[246] An Fräulein Gabriele von Baumberg

Innsbruck im Brachmond 1786.


Ein junger Musensohn, der, seine Milz zu heilen,
Nun frische Bergluft schnappt, entbeut durch diese Zeilen
Der schönen Sängerinn am stolzen Isterfluss
Hier vom bescheidnen Inn der Freundschaft trauten Gruss.
Verehrungswerthe Gabriele,
Die du des Körpers Reitz durch Bildung deiner Seele
Verschönerst, Häuslichkeit mit Geist und Witz vereinst,
Und wider den Gebrauch der weiblichen Pagoden,
Für die das Studium der Moden
Das Non plus vltra ist, mehr zu bedürfen meinst,
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Als das Talent, das Lärvchen weiss zu schminken,
Von hundert Bändern flugs das schönste zu erspähn,
Mit Artigkeit Kafee zu trinken,
Auf weichen Sophen sich recht adelich zu blähn,
Des Gatten Zuversicht mit schlauer Kunst zu täuschen,
Und wackrer Leute Ruf mit Anstand zu zerfleischen,
Wenn meine rohe Zeichnung dir
Nicht missfällt, so vergönne mir,
O süsse Schwester der Kamönen,
Die mannigfaltigen Schattirungen und Scenen
Der unverkünstelten Natur,
Die hier zu Land mir zu Gesichte kamen,
Mit ungeübter Hand, im Schattenrisse nur,
Auf diesem Blatte nachzuahmen.
So wie man sich, von Wälschlands Reitzen satt,
Von der berühmten Vaterstadt
Des lockeren Katulls (der hier bey manchem süssen
Gedichtchen, dem es noch an Politur gebrach,
Nach ältrer Dichter Art die Nägel sich zerbissen)
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Nach Norden kehrt, thürmt allgemach
Die Erde sich empor, und wolkenhoch erheben,
Von grauen Nebeln rings umgeben,
Der Berge Häupter sich, die Wälschlands milder Luft
Den Eintritt in Tyrols verwachsne Thäler wehren.
Es reiht sich Berg an Berg: des Thales enge Kluft,
Voll finstrer Tannen, gleicht der Heimath wilder Bären.
Hier richtet senkrecht sich bis in der Wolken Saum
Die steilste Steinwand auf, aus deren dunkler Ritze
Einsiedlerisch ein halbverwelkter Baum
Emporzuwachsen strebt: dort streckt die nackte Spitze
Ein traurigkahler Berg empor,
Den grünlichgelbes Moos und grauer Kies umhüllen.
Aus seinem Rücken ragt ein Felsenstück hervor,
Und droht, zum Sturze reif, der Tiefe Schlund zu füllen.
Des Thales Raum ist dicht mit Steinen übersät,
Aus denen hie und da ein Distelstrauch entsteht.
Es herrschet weit und breit ein schauerliches Schweigen:
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Vergebens sucht man nur ein Hüttchen zu erspähn.
Nichts regt sich rings umher im Thal und auf den Höhn:
Kaum ächzt ein Vögelchen auf dürrer Bäume Zweigen.
Wie freut' ich mich, als dieses wüste Land,
Mit schroffen Felsenhöhn so wie mit einer Kette
Umschlossen, mehr und mehr vor meinem Blick verschwand,
Und ich in eines Thals gewässerreichem Bette,
In dem, umschanzt von Höhn, auf einer mildern Flur
Sich Rovereith, Trient und Botzen
Erheben, beyderseits durch grüne Schatten fuhr!
Zwar scheint die Erd' auch hier verwildert; denn es trotzen
Noch, schichtenweis' in blanken Schnee verhüllt,
Mit Tannenbäumen dicht und wild
Bewachsen, und mit Wolkenschleyern
Bemäntelt, steile Reihn von rauhen ungeheuern
Gebirgen um und um dem nahen Horizont.
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Es stürzen brausende mit Schaum bedeckte Bäche
Sich rasch von Fels auf Fels hinunter in die Fläche:
Doch ist der Boden rings bepflanzet, und besonnt
Blinkt bald ein Thurm, bald eine Hütte,
Bald der zerfallne Rumpf von einem Ritterschloss
Durch schattichtes Gesträuch, bald weidet sorgenlos
Ein Schaafhirt seine Heerd' auf eines Hügels Mitte.
Aus diesem langen Thal und seiner Haine Grün
Zieht nun der enge Pfad sich gegen Brixen hin.
Hier wird, obwohl auch da nicht weniger gigantisch
Das waldichte Gebirg sich in die Luft erhebt,
Und oft sein Gipfel frey auf niedern Wolken schwebt,
Die Aussicht um und um viel heller, und romantisch
Bald falb, bald grün schattirt, und mit Gesträuch besäumt,
Erweitert sich das Thal, durch das die Eisack schäumt.
An Korn und Reben reich, erhöhen stufenweise
Sich Alpenreihen rings im Kreise.
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Hier zeigt ein Sommerhaus sein rothgefärbtes Dach;
Dort gleitet sanft ein silberheller Bach
Den Hang des Bergs hinab, und wässert eine Wiese:
Kurz, dieses holde Thal gleicht einem Paradiese.
Doch allen diesen Reitz und mehr noch überwiegt
Des Hügels Anmuth weit, auf welchem Ambras liegt.
Hier hat das Auge Raum, sich rings an Matten, Auen,
Fruchtfeldern, Rebenhöhn und Quellen satt zu schauen.
Diess alte Schlösschen ist's, wo an der Schwanenbrust
Der schönen Welserinn im Taumel süsser Lust
Einst Herzog Ferdinand so manches Stündchen säumte,
Als er, trotz seines Vaters Drohn
Und Philippinens Stand, bey Tag' ihr auf dem Thron
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Und nachts in seinem Bett ein kleines Plätzchen räumte.
O Freundinn, wenn ein Mann von deutscher Biederart
Bald das, was Ferdinand einst Philippinen ward,
Auch dir wird, und dich liebt, wie treue Gatten lieben,
So denkt dabey an den, der dieses Blatt geschrieben,
Und mit dem warmen Wunsch es schliesst,
Einst im zufriednen Kreis von Kindern dich zu sehen,
Die mit Entschlossenheit die Bahn der Tugend gehen,
Und gut und edel sind, wie's ihre Mutter ist.

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TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Gedichte. Gedichte. An Fräulein Gabriele von Baumberg. An Fräulein Gabriele von Baumberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8D1B-B