Festlied am Tage der Offenbarung Christi

Werde licht, du Stadt der Heiden,
Und du, Salem, werde licht,
Schaue, welch' ein Glanz mit Freuden
Ueber deinem Haubt anbricht!
Gott hat derer nicht vergessen,
Welch' im Finstern sind gesessen.
Dunkelheit die muste weichen,
Als dieß Licht kam in die Welt,
Dem kein anders ist zu gleichen,
Welches alle Ding' erhält;
Die nach diesem Glanze sehen,
Dürfen nicht im Finstern gehen.
Ach, wie waren wir verblendet,
Ehe noch dieß Licht brach an!
Ja, da hatte sich gewendet
Schier vom Himmel jedermann,
Unser' Augen und Geberden
Klebten blößlich an der Erden.
[261]
Irdisch waren die Gedanken,
Torheit hielt uns ganz verstrickt;
Satan macht' uns schändlich wanken,
Wahre Tugend lag verrückt;
Fleisch und Welt hat uns betrogen
Und vom Himmel abgezogen.
Finsternis fand sich auf Erden,
Finster war es in der Lehr';
Alles wolte finster werden
So, daß auch des Höchsten Ehr'
Und der Wahrheit unterdessen
In dem Finstern ward vergessen.
Gottes Rat war uns verborgen,
Seine Gnade schien uns nicht,
Klein' und Große musten sorgen,
Jedem fehlt es an dem Licht,
Das zum rechten Himmelsleben
Seinen Glanz uns solte geben;
Aber, wie herfür gegangen
Ist der Aufgang aus der Höh',
Haben wir das Licht empfangen,
Welches so viel Angst und Weh'
Aus der Welt hinweg getrieben,
Daß nichts Dunkles übrig blieben.
Jesu, reines Licht der Seelen,
Du vertreibst die Finsternis,
Welch' in dieser Sündenhölen
Unsern Tritt macht ungewis;
Jesu, deine Lieb' und Segen
Leuchten uns auf unsern Wegen.
Nun, du wollest hie verbleiben,
Liebster Jesu, Tag und Nacht,
Alles Finstre zu vertreiben,
Das uns so viel Schreckens macht;
Laß uns nicht im Dunklen waten
Noch ins Höllenmeer geraten.
Liebster Jesu, laß uns leuchten
Dein erfreulichs Angesicht,
Laß uns deine Gunst befeuchten,
Wenn das Kreuzfeur auf uns sticht;
[262]
Laß uns ja wie Christen handlen
Und in deinem Lichte wandlen.
Schenk' uns, Herr, daß Licht der Gnaden,
Das ein Licht des Lebens ist,
Ohne welches leicht in Schaden
Fallen kan ein frommer Christ;
Laß uns dieses Licht erfreuen,
Wenn wir »Aus der Tiefe« schreien.
Dieses Licht läßt uns nicht wanken
In der rechten Glaubensbahn;
Ewig, Herr, wil ich dir danken,
Daß du hast so wol gethan
Und uns diesen Schatz geschenket,
Der zu deinem Reich' uns lenket.
Gib, Herr Jesu, Kraft und Stärke,
Daß wir dir zur jeden Zeit
Durch beliebte Glaubenswerke
Folgen in Gerechtigkeit
Und hernach im Freudenleben
Heller als die Sterne schweben.
Dein' Erscheinung müß' erfüllen
Mein Gemüt in aller Not;
Dein' Erscheinung müsse stillen
Meine Seel' auch gar im Tod';
Herr, in Freuden und im Weinen
Müsse mir dein Licht erscheinen!
Jesu, laß mich endlich gehen
Freudig aus der bösen Welt,
Dein so helles Licht zu sehen,
Das mir dort schon ist bestellt,
Wo wir sollen unter Kronen
In der schönsten Klarheit wohnen.

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TextGrid Repository (2012). Rist, Johann. Gedichte. Geistliche Lieder. Festlied. Festlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9A78-1