich durchaus nicht merken lassen, daß man bestechen will: ein jeder will für einen ehrlichen Mann gelten. So niederträchtig unser Richter ist, so hungrig er ist, sich bestechen zu lassen: so sehr werden wir ihn beleidigen, wenn wir ihm merken lassen, daß wir die Absicht haben, ihn zu bestechen ...
Damit ich dasjenige deutlicher mache, was ich hier gesagt habe, so will ich ein paar Briefe einrücken, wo man dem Richter sagt, daß man ihn bestechen will. Ein jeder setze sich an die Stelle des Richters und prüfe sich, was er in diesem Falle würde gethan haben.
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Die Anleitung besteht aus folgenden Briefen (von welchen unsere Ausgabe des Raumes wegen nur die wichtigsten wiedergiebt).
1) Schreiben, wie ein ungewissen hafter Vormund den Richter nicht bestechen soll.
Mein Herr!
Ich will es Ihnen aufrichtig gestehen: die Klage, die mein ehemaliger Mündel wider mich erhoben hat, ist leider gegründet genug. Ich habe einen ziemlichen Teil seines Vermögens teils verwahrloset, teils an mich gebracht. Vielleicht wäre ich wenigstens vorsichtiger gewesen, wenn ich nicht die Absicht gehabt hätte, meine Tochter an ihn zu verheiraten. Dieses würde meine Sache und meine Rechnungen gerechtfertigt haben. Mein Fehler ist es nicht, daß sich diese Ehe zerschlagen hat. Inzwischen bin ich unglücklich, da ich über eine Sache angegriffen werde, da ich mich nicht verteidigen kann. Es würde mir dieser Zufall noch empfindlicher sein, wenn ich mit einem Richter zu thun hätte, der zu gewissenhaft wäre, sich bestechen zu lassen. Ich freue mich unendlich, [118] mein Herr, daß Sie es nicht sind. Sie haben den Ruhm in der ganzen Stadt für sich, daß Sie zuerst auf Ihren Vorteil und hernach auf Ihrer Klienten Sache sehen. Sie werden mir nicht ungütig nehmen, daß ich hier eine Sache gegen Sie erwähne, die Sie meines Wissens niemals heimlich gehalten haben. In der That ist es auch für Sie kein Fehler. Und wäre es ja ein Fehler, so würde die Schuld auf diejenigen fallen, welche Sie in dieses Amt gesetzt, da Sie ihnen nicht haben unbekannt sein können. Mit einem Worte, es ist hier etwas zu verdienen. Mein Advokat, ein Mann, welcher wohl verdiente, Ihr Nachfolger zu sein, ist überzeugt, daß ich eine ungerechte Sache habe, und dennoch getraut er sich, durch Deren gütige Vermittelung den Prozeß wenigstens 12 Jahre aufzuhalten, wenn ich 1000 Thaler Gebühren dran rücken wollte. Dieser Vorschlag scheint mir, unter uns gesprochen, etwas eigennützig zu sein. Ich habe es anders ausgerechnet. Von diesen 1000 Thalern würden ungefähr dreihundert Thaler an Sie als Richter kommen; Sie sollen aber fünfhundert davon haben. Zweihundert sende ich Ihnen hiermit auf Abschlag, die übrigen dreihundert bekommen Sie sofort, wenn ich den Prozeß ohne Weitläufigkeit gewonnen habe. Ich rede mit einem Manne von Erfahrung. Es wird mir also nicht schwer, Ihnen die Billigkeit meines Suchens verständlich zu machen. Nehmen Sie es immer ohne Bedenken an. Sie, m.H., können an Ihrem ehrlichen Namen nichts weiter verlieren; ich aber kann einen Prozeß dadurch gewinnen. Ich verlasse mich auf Ihre billige Einsicht und bin,
Mein Herr,
Ihr Diener.
Mein Herr,
Ich empfinde das Unglück, welches alle redliche Vormünder empfinden, wenn sie undankbare Mündel herangezogen haben. Ich habe mir wegen meines jungen Vetters weder eine Unachtsamkeit, [119] noch einige Untreue vorzuwerfen; ich habe sein Vermögen redlich, wenigstens so gut als das meinige besorgt. Desto mehr muß es mich kränken, da ich erfahre, daß dieser junge, unbesonnene Mensch bei Ihren Gerichten Klage wider mich erhoben hat. Durch einen Zufall, den ich nicht habe vermeiden können, sind ein großer Teil meiner Privatrechnungen verloren gegangen, durch welche ich meine Unschuld darthun und den mutwilligen Zumutungen meines Mündels vorbeugen könnte. Es würde mich dieses unruhig machen, wenn ich mit einem andern Richter zu thun hätte, als mit Ihnen, mein Herr! Wie glücklich bin ich, da ich weiß, daß mein guter Name, meine zeitliche Ruhe von der weisen Einsicht eines Mannes abhängt, welcher sich seit vielen Jahren den Ruhm verdient hat, daß er der gerechteste Mann sei! Sie wissen es, mein Herr! und Sie haben die traurigste Erfahrung selbst gehabt, wie empfindlich es einem rechtschaffenen Vormunde sei, dergleichen undankbare Vorwürfe von der ausschweifenden Jugend anzuhören. Erinnern Sie sich einmal dieser Erfahrung und haben Sie Mitleid mit mir. Eine nachdrückliche Zuredung von Ihnen wird diesen jungen Menschen, der von Natur nicht boshaft, sondern nur verführt ist, gar leicht wieder in Ordnung bringen. Sein Advokat wird sich seines Unternehmens schämen müssen, wenn er aus Ihren Vorstellungen sieht, daß Sie, mein Herr, sein Beginnen verabscheuen. Sie werden mich hierdurch mit einemmale aus einer Unruhe reißen, welche mich viele Jahre hindurch beängstigen und mir viele Unkosten verursachen könnte. Viele hundert Thaler würden kaum zureichend sein, mich eines Anspruchs zu entschütten, welcher mir durch den Verlust meiner Rechnungen so gefährlich wird. Es ist nichts billiger, als daß ich Ihnen eine kleine Versicherung meiner Erkenntlichkeit gebe. Da ich durch Ihre gütige und vielvermögende Vermittlung so viel hundert Thaler ersparen kann, so sind beiliegende 200 Thaler nur ein geringer Anfang derjenigen Schuld, die ich abzutragen mir vorgenommen habe. Ich beschwöre Sie bei Ihrer Amtspflicht, bei Ihrer Begierde, unrechtleidenden Personen beizuspringen, bei dem Ruhme, den Sie sich bei aller Welt erworben haben, daß Sie ein Feind aller ungerechten Bedrängungen und kostbaren Rechtshändel sind, bei der Hochachtung, die ich und die ganze Stadt für Sie hege: betrüben Sie mich dadurch nicht, daß Sie dieser meiner guten Absicht eine unrechte Deutung geben. Sehen Sie diese Kleinigkeit nicht als etwas an, das mir gehört; sehen Sie es vielmehr als [120] einen Teil desjenigen an, was Sie durch Ihre Bemühung den Klauen meines ungerechten Gegners entreißen. Dieser unbillige Mensch würde mir es mit Gewalt abgepreßt haben. Muß ich mich also nicht freuen, wenn ich es in den Händen eines rechtschaffenen Mannes wissen kann, welcher es nur anwendet, Arme zu unterstützen und unrechtleidenden Personen beizuspringen? Nehmen Sie es zu diesem großen Endzweck an. Glauben Sie, daß niemand so begierig ist, erkenntlich zu sein, als ich es bin. Retten Sie mich aus den Händen eines eigennützigen Gegners und ersparen Sie einem jungen, unbesonnen Menschen die Schande der Undankbarkeit. Hemmen Sie diesen Rechtshandel – oder zum mindesten helfen Sie mir ohne Weitläufigkeit zu dem Rechte, das ich habe und doch schwer erweisen kann. Von einem so erfahrenen, gelehrten und rechtschaffenen Manne, als Sie sind, mein Herr, ist dieses noch das wenigste, was ich erwarten kann. Von mir erwarten Sie Hochachtung und Dankbarkeit, solange ich lebe. Ich bin,
Mein Herr etc.
der Ihrige
Mein Herr!
Sie werden sich nun nicht mehr wundern, wenn ich Ihnen die Ursache sage, warum ich gestern abend in einer beständigen Zerstreuung gespielt habe. Der Advokat meines Gegners ist bei mir gewesen und hat mich so lange aufgehalten, bis ich zu Ihnen glich. Der unwissende Mann! Seine Bosheit hat neue Waffen erdacht, mich niederzuwerfen. Bei der gerechtesten Sache, die ich habe, kann ich doch der unglücklichste Mann werden. Er macht gar kein Geheimnis daraus, daß er nicht eher ruhen will, bis er mich ganz mürbe gemacht. Seine Wut geht so weit, daß er selbst Sie, mein Herr, nicht schont und in allen Gesellschaften ungescheut vorgiebt, Sie wären der Einzige, der sich einkommen ließe, ihn an seinem Rechte zu hindern. Ein solcher Vorwurf muß einen gerechten und unparteiischen Mann, wie Sie sind, mehr vergnügen als kränken. Sie also, mein Herr, sind nach dem Bekenntnisse Ihrer und meiner Feinde noch der Einzige, der meine gute Sache unterstützt. Wie glücklich bin ich, wenn Sie die Gütigkeit haben und sich derselben ferner annehmen! Es muß Ihnen natürlich sein, dieses zu thun, da Sie ein so billiger Mann sind. [121] Wenigstens würden es meine Feinde für eine Frucht ihrer Drohungen halten, wenn Sie anfingen, derselben mit wenigerem Eifer sich anzunehmen. Nein, daß läßt sich von Ihnen gar nicht denken. Meine gerechte Sache und mein gerechter Richter lassen mich dabei ganz ruhig sein. Ich bin mit unveränderter Hochachtung,
Mein Herr etc.
N.S.
Hier übersende meine gestrige Spielschuld. Meine Zerstreuung ist so groß gewesen, daß ich vergessen habe, wie viel sie eigentlich betragen. War es mehr, so bitte, mir es zu melden. Ich werde es mit Dank zahlen.
Mein Herr!
Ich werde mich freuen, wenn Ihre Sache so beschaffen ist, daß säe zu Ihrem Vorteile ausschlagen muß. Ich werde nichts thun, als was die Gerechtigkeit erfordert, um das Vertrauen zu verdienen, so Sie gegen mich äußern. Kläger hat allerdings viel für sich, das werden Sie selbst nicht leugnen können. Indessen will ich keinen Fleiß sparen, Ihre Hoffnung, so gut es möglich sein will, zu erfüllen und mich bei Ihnen von einem empfindlichen Verdachte zu rechtfertigen, als wäre ich auf die Gerechtigkeit der Sache nur alsdann aufmerksam, wenn man mir eine Belohnung von ferne weist. Wodurch habe ich bei Ihnen ein so bitteres Kompliment verdient? Sie hätten es nicht thun sollen, mein Herr; und ich muß gestehen, daß mich Kläger in diesem Stücke besser kennt. Aber es sei drum. Dem ungeachtet will ich Ihnen zeigen, daß diese kleine Beleidigung mich nicht hindert, mit aller Ergebenheit zu sein,
Mein Herr,
Ihr Diener etc.
10) Ein Handgriff, wie man einem Richter, den man besticht, die saure Mühe ersparen kann, rot zu werden.
11) Des Richters Antwort auf den stummen Brief.
12) Gebessertes Formular, wie ein Kaufmann seinen Richter bestechen soll.
13) Anleitung, einen Richter mit Holz zu bestechen.
[122] 14) Ingleichen – mit alten Münzen und Gemmen.
15) Rezept, wie eine schöne Frau den Richter gewinnen soll.
16) Des Richters viel bedeutende Antwort darauf.
Madame,
Ihr Unglück rührt mich. Ich habe mir die Akten vorlegen lassen. Ich finde aber verschiedene bedenkliche Umstände, die, wie es scheinen will, Ihrem Manne sehr nachteilig sind. Ich werde mich freuen, wenn Sie mich überzeugen können, daß meine Besorgnis ungegründet sei. Eine mündliche Unterredung ist dazu wohl am geschicktesten. Ich bin den ganzen Tag beschäftigt, früh um 6 Uhr aber werde ich noch ungestört sein. Ich erwarte Sie in meinem Kabinett. Mein Kammerdiener hat Ordre, Sie durch die Galerie zu mir zu führen. Fassen Sie Mut. Ich wenigstens will thun, was in meinem Vermögen ist. Leben Sie wohl.
17) Ein Brief, wie man den Kommissar mit der Furcht vor seinen Obern besticht.
18) Dergleichen – mit der Furcht vor seinem eigenen bösen Gewissen.
19) Dergleichen – mit der Furcht vor Wechselschulden.
20) Eine arme gedrückte Witwe bittet um Gerechtigkeit bei ihrem Richter.
21) Des Richters Antwort.
22) Vier Formulare von der mittelbaren Bestechung durch die Weiber der Richter, nach ihren verschiedenen herrschenden Leidenschaften.
23) Schreiben an einen Amtmann, der viel von der Küche und wenig von der Amtsstube versteht.
24) Schreiben an seine juristische Tochter, so dasDirectorium Actorum führt.
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Ich habe die billige Absicht, den Nutzen von meinen Briefen allgemein zu machen. Bisher habe ich größtenteils nur für diejenigen gesorgt, welche in der kleinen bürgerlichen Welt ihr Glück suchen. Hier will ich noch einen Brief für diejenigen einrücken, welche sich an den Hof wagen wollen. Er ist so deutlich, daß ich nicht nötig zu sagen habe, wovon er handelt. Meine Leser werden es bei dem ersten Anblick finden.