[99] Lied der Treue

Wien im März 1782.


Schön sind die blumichten Matten,
Hold ist das blühende Reis,
Mild sind, im kühlenden Schatten
Gaukelnd, die Lüfte des Mays.
Aber dir weichen, o Beste!
Blumen und blühendes Reis,
Weichet die Milde der Weste,
Weichet die Anmuth des Mays.
Und o mein Alles! an Treue
Gleicht dir kein Weib in der Welt.
Arm bist du zwar: doch ich freye
Weder nach Würde, noch Geld.
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Müsst' ich auch alles ertragen,
Wählen den schmählichsten Stand,
Brüdern und Freunden entsagen,
Fliehen mein mütterlich Land;
Müsst' ich in Wildnissen wohnen,
Hätt' ich zur dürftigen Kost
Täglich nur Wurzel und Bohnen,
Alles ertrüg' ich getrost.
Alles ertrüg' ich zufrieden;
Denn was dem Glücklichsten hier
Je das Verhängniss beschieden,
Alles das fand ich in dir.
Drum sollt' ich je dich verlassen,
Dich, die allein mir gefällt,
Dann mag der Himmel mich hassen,
Und mich verachten die Welt.

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TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Gedichte. Gedichte. Lied der Treue. Lied der Treue. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8C9C-4