Lob des Hoflebens
Himmel, dir sei Lob gesungen,
Daß ich der bin, der ich bin,
Auch annoch fein ungezwungen
Leben kan nach meinem Sinn.
Hoher Dinge Lieb und Lust
Herschen nicht in meiner Brust.
Neulich als ich angesehen
Großer Leute Stand und Pracht,
Wust ich kaum wie mir geschehen,
Denn ich hätt' es kaum gedacht,
Daß so große Schlaverei
Bei der Fürsten Höfen sei.
[196]Heißet das in Freud und Ehren
Seine Jahre bringen zu?
Gott, wie läßt man sich bethören!
Ist doch weder Rast noch Ruh'
An den Höfen, wo man sich
Plagen muß so jämmerlich.
Wann der Hofeman wil essen,
Muß er erstlich auf die Jagd,
Da der Mahlzeit wird vergessen
Und nur an das Wild gedacht.
Ach, da murren Magn und Mund,
Hungrig ist man als ein Hund.
Wann der Hofemann wil schlafen,
Muß er für der Tafel stehn;
Hat er Nötigs gleich zu schaffen,
Muß er doch nach Hofe gehn;
Bittet ihn ein Freund zu sich,
Spricht der Fürst: »Ich fodre dich.«
Wann der Hofemann wil schreiben
Was sein eignes Werk betrifft,
Ruft der Junker: »Laßt das bleiben!
Man wird heut' ein' ander Schrift
In Pokalen setzen auf.
Bruder, scher herauf und sauf!«
Ei, du feines Hofeleben!
Solt ein Mensch, der witzig ist,
Dir den höchsten Preis nicht geben,
Da du doch so jämrich bist!
Ei, daß solchem Ungemach
Edle Seelen laufen nach!
Recht das heißt zu Hofe laufen
Und zu Hof' ein Jäger sein,
Tag und Nacht zu Hofe saufen
Den geschmierten Schwefelwein;
Wachen, hoffen, höhnisch sehen,
Das heißt recht zu Hofe gehen.
O, wie selig ist zu schätzen,
Der in seinem Hüttelein
[197]Auf gut schäfrisch sich ergetzen
Und sein eigner Herr kan sein,
Essen da, was Gott beschert,
Werden nie durch Zank beschwert.
Himmel, dir sei Lob gesungen,
Daß ich der bin, der ich bin,
Auch annoch fein ungezwungen
Leben kan nach meinem Sinn.
Aller Höfe Glanz und Pracht
Sing' und sag' ich gute Nacht.