Die Kerze

Wie die Kerze
Treu am Bette aller Schönen wach' ich;
Wie die Kerze
Jedem trunknen Nachtgelage lach' ich.
Wie die Kerze
Muß ich, mich verzehrend, Flammen saugen,
Und vor Schmerze
Kommt kein Schlaf bei Nacht mir in die Augen.
Wie die Kerze
Wein' ich still, wenn ich zu lachen scheine,
Und ich scherze
Lachend, wenn ihr glaubet, daß ich weine.
Wie die Kerze
Leuchtet in das Aug' der Welt mein Namen,
Seit im Scherze
Mich zwei Augen zu entflammen kamen.
Wie die Kerze
Will ich alle Welt in Flammen setzen,
Daß die Schwärze
Deines Aug's sich mög' am Brand ergetzen.
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Wie die Kerze
Leuchtet mir dein Bild durch Grames Nächte;
O entschwärze
Mein Geschick durch deines Lichtes Mächte!
Wie die Kerze
Ist der Felsen der Geduld geschmolzen,
Weil die Erze
Deines Busens trotzen allen Bolzen.
Wie die Kerze
Ist Hafis in Liebesglut zerstoben,
Freimunds Herze
Hat die hellen Funken aufgehoben.

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TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Gedichte. Wanderung. Dritter Bezirk. Östliche Rosen. Die Kerze. Die Kerze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-A559-4