Das zwölffte erbauliche Seelen-Lied
Welches kan gesungen werden nach unserm andächtigen Hauß- und Kirchenliede: Von Gott will ich nicht lassen, den er läst.
1.
Laß uns, o Seele, fliehen
Auß dieser bösen Zeit;
Laß uns, O Seele, ziehen
Ins Hauß der Ewigkeit.
Bald kompt der Engel Schaar,
Gen Himmel uns zu führen,
Woselbst uns kan berühren
Kein Unglück noch Gefahr.
2.
Wir sind schon längst gesessen
Im Kärcker dieser Welt,
Wo niemand kan ermessen,
Wie sehr uns nachgestelt
Welt, Teuffel, Fleisch und Blut.
Wir haben außgestanden
In Ketten und in Banden
Mehr, als ein Sclave thut.
[309] 3.
Der Satan hat betrübet
Uns leider! Nacht und Tag.
Wir sind im Creütz geübet
Mehr, als man glauben mag.
Wir lagen grausamlich
Bey Drachen und bey Schlangen
An Leib' und Seel gefangen,
Ja fühlten manchen Stich.
4.
Wir musten furchtsam gehen
Den gar zu schmahlen Weg,
Wir konten schwerlich stehen
Auff dem zerbrochnen Steg.
O welch ein' Unglücks-Tieff'!
Ein Wasser, schwartz und grewlich,
Ein Wasser, das abschewlich
Uns zu verderben lieff!
5.
Hilff Gott, es soll bald werden
Mit uns ein andrer Stand,
Wan wir nur von der Erden
Ins rechte Vatterland
Zu Jesu sind gebracht;
Dan wird uns gar nichts fehlen,
Auch künfftig nicht mehr quälen
Des Satans List und Macht.
6.
Wir kommen auß dem Tuncklen
An einen solchen Ort,
Wo Sonn' und Sterne funcklen,
Wo lauter Frewd' hinfohrt,
Wo Gottes Lob erschallt,
Wo wir in Freyheit wohnen,
Geschmückt mit güldnen Krohnen,
Sehr herrlich von Gestalt.
7.
Da wird man frölich sagen:
Willkommen, liebes Kind!
Dich hat der Engel Wagen
Herauff geführt geschwind'
Und in den Stand versetzt,
Wo du nach tausend Plagen,
Nach lauter Angst und Zagen
Wirst ewiglich ergetzt.
8.
Hinweg, jhr Strick' und Bande,
Hinweg, du Sclaverey!
In diesem hohen Stande,
Da herrschet man recht frey.
Hinweg, Furcht, Pein und Quaal!
Diß alles ist vergangen;
Wir jauchtzen jtz und prangen
Im grossen Himmels-Saal!
9.
Laß uns, o Seele, fliehen
Auß dieser schnöden Zeit!
Laß uns, o Seele, ziehen
Hinauff zur Seeligkeit!
Dort steht der Engel Heer
Bey Sions güldnen Thüren,
Sampt uns zu triumphiren.
Diß ists, was ich begehr!