35. Twei Geschichten von den ollen Kasprati tau Rostock

De Gesellschaft

De oll Kasprati is gewiß
Tau Rostock nich allein bekannt,
Un männig schönes Läuschen is
Von em bericht't dörch't ganze Land.
Na, de hadd mal en lüttes Swin
Von Melmsen tau Sapshagen köfft
Un hadd, as wir de Nam' ok sin,
Dat Swin denn ok nah Melmsen döfft.
»Die kleine Melms«, so näumt hei't bloß,
Un kamm mal einer tau em rinner,
Denn güng ok dat Vertellen los,
Nich etwa von sin Fru un Kinner,
So as dat süs woll pleggt tau sin,
Ne, von »die kleine Melms«, von't lütte Swin.
»Die kleine Melms«, de würd nu up den Kaben
Mit eine olle Säg tausamen set't,
Un as dat kamm so gegen Fastelaben,
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Dunn was de Säg ok riklich fett.
De würd nu slacht't, un as't gescheihn,
Dunn satt »die kleine Melms« allein,
Un't was, as ded sei sick d'rüm grämen,
Sei wull kein Fauder tau sick nemen.
»Die kleine Melms« ward däglich slimmer,
Un oll Kasprati, de geiht rümmer
Un schellt sin Knecht und schellt sin Mäten
Vör Slüngels, Esels un vör Schelms,
De em dat Swin verhungern leten,
Un jammert üm »die kleine Melms«.
Na, üm de Tid besöcht ick em einmal,
Hei gung in sine Gaststuw up un dal,
Schimpt un schandierte mörderlich:
»I weiß nich, was i mach bei die verfluchti Sach':
Die kleine Melms, die is ganz kümmerlich,
Sie freßt mi un sie sauft mi nich.
I weiß nich, was ich dabei mach!«
»De Schad'«, segg ick, »de is nich grot;
Dat lütte Dirt, dat grämt sick blot,
Sei möten em Gesellschaft gewen.«
»Gesellschaft? Ja, das mein i eben!
Da föllt mir mit de Kellner ein.
Christ! – Junge! – Christ, komm doch mal rein!
Die kleine Melms, die grämt sich sehr,
Sie sitzt allein auf ihre Kafen.
Was meinst du, Christ, wie wär,
Wenn du die Nacht so bei ihr schlafen?«

Dat Küssen ut Leiw

Eins satt ick bi em ganz allein,
Un hei vertellt mi des' Geschicht:
»Sehn Sie die Stein, die großi Stein?
Die großi Stein, die is mir dicht
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An meini Kopf vorbei gesprung'.
Sitz i hier in die Stub', da schmeißt mir so'ne Jung'
Bei helle Tag in Fenster rein.
Ei Sackerment! I fix zu Bein
Und auf die Straß' un krieg mir ein
Von die verdammti Jung' bei G'nick.
'Carnalli!' sag ick, 'hab ick dick?'
'Ne', sagt die Jung', 'i hab das nicht getut,
Dat is die Schneider Jentzen ihr.'
'Wo is die sackermentsche Jung', die Tunichgut?'
Je, die verdammti Jung' war nich mehr hier.
I geh nu zu die Schneider Jentzen hin,
Un als i in die Stuben bin,
Da steht die Jung', die Galgenstrick,
Un schreit denn gottserbärmenlick.
'Frau Schneider Jentzen, diese Stein',
Sag i, 'die hat mir Ihre Jung'
Geschmeißen in mein Fenster rein.'
Un als i das gesagt, dunn schlung
Die Frau mir ihre Arm um meini Nacken
Un küßte mir auf beidi Backen.
Und als sie so auf mir kommt los
Und ihre Arm so um mi schlung,
Da denk i noch, sie kußt mi bloß
Vor die Erbärmlichkeit von ihre Jung';
Doch als ich sie zurück nu schieb,
Da kann i sehn, sie kußt mi vor die Lieb.«

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Reuter, Fritz. 35. Twei Geschichten. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8E4B-A