[183] [185]Hertzliches Klag- und Trost-Lied
Einer angefochtenen, hochbetrübten Seelen, so mit Angst und Verzweiffelung ringet.
1.
Jammer hat mich gantz umbgeben,
Elend hat mich angethan.
Trawren heist mein kurtzes Leben,
Trübsal führt mich auf den Plan.
Gott, der hat mich gar verlassen,
Keinen Trost weis ich zu fassen
Hie auff dieser Unglücks Bahn.
2.
Grausamlich bin ich vertrieben
Von des Herren Angesicht',
Als' ich, jhn allein zu lieben,
Nicht gedacht' an meine Pflicht;
Drumb muß ich so kläglich stehen.
Doch es ist mir recht geschehen:
Mein Gott rieff, ich hört' jhn nicht.
3.
Ach mein Schifflein wil versincken
Recht auff diesem Sünden-Meer.
Gottes Grimm läst mich ertrincken,
Denn sein' Hand ist viel zu schwer.
Ja mein Schifflein läst sich jagen
Durch Verzweifflungs-Angst und Plagen
Gantz entanckert hin und her.
4.
Gott hat mein jetzt gar vergessen,
Weil ich nicht an jhn gedacht.
Meine Sünd' hat er gemessen
Und mir feindlich abgesagt,
Daß ich ringen muß die Hände.
Sein Erbarmen hat ein Ende,
Schier bin ich zur Hellen bracht.
[185] 5.
Wo ist Rath und Trost zu finden,
Wo ist Hülff' in dieser Noth?
Herr, wer rettet mich von Sünden,
Wer erlöset mich vom Tod'?
Ich gedencke zwar der zeiten,
Da du pflagst für uns zu streiten,
Ja zu ziehen aus dem Koht'.
6.
Aber nun hat sich geendet
Deine Lieb' und grosse Trew.
Ach! Dein Hertz' ist abgewendet
Und dein Grimm wird täglich new.
Du bist von mir außgegangen;
Herr, dein Zorn hält mich gefangen,
Ich verschwinde wie der Sprew.
7.
Höllen-Angst hat mich getroffen,
Mein Gewissen quälet mich.
Kein' Erlösung' ist zu hoffen,
Ich empfinde Todes-Stich'
Und ein unauffhörlichs Sterben.
Herr, ich eile zum Verderben,
Ich vergehe jämmerlich.
8.
Grawen hat mich überfallen,
Zittern hat mich angesteckt.
Schwerlich kan ich nunmehr lallen,
Angst und Furcht hat mich bedeckt.
Ach! Ich wandel' jetzt die Strassen,
Da ich mich muß martern lassen;
O wie wird mein Geist erschreckt!
9.
Wil mir denn kein Trost erscheinen,
Spür' ich gar kein Gnaden-Liecht?
Nein: Vergeblich ist mein weinen,
Mein Gebet, das hilfft mir nicht.
Uber mich verlaßnen Armen
Wil kein Helffer sich erbarmen;
Ich bin todt, mein Hertz zerbricht!
Christlicher Trost der angefochtenen Seelen.
10.
Liebste Seel', hör' auff zu schreyen,
Deines Klagens ist zu viel.
Nach dem Trawren kommt das Frewen,
Hertzens-Angst hat auch jhr Ziel.
Wechseln ist bey allen Sachen;
Nach dem heulen kan man lachen,
Gott, der treibt mit dir sein Spiel.
11.
Ist dein Heyland von dir gangen:
Er wird wiederkommen schon
Und mit Frewden dich umbfangen
Recht wie den verlohrnen Sohn.
Hat dein Liebster dich verlassen,
Ey er kan dich doch nicht hassen,
Seine Güt' ist doch dein Lohn.
12.
Hat dich Gott dahingegeben,
Daß dich Satan sichten sol
Und das Creutz dich mache beben:
Ey er meynt doch alles wol;
Diß sind seiner Liebe Zeichen,
Die doch keiner kan erreichen,
Wenn er nicht ist Glaubens voll.
13.
Ob dich dein Gewissen naget,
Ob dein Geist bekümmert ist,
Ob der Höllen Furcht dich plaget,
Ob dich schreckt des Teuffels List:
Trawre nicht, Gott wird es wenden
Und dir grosse Lindrung senden,
Wenn du nur gedültig bist.
14.
Moses hat diß auch erfahren
Und sein Bruder Aaron.
Noah und die mit jhm waren,
Sahen nicht die Gnaden-Sonn.
David, Joseph und Elias,
Petrus, Paulus und Tobias
Trugen auch jhr Theil davon.
15.
Sey zufrieden, liebe Seele,
Billich trägst du solche Last.
Hie in dieser Unglücks-Höle
Weis man doch von keiner Rast.
Drumb so stille doch dein Zagen
Und bedenck', es sind die Plagen,
Die du längst verdienet hast.
16.
Brausen jetzt die Wasserwogen,
Morgen stillet sich das Meer.
Ist dir heut' einst Frewd' entzogen,
Morgen kommt sie wieder her.
Ist dir aller Trost entgangen:
Sey zufrieden, dein Verlangen
Wird erfüllet ohn Beschwer.
[186] 17.
Was betrübst du dich mit Schmertzen?
Stille doch, und harr' auff Gott.
Dancken wil ich jhm von Hertzen,
Daß ich werde nicht zu Spott'.
Ob er mich gleich würde tödten,
Hilfft er mir dennoch aus Nöthen,
Er, der starcker Zebaoth.
18.
Herr', errette mich mit Frewden
Aus der Höllen Grawsamkeit.
Hilff mir, daß ich auch im Leyden
Dir zu dienen sey bereit.
Gibst du nur des Geistes Gaben,
Daß sie mir die Seele laben,
Tret' ich frölich an den Streit.